München

Dem Vergessen entreißen

Das schöne Jugendstilhaus in der Herzogstraße 55 steht heute nicht mehr. Einzig die Erinnerungszeichen vor dem Nachkriegsbau weisen heute darauf hin, dass sich hier einst die große Wohnung der Münchner Schriftstellerin Carry Brach­vogel befand. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bildeten die Räumlichkeiten der bekannten Frauenrechtlerin im Westen von Schwabing ein bedeutendes kulturelles Zentrum.

Ihr literarischer Salon war in München eine Rarität und erlangte so in der Stadt rasch eine gewisse Berühmtheit. Selbst der junge Rainer Maria Rilke war von seiner Bekanntschaft mit Brachvogel derart beeindruckt, dass er ihr ein eigenes Gedicht widmete. Von 1936 an war die Herzogstraße auch letzte Wohnstätte für die Industriellengattin Julie Weinmann und für Brachvogels Bruder, den Historiker Siegmund Hellmann. Weinmann hatte zuvor gemeinsam mit ihrem Ehemann viele Jahre lang Künstlerinnen und Künstler in ihrer Villa am Starnberger See, dem heutigen Haus Buchenried der Münchner Volkshochschule, empfangen.

Alle drei – Brachvogel, Weinmann und Hellmann – repräsentierten das lange geachtete, ab 1933 hingegen gnadenlos entrechtete und verfolgte jüdische Bürgertum Münchens. Weinmann starb im Mai 1936 in hohem Alter noch in Brachvogels Wohnung, Brachvogel wurde zusammen mit ihrem Bruder 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert. Beide wurden dort noch im selben Jahr ermordet.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, unterstrich in ihrer Ansprache in der Seidlvilla vor Anbringung der Erinnerungszeichen deren Bedeutung für die bürgerschaftliche Erinnerungskultur: »Die Bildnisse der Persönlichkeiten kehren mit diesen Zeichen in die Stadt zurück.«

»Die Bildnisse der Persönlichkeiten kehren mit diesen Zeichen in die Stadt zurück.«

Charlotte Knobloch

Dankbar zeigte sie sich gegenüber Eva Strauß, der Geschäftsführerin des Vereins »Stattreisen München«, die sich als Initiatorin der an diesem Tag übergebenen Erinnerungs­zeichen besonders für das Gedenken eingesetzt habe. »Wir brauchen mehr davon«, meinte Knob­loch, die auch betonte, dass sich angesichts des stark angestiegenen Antisemitismus der heutige »Blick nach vorn immer mehr wie ein Blick zurück anfühlt«.

Stadtrat Stefan Jagel, der in Vertretung des Oberbürgermeisters sprach, betonte ebenso, dass Erinnerungszeichen zwar nicht die Welt veränderten, »aber sie sind ein wichtiger Bestandteil, um die Vergangenheit dem Vergessen zu entreißen«. Jagel hob hervor, dass Brachvogel auch als Teil des arrivierten Münchner Bürgertums von der Verfolgung nicht verschont blieb.

Eva Strauß schließlich ging noch einmal ausführlich auf die Biografien der drei Persönlichkeiten ein, ehe Christian Haager vom Haus Buchenried der Münchner Volkshochschule eine Auswahl von Anekdoten über die Künstlerempfänge von Julie Weinmann und ihrem Mann am Starnberger See darbot.

Ebenfalls mit Redebeiträgen vertreten waren Gabriele Wiesmüller als Vertreterin der ausrichtenden Seidlvilla, Thomas Schütte von der Monacensia, die das Brachvogel-Archiv verwahrt, sowie Thomas Rock als Mitglied des Bezirksausschusses Schwabing-West. Darüber hinaus nahm auch die bekannte Brachvogel-Forscherin Ingvild Richardsen an der Veranstaltung teil.

Pädagogik

Karin Prien gegen private Handynutzung an Grundschulen

Die Bundesbildungsministerin betont: »Wir müssen uns damit sehr schnell und sehr intensiv beschäftigten.«

 17.05.2025

Tel Aviv/Ravensburg

Ricarda Louk kämpft für das Andenken an ihre Tochter Shani

Am 7. Oktober 2023 wollte Ricarda Louks Tochter mit anderen jungen Menschen tanzen und feiern – dann kam das Massaker der Hamas. Vor einem Jahr wurde Shanis Leiche gefunden. So geht es ihrer Familie heute

 16.05.2025

Berlin

»So monströs die Verbrechen der Nazis, so gigantisch dein Wille, zu leben«

Leeor Engländer verabschiedet sich in einer berührenden Trauerrede von Margot Friedländer. Wir dokumentieren sie im Wortlaut

von Leeor Engländer  15.05.2025

Trauerfeier

Die unbeugsame Berlinerin

Nach dem Tod von Margot Friedländer trauert ganz Berlin um eine besondere Frau, die als Holocaust-Überlebende unermüdlich für Menschlichkeit eintrat. Bei ihrer Beisetzung nahmen hochrangige Gäste nun Abschied

von Sigrid Hoff  15.05.2025

Abschied

Eine letzte Verneigung

Die am 9. Mai verstorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer ist am Donnerstag in Berlin beigesetzt worden. An der Trauerfeier nahmen neben Wegbegleitern auch die gesamte Staatsspitze teil

von Markus Geiler  15.05.2025

Berlin

Große Anteilnahme bei Beisetzung von Margot Friedländer

Knapp eine Woche nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende beigesetzt. Zu der Trauerfeier kommen viele Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft

 15.05.2025 Aktualisiert

Jahrestag

Erben der Erinnerung

Auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau gedachten Schoa-Überlebende sowie Vertreter aus Politik und Gesellschaft der Befreiung vor 80 Jahren

von Vivian Rosen  15.05.2025

Gedenkstunde

»Der Sieg ist auch der Sieg der Gefallenen«

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern ehrte die jüdischen Soldaten mit einer Kranzniederlegung

von Vivian Rosen  15.05.2025

Essen

Blumen aus Lotan

Ein Team des Kibbuz im Negev ist zu Gast in der Alten Synagoge, um Jugendlichen Ökologie, Achtsamkeit und Nachhaltigkeit näherzubringen

von Stefan Laurin  15.05.2025