Ausstellung

Chronistin der Nachkriegszeit

Auf dem Schwarzmarkt im Nachkriegsberlin Foto: Stadtmuseum Berlin

Hast du noch eine Kamera?» Diese Frage stellte der Journalist Rudolf Herrnstadt im Mai 1945 der Fotografin Eva Kemlein. Wie Herrnstadt kam Kemlein aus einer jüdischen Familie. Wie er hatte sie Krieg und Schoa überlebt. Als der Journalist 1945 aus dem sowjetischen Exil nach Berlin zurückkehrte und die Berliner Zeitung gründete, machte er Kemlein, die sich drei Jahre lang in Berlin versteckt hatte, zu seiner Pressefotografin.

Von dieser Episode erzählte am Donnerstag Herrnstadts Tochter, die Schriftstellerin Irina Liebmann, anlässlich der Ausstellungseröffnung Berlin lebt auf! zu Ehren der Fotografin Eva Kemlein (1909–2004) in der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum.

Die beiden Kuratorinnen Chana Schütz und Anna Fischer haben für die neue Ausstellung insbesondere Bilder der Jahre 1945 bis 1960 ausgewählt. Sie stelle das fotografische Werk Kemleins in den Mittelpunkt und lasse es «aus sich heraus sprechen», so Stiftungsdirektorin Anja Siegemund.

inszenierung Es sei vor allem «die Freude an der Inszenierung und die Offenheit für Interpretationen», die Kemleins Bilder prägen, so Schütz. Dabei sei die Fotografin «immer freundlich und respektvoll denen gegenüber gewesen, die sie mit ihrer Kamera festhielt» – die Verkehrspolizistin, die auf leeren, zerstörten Straßen den Verkehr regelt, ebenso wie den Sänger Ernst Busch.

Denn Eva Kemlein wurde nicht nur zur Chronistin des Berliner Nachkriegs-, sondern später vor allem des Theaterlebens. Als Bildjournalistin der Berliner Zeitung, deren erste Ausgabe 1945 die Überschrift «Berlin lebt auf!» trug, prägten Eva Kemleins Bilder von Überlebenden das Gedächtnis der Nachkriegszeit. 1950 dokumentierte sie das Berliner Stadtschloss vor seiner Sprengung.

nachlass Fast 50 Jahre lang, seit Sommer 1945 bis kurz vor ihrem Tod im August 2004, fotografierte Kemlein das Theaterleben in Berlin, vor allem die Inszenierungen am Deutschen Theater. Seltene Momentaufnahmen sind ihre Porträtaufnahmen von Ernst Busch, von Heiner Müller sowie von Helene Weigel als Mutter Courage in Bertolt Brechts Berliner Ensemble.

Eva Kemlein war eine Reisende zwischen den Welten. Sie lebte in West-Berlin und fotografierte vornehmlich an den Ost-Berliner Bühnen. So ist die Ausstellung im Centrum Judaicum in Kooperation mit der Stiftung Stadtmuseum, wo sich ihr gesamter künstlerischer Nachlass befindet, auch die Schau eines außergewöhnlichen Lebens zwischen Ost und West.

Die Ausstellung «Berlin lebt auf!» ist bis zum 30. April im Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28/30, zu sehen.

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025