Porträt der Woche

Der Immobilien-Visionär

Eigentum zu besitzen, bedeutet Verantwortung und soziales Engagement zu übernehmen: Ardi Goldmann Foto: Rafael Herlich

Porträt der Woche

Der Immobilien-Visionär

Ardi Goldman schafft Arbeits- und Lebensräume in Frankfurt am Main

von Annette Kanis  06.06.2011 11:51 Uhr

Ich komme aus dem Immobilien-Development. Frankfurt sehe ich als meine Heimat, und ich habe begonnen, über die Immobilien hinaus die Stadt mitzuentwickeln. Mittlerweile betreibe ich auch Hotels und Gastronomie.

Architektur steigert die Qualität einer Stadt. Sie ist Kunst, die sich nicht verstecken kann. Im Museum stört ein schlechtes Kunstwerk nicht. Niemand ist gezwungen, es anzuschauen. Bei Architektur ist das anders. Schlechte Gebäude nehme ich persönlich, sie beleidigen mein Auge.

Zwei Projekte waren für mich sehr prägend, die mich auch bekannt gemacht haben. Das ist die »Union«, ein ehemaliges Brauereigelände mit 14 verschiedenen Häusern, die wir auf eine ganz bestimmte Art architektonisch bearbeitet haben. Sehr wichtig finde ich, Baustoffe zu benutzen, die echte Nachhaltigkeit erzeugen – Materialien, die wie wir Menschen Falten, Staub und Schmutz ansetzen und dabei nicht hässlicher werden.

Formen Eine Weiterentwicklung war das UFO. Wir wollten ein ganz klares Produkt erzeugen, indem wir gesagt haben, wir bauen einen archaischen Betonbau. In Anlehnung an die großen Architekten aus Japan, Tadao Ando und Toyo Ito. Für mich ist Beton nicht verschrien, sondern ein klassisches und natürliches Baumaterial. Die Betonbauten aus den 70ern waren Zweckbauten. Beton, mit dem man heute umgeht, ist von skulpturaler Form.

Deutschland ist nicht bekannt für interessante Wohnbauten. In holländischen Städten wie Amsterdam oder Rotterdam findet man einen spannenderen Umgang mit großen Bauformen, mit mutigen Austragungen. Mein derzeitiges Projekt in der Frankfurter Innenstadt geht in diese Richtung. Es ist der Umbau der alten Diamantenbörse in ein Wohnhaus. Das ist für mich die Krönung meines Schaffens. So ein Projekt kann man nur machen, wenn man 20 Jahre Erfahrung hat, denn wir bauen hier in jeglicher Weise gegen die Norm.

Zu den architektonischen Grundideen kommt eine von Wertevorstellungen: Was bedeutet es, Eigentum zu haben? Welche Verantwortung hat man damit, und was kann man sozial bewegen? Die Eigentümer der Wohnungen werden zu einer sozialen Wertegemeinschaft. Ein Prozent des Umsatzes soll an ausgewählte Projekte gespendet werden. Drei von ihnen haben einen jüdischen Hintergrund. Israel ist ja kein bedürftiges Land. Es gibt dort einen der höchsten Bildungsstandards und ein hohes Gesundheitsniveau. Ich möchte für Projekte spenden, wo es sinnvoll ist.

Projekte Für Israel ist das Wichtigste: Frieden. In diesem Zusammenhang steht Neve Shalom, ein Dorf an der Grenze, das von Israelis und Palästinensern aufgebaut wurde und gemeinsam bewohnt wird. In meinen Augen ist das ein funktionierendes Friedensangebot, weil da Menschen aufeinander zu gehen. Das andere Projekt ist »Cinema Jenin«. Jenin ist ein palästinensisches Städtchen, aus dem sehr viele Selbstmordattentäter kommen. Hier ist in einem leerstehenden Kino ein Kulturprojekt entstanden, ein Friedenskino. Und das dritte ist ein Projekt der WIZO, der Women’s International Zionist Organization. Sie unterhält ein Haus in Israel, das sich um kriegsgeschädigte Frauen unterschiedlicher Kulturen kümmert.

Projekte, die Frieden bringen können, sind für mich als Jude wichtig. Meine Mutter war Israelin, ich habe meine Kindheit in Israel verbracht, meine Familie lebt dort. Die Männer meiner Cousinen und Tanten müssen jedes Jahr sechs Wochen zum Militär. Das heißt manchmal auch, nicht zu wissen, ob man zurückkehrt. Ich lebe nicht in Israel, weil ich nicht bereit bin, dort Wehrdienst zu leisten. Niemals. Ich möchte nicht für ein Land sterben und auf andere Menschen schießen.

symbole Dass jetzt ein Frankfurter Zentralratspräsident ist, freut mich sehr. Endlich! In Frankfurt leben viele interessierte Juden. Für mich ist es die jüdische Hauptstadt. Ich finde, wir haben die schönste Synagoge. Berlin hat die größte, aber was ist schon Größe? Mir gefällt, dass unsere Synagoge mitten in einem Wohnviertel steht. Sie ist schön gemacht, nicht protzig, sie ist sympathisch. Und so soll ja auch Glauben sein.

Ich bin nicht religiös. Ich bin Mensch, und ich bin ein Frankfurter Bürger. Ich mag Deutschland, ich mag die Sprache, ich liebe die deutsche Hochkultur. Da ich an sehr verschiedenen Orten aufgewachsen bin – ein bisschen in Israel, ein bisschen da, ein bisschen dort – habe ich eigentlich nie wirklich eine jüdische Kultur mitbekommen.

Situationen Das Jüdischsein spielt durchaus eine Rolle für mich. Ich bin als Jude geboren. Das ist ein Stempel, den ich bekommen habe und gerne trage. Ich sage auch gern, dass ich Jude bin. Man kann Situationen aufbauschen damit. Jude zu sein polarisiert. Es ist noch immer ein Schimpfwort. Nach wie vor gibt es viele Vorurteile: Der Zigeuner klaut, der Jude ist reich und verschlagen. Ardi Goldman und Jude – das ist ja schon Ressentiment genug. Das kann man manchmal auch in Leserbriefen lesen. Da steht dann: »Ist doch klar, dass er solchen Erfolg hat. Er ist ja auch Jude. Der ist doch reich zur Welt gekommen.«

Ich bin immer in Bewegung und stets neugierig. Warten ist etwas, das mir völlig abgeht. Ich bin ungeduldig und andauernd am Aufsaugen. Man könnte mich mit einem Schwamm vergleichen. Mich begeistern Geschichten. Ich muss mich um tausend verschiedene Sachen kümmern: Hotels, Gastronomie, ich mache Kunst- und Kulturprojekte. Deshalb habe ich einen ausgefüllten Kalender mit den unmöglichsten Terminen.

Wege Es gibt einen Aspekt in meinem Leben, der immer wieder kommt und gegen den ich kämpfe: Es ist der Satz: »Das geht nicht.« Er umgibt mich. Aber ich finde, so etwas gibt es doch nicht. Möchte ich schwarze Heizkörper oder Fenster mit einer anderen Öffnung, sagt man mir: »Das gibt es nicht, das geht nicht.« Bis dato habe ich immer herausgefunden, dass es doch geht. Man muss nur hartnäckig sein.

Das neue Wohngebäude, das ich entwickle, besteht eigentlich nur aus »Das geht nicht, das gibt’s nicht«. Aber trotzdem wird es gebaut. Es ist groß, aber lässig. Die Makler wollen mir die Bezeichnung »exklusive Wohnungen« in den Mund legen. Das stimmt zwar, sie sind exklusiv, aber ich bin es nicht. Gucci und Chanel – so etwas ist exklusiv, das tragen die Russen. Es ist irgendwie so shiny. Aber ich will lässig sein. Mode von Dries Van Noten oder Comme des Garcons, das ist lässig.

Phasen Wenn ich vom Büro nach Hause komme, brauche ich erst mal eine Stunde Ruhephase. Egal, ob mit Fernsehen oder Zeitunglesen, wichtig ist, dass das Gehirn nicht kreativ arbeitet. Ich merke, das wird im Alter schwieriger. Es gab mal ein halbes Jahr, da hatte ich keine Ideen mehr. Das war erschreckend! Zum Glück war diese Phase irgendwann wieder vorbei. Aber das sind so Zeichen vom lieben Gott: Ardi, pass auf, werd’ mal ruhiger!

Es gibt jetzt einen Ausgleich in meinem Leben. Ich habe eine Frau gefunden, mich entschieden für eine Partnerin an meiner Seite. Vor zwei, drei Jahren sah ich ein Interview mit Loki und Helmut Schmidt. Die beiden waren so eine geschlossene Einheit, dass ich mir wünschte, im Alter zu sein wie sie: fit und mit einem Sparringspartner an der Seite. Da sieht man, Schönheit ist vergänglich. Innere Werte, Intelligenz, Neugier hören nie auf.

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