Worms

Der Geist der Aschkenasim

Um der Einzigartigkeit der mittelalterlichen jüdischen Gemeinden Magenza, Warmeisa und Spira (SchUM-Städte) die Geltung zu verschaffen, die ihnen zusteht, haben die Städte Worms, Mainz und Speyer 2012 gemeinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz und den betreffenden jüdischen Gemeinden einen Antrag auf Anerkennung als UNESCO-Welterbe gestellt. Diesen Antrag Nachdruck verleihen dürften die Ergebnisse der Tagung »Das kulturelle Profil der SchUM-Gemeinden« sein, die vom 1. bis 3. Oktober im Kultur- und Tagungszentrum stattfand.

Unter Leitung des Religionswissenschaftlers und Judaisten Karl Erich Grözinger referierten und diskutierten 15 Wissenschaftler aus Deutschland, Israel und den USA über Wundergeschichten, Poeme und Gebete, über synagogale und weltliche Gesänge, über die Sehnsucht nach Zion und die Liebe zur Heimat am Rhein, vor allem aber über die engen Verflechtungen dieses reichen geistigen Lebens mit der christlichen Kultur des Mittelalters und seine vielfältigen Nachwirkungen bis in die Gegenwart.

Kostproben Was tagsüber theoretisch erörtert wurde, wurde abends musikalisch und literarisch nahegebracht. So trug der Wormser Schauspieler Karl-Heinz Deichelmann ausgewählte Erzählungen vor. Eliyahu Schleifer präsentierte mit einer Gruppe von Kantoren eine Vielfalt synagogaler Gesänge, und die Gruppe Simkhat Hanefesh um Diana Matut ließ jiddische Lieder aus Renaissance und Barockzeit erklingen.

In seiner Einführung wies Grözinger darauf hin, dass gerade die erzählerische Kultur, die in Worms bis zur Schoa bewahrt wurde, den Geist des aschkenasischen Judentums spiegele und den Ruhm der SchUM-Gemeinden ausmache. Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Fachleute den »Ma’ase Nissim«, den Wundergeschichten des Wormser Gemeindebeamten Juspa Schammes, die 1696 erstmals gedruckt wurden und zu ihrer Zeit ein Bestseller waren.

Unter speziellen Fragestellungen betrachtet, lieferten die bekannten Geschichten einige neue Erkenntnisse. Sehr wahrscheinlich ist, dass der Autor und Kompilator seine »Wundergeschichten«, die durchaus auch unterhalten sollten, mit propagandistischen Absichten erzählte, nicht zuletzt um die Identifikation der Gemeinde mit ihrer rheinischen Heimat zu stärken.

Deutungen Dass ein Motiv seiner Geschichten, die vom Drachen umschlungene Stadt Worms, früher als Wandbild in einer weißrussischen Synagoge auftauchte, gab zu vielfältigen Deutungen Anlass. Die in den Wundergeschichten enthaltene Ursprungslegende über die jüdische Gemeinde Worms wurde verglichen mit den Gründungsmythen des hebräischen Schriftstellers Samuel Agnon über seine polnische Heimat. Eine dritte Erzählung des Juspa Schammes wurde durch die Jahrhunderte fortgeschrieben und hielt schließlich Einzug in ein modernes Kinderbuch.

Die Kontinuität des SchUM-Erbes bis in die Neuzeit wurde vor allem auf literarischer Ebene, etwa am Beispiel der Transformation der Idee des Kiddush ha-Schem (der Selbsttötung, um der Zwangstaufe zu entgehen), aufgezeigt. Sie ist aber auch im Bereich der Musik zu beobachten, sowohl bei den synagogalen Gesängen als auch im jiddischen Liedgut der frühen Neuzeit. Rückbesinnungen, Bewahrungsbestrebungen und Neubearbeitungen des Materials lassen sich vor allem in Krisenzeiten erkennen.

beispiele Besonderer Dank ging an Kulturkoordinator Volker Gallé und sein Team, das für einen reibungslosen Ablauf sorgte. Darüber hinaus gab eine Führung durchs jüdische Worms den Gästen die Gelegenheit, vor Ort zu sehen, worüber sie forschen und schreiben.

Die Tagung brachte die Erkenntnis, dass neue Fragestellungen und akribische Kleinarbeit helfen, das Wissen über die SchUM-Gemeinden zu bereichern und auch manches Pauschalbild zu korrigieren. Bis zum Jahresende sollen die Tagungsbeiträge in Buchform erscheinen.

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Düsseldorf

Erinnerungen auf der Theaterbühne

»Blindekuh mit dem Tod« am Schauspielhaus stellt auch das Schicksal des Zeitzeugen Herbert Rubinstein vor

von Annette Kanis  27.04.2025

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025

Begegnung

Raum für das Unvergessene

Jede Woche treffen sich Schoa-Überlebende im Münchner »Café Zelig«, um Gemeinschaft zu finden im Schatten der Geschichte. Ein Ortsbesuch

von Katrin Diehl  23.04.2025

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025