Rechtsextremismus

Das Unbehagen hält an

Plakat-Aktion von Heinz Meyer auf dem Jakobsplatz Foto: privat

Rechtsextremismus

Das Unbehagen hält an

Bayerisches Verwaltungsgericht setzt den Antrag von Stadt und IKG gegen Münchens Pegida-Chef Heinz Meyer außer Kraft

von Helmut Reister  12.11.2020 08:37 Uhr

Mit einem Platzverweis wollte die Stadt München den unsäglichen Auftritten des Rechtsextremisten Heinz Meyer vor der Synagoge und dem Jüdischen Gemeindezentrum ein Ende bereiten. Diese Anordnung, die im Sommer erteilt und von der Israelitischen Kultusgemeinde nachdrücklich unterstützt wurde, haben die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichts außer Kraft gesetzt. Bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung darf Meyer dort weiterhin seine ideologischen Positionen verbreiten.

Auf den ersten Blick ist die Szenerie klar. Ein Mann steht auf dem Jakobsplatz, nur wenige Schritte von Gemeindezentrum und Synagoge entfernt. In der Hand hält er ein großes Plakat, mit dem er gegen religiöse Bräuche im Judentum wettert. Beter, die zum Gottesdienst in die Synagoge gehen, laufen an ihm vorbei – und haben Angst.

»Nur darum geht es ihm, nicht um jüdische Religion«, stellt Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, fest. Das erkennbare Unbehagen Knob­lochs, die den Holocaust überlebte und nun das aktuelle Wiederaufflammen des Antisemitismus in breiten Gesellschaftsschichten wahrnimmt, ist leicht nachvollziehbar.

neonazis Ein Faktor, der das Unbehagen weiter schürt, sind die »Kameraden«, mit denen sich Meyer umgibt. In konzentrierter Form traten sie im Jahr 2015 beim ersten »Pegida«-Aufmarsch in München, den der Rechtsex­tremist organisierte, gemeinsam in Erscheinung.

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hält Heinz Meyer für »einen maßgeblichen Aktivisten der rechtsextremistischen Szene«.

Etwa 80 gewaltbereite Neonazis nahmen den Erkenntnissen der Polizeibehörden zufolge daran teil, darunter auch ein verurteilter Helfer des mörderischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) – und zwei eng mit Meyer verbundene Mitglieder der verbotenen rechtsex­tremistischen »Kameradschaft Süd«.

Für die Israelitische Kultusgemeinde ist die »Kameradschaft Süd« ein rotes Tuch. Immerhin waren es zwei Mitglieder der Neonazi-Truppe, die einen Bombenanschlag bei der Grundsteinlegung des Gemeindezentrums am Jakobsplatz geplant hatten. »Viel Fantasie ist nicht nötig, um nachvollziehen zu können, welche Gefühle der Auftritt dieser ›Kameraden‹ direkt vor dem Gemeindezentrum auslöst. Ob er nun mit dem Plakat nur still herumsteht, spielt dabei keine Rolle«, beschreibt Knobloch die für sie nicht hinnehmbare Situation.

verfassungsschutz Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hält Heinz Meyer für »einen maßgeblichen Aktivisten der rechtsextremistischen Szene«. Sein Name taucht auch auf der Liste der 43 gefährlichsten Rechtsextremisten Deutschlands auf, wie die »Süddeutsche Zeitung« berichtete.

Von den Behörden wird er als »Gefährder« eingestuft. Seit 2012 ermittelt die Generalbundesanwaltschaft gegen ihn wegen Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung.

An der Rechtslastigkeit Meyers und seiner Motivlage ist auch das Verwaltungsgericht nicht vorbeigekommen. »Für das Gericht steht außer Frage«, heißt es in einer Stellungnahme zur Aufhebung des Platzverweises, »dass der Antragsteller ein bekennender, vorbestrafter Rechtsextremist ist, der zu Provokationen neigt. Für das Gericht ist auch nachvollziehbar, dass für jemanden, der die politische Vita des Antragstellers kennt, dessen Aktionen am St.-Jakobs-Platz als ärgerlich und anstößig erscheinen.«

gesinnung Die Stadt München hatte den Platzverweis, gegen den Meyer mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht vorgeht, damit begründet, dass er mit seinem Auftreten eine Belästigung der Allgemeinheit darstelle und es ihm in Wirklichkeit darum gehe, seine rechtsextremistische Gesinnung zur Schau zu stellen.

Charlotte Knobloch setzt ihre Hoffnung auf das endgültige Urteil im Hauptverfahren.

Von dieser Argumentation ließ sich das Verwaltungsgericht nicht beeindrucken, auch nicht von der möglichen Wirkung der Plakat-Aktion auf die jüdische Gemeinschaft. Als antisemitisch beziehungsweise zum Hass gegen Juden aufstachelnd könne sie jedenfalls nicht gewertet werden, meinten die Richter im Eilverfahren.

Charlotte Knobloch, die von Gemeindemitgliedern mehrfach auf den furchteinflößenden Charakter des Meyer-Auftritts angesprochen wurde, setzt ihre Hoffnung auf eine differenziertere Betrachtungsweise der Verwaltungsrichter, die das endgültige Urteil im Hauptverfahren treffen müssen. »Die Reduzierung der Argumentation auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung wird der eigentlichen Problematik nicht gerecht«, ist sie überzeugt.

antisemitismus Die »eigentliche Problematik« spricht Charlotte Knobloch bei geeigneten Anlässen immer wieder an und blickt dabei auf den seit Jahren wachsenden und immer offener zutage tretenden Antisemitismus, auf Hass, der sich zunehmend in Gewalt niederschlägt.

Sie fordert ein konsequenteres Vorgehen des Staates gegen antisemitische Strukturen in der Gesellschaft sowie eine bessere rechtliche Grundlage, um sie zu bekämpfen. In diesem Punkt sei vor allem die Politik gefordert. »Sonntagsreden«, sagt Charlotte Knobloch, »habe ich schon genügend gehört. Es wird Zeit zum Handeln.«

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025