Am siebten Tag ruhte der Herr, nachdem er die Welt erschaffen hatte. Allwöchentlich begehen Juden an diesem Tag der Woche den Schabbat, an dem alle Alltagsverpflichtungen Pause haben. Mit der Ziffer sieben ist im Judentum ein ganz besonderer Mythos verbunden. In wenigen Tagen schreiben wir das jüdische Jahr 5772. Zweimal enthält es diese Ziffer, ist aber nicht durch sie teilbar. Einige Zeit werden wir uns erst daran gewöhnen müssen, mit der neuen Jahreszahl umzugehen. Dann ist sie uns so geläufig, dass wir gar nicht mehr darauf achten, was in ihr steckt.
Zahlen bestimmen unser Leben, bringen uns Glück oder Pech. Die meisten Menschen haben dabei Lieblingszahlen, mit denen sie ein bestimmtes Ereignis verbinden, oder die sie aus religiöser Sicht für besonders wichtig halten. Für Moritz Neumann ist es die Sieben. Auch wenn der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen eigentlich keine ausgewiesene Lieblingszahl hat, diese Ziffer ist ihm schon sehr wichtig. »Warum? Na, vielleicht weil unsere Ehe das sprichwörtlich verflixte siebte Jahr gut überstanden hat«, erklärt Neumann und lacht.
Primzahl Die Vorliebe für diese Primzahl habe er von seiner Frau übernommen, gesteht er. »Vielleicht, weil sie im Judentum eine so wichtige Rolle spielt. Die Braut wird bei der Chuppa siebenmal um den Mann herumgeführt. Die Zeit zwischen Pessach und Schawuot beträgt sieben Wochen, die Woche hat sieben Tage.« Und dann gebe es ja auch noch die sieben noachidischen Gesetze, die für alle Menschen gelten, so auch für Nichtjuden.
Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, hält die Ziffer 5772 für eine wichtige Zahl. Gut gefalle ihr aber auch das alte Sprichwort, in dem die Zahl drei vorkommt: »›Aller guten Dinge sind drei.‹ Dieser Satz ist eine Ermutigung, dass man immer alles dreimal versuchen, also nicht so schnell aufgeben sollte.«
Ganz besonders gefalle ihr aber eine ganz andere Zahl, nämlich die Zehn, denn »sie steht für die Zehn Gebote«. Und die seien ihr sehr wichtig, »obwohl ich natürlich nicht pausenlos daran denke, dass und wie ich sie einhalte. Ich finde einfach, dass in ihnen alles gesagt ist.« Eine Gebrauchsanweisung für das Leben nennt Neuwald-Tasbach den Dekalog deshalb. »Es handelt sich um eine rundum abgeschlossene Sache. Das ganze Leben, und natürlich auch das Zusammenleben, ist darin geregelt und wird dadurch in geordnete Bahnen gelenkt.«
Zahlenwerte Rabbiner Chaim Kornblum von der Gelsenkirchener Gemeinde ergänzt: »Zahlen spielen im Judentum auch deswegen eine wichtige Rolle, weil die hebräischen Buchstaben immer einem Zahlenwert entsprechen.« Das könne man am jüdischen Kalender oder auch an den Datumsangaben auf Grabsteinen sehen. »Dort sind die Zahlen immer als Buchstaben geschrieben.«
Die Zehn, so der Rabbiner, könne man ja noch einmal aufteilen. Die Eins steht so beispielsweise »für den Ewigen«, für das Göttliche. Zahlen verweisen etwa auf die drei Stammväter und vier Stammmütter. Der Tzitzit hat fünf Knoten, die Welt wurde in sechs Tagen erschaffen, außerdem besteht die Mischna aus sechs Büchern.
Die Sieben ist in der Anzahl der Arme der Menora repräsentiert, erklärt Kornblum, ebenso in der Zahl der Tage, die die Schiwa, die Trauerzeit dauert. Sieben Tage lang werden Sukkot und Pessach in Israel gefeiert. Am achten Lebenstag wird ein jüdischer Junge beschnitten. Acht Tage lang brannte das Öllämpchen, an das Lichtwunder erinnern sich Juden zu Chanukka an acht aufeinanderfolgenden Tagen. Und auch Pessach dauert in der Diaspora acht Tage lang.
Auf dem Chanukka-Leuchter stehen mit dem Schames, dem Diener, neun Kerzen, neun Monate dauert es, bis ein Kind geboren ist. Und dann gibt es natürlich die Zwölf, fährt der Rabbiner mit seiner Zahlenmystik fort. Diese Zahl erinnert an die zwölf Stämme Israels.
Glücksbringer Eigentlich wäre die Elf doch wohl eine gute Lieblingszahl für Alon Meyer, schließlich leitet er bei Makkabi Frankfurt das Fußballteam. Doch Meyer winkt ab. »Nein«, sagt er amüsiert, »ganz und gar nicht: Es ist die Sechs. Und das nicht nur, weil ich am 6.6. geboren bin.« Die Zahl habe ihm schon mehrere Male richtig Glück gebracht, und das sogar beim Roulette. »Das war in Monaco, wo wir mal einen schönen Tag verlebt hatten.« Natürlich seien sie auch im Spielcasino gewesen. »Beim Rausgehen hatte ich plötzlich die Idee, einfach noch mal schnell zu setzen, natürlich auf die Sechs. Und genau die fiel dann auch, das war natürlich super.«
Aber ein richtig fanatischer Sechser-Liebhaber ist Meyer dennoch nicht. »Die Sechserreihe im Lotto zu tippen, das wäre mir zu langweilig, da nehme ich lieber Geburtstage. Und beim Autokennzeichen bevorzuge ich natürlich die 18, chai! – Lebe!« Und beim Fußball ist er Pragmatiker: »Mir ist durch und durch egal, welche Nummer auf dem Trikot steht, ich spiele auf jeder Position. Und wenn ich gebraucht werde und Not am Mann ist, sogar auch als Torwart.«
Wolfgang Nossen, Vorsitzender der Thüringischen Landesgemeinde in Erfurt, hat keine Zahl, auf die er setzen wolle. »Dazu ist mein Konto nicht groß genug«, scherzt er. Dafür habe er allerdings eine Glückszahl, »und zwar eine, die eine Menge Menschen gar nicht schätzt, nämlich die 13.« Die sei für ihn »a jiddische Glückszahl – und außerdem bin ich 31 geboren, also handelt es sich bei ihr um mein umgedrehtes Geburtsjahr. Und sie steht für die Barmizwa, also das Alter, in dem jüdische Jungen die Religionsmündigkeit erreichen. Sie kann also keine schlechte Zahl sein, die 13«, ist der 80-Jährige überzeugt.
Teilbar Und dann sei da natürlich die 18, »die gehört zu jedem Juden – wenn ich Geldgeschenke mache oder spende, dann handelt es sich immer um eine durch 18 teilbare Zahl. Die Summen sind meist nicht so hoch, sodass ich den Betrag gut im Kopf ausrechnen kann«, erzählt Nossen und fügt ein bisschen stolz hinzu: »Das kleine Einmaleins kann ich immer noch im Schlaf aufsagen.« Nur in einem Fall durchbreche er diese traditionelle 18-Regel: »Wenn ich zu einer Barmizwa Geld schenke, dann ist der Betrag natürlich durch 13 teilbar, das habe ich immer so gemacht.«
Simone Graumann vom Frankfurter Vorstand der Wohltätigkeitsorganisation WIZO, die auch Deutschland-Vizepräsidentin des Vereins ist, hat gleich mehrere Lieblingszahlen. »Da sind natürlich die Geburtstage meiner Lieben«, zählt sie auf. Ihr Sohn ist an einem 18. geboren. Sie entspricht im hebräischen Alphabet den Buchstaben Chet and Yod. Zusammen ergeben sie das Wort Chai, Leben. Die Zahl 18 steht deshalb für das Leben.
Aber auch Simone Graumann hat die Sieben zu ihrer Glückszahl gewählt. »Wenn ich spiele, nehme ich sie beispielsweise ganz automatisch.« Diese Vorliebe habe sie von ihren Eltern übernommen. »In deren Autokennzeichen kam immer die 77 vor, und auch in ihren Telefonnummern war die Zahl immer zu finden.« Wie sie das geschafft haben, könne sie sich wahrlich nicht erklären, »denn früher konnte man sich ja meist Wunschnummern gar nicht aussuchen. Es war also reiner Zufall.«