Basketball

Blau-weiße Fankurve

Für Roni Fuss ist die Sache klar. »Heute Abend«, sagt der 34-Jährige, »bekommt Albatros gehörig die Flügel gestutzt.« Mit einem Israel-Fähnchen in der rechten und einem King-Size-Bier in der linken Hand sitzt er im Gästeblock der O2 World in Berlin und wartet ungeduldig auf den Beginn des Basketballspiels.

Er sei hier, um Maccabi Tel Aviv die Daumen zu drücken und die Mannschaft siegen zu sehen, sagt Roni. Dabei ist ihm Basketball eigentlich ziemlich egal. »Es gibt ja sonst keinen Sport, in dem wir Juden besser sind als die Deutschen«, sagt er lachend und fügt rasch hinzu: »Außer Schach vielleicht.« Und wo sonst in Berlin könne man die Fahne Israels schwenken, ohne angefeindet zu werden.

jubel Dann wird es auf einmal dunkel in der Halle. Aus den Lautsprechern dröhnt Ushers Dance-Hit »Yeah«, die Cheerleader tanzen und wirbeln mit ihren Pompons, auf den Rängen jubeln die Zuschauer, die Spieler laufen aufs Feld. »Maccabi! Maccabi! Maccabi!«, ruft Roni und stampft mit den Füßen. Sein Spieltipp: »Tel Aviv ist haushoher Favorit. Alba hat keine Chance!«

Wie Roni sind an diesem Donnerstagabend rund 1000 andere Juden in die O2 World gekommen, um den 50-fachen israelischen Meister Maccabi Tel Aviv im Europaligaspiel gegen Alba Berlin anzufeuern. Mit Israel-Fahnen und Trikots in den Farben von Maccabi ausgestattet, sind sie in der Halle deutlich am lautesten. »Davai, Davai!«, »Yalla, Yalla!«, »Come On!« und »Kommt schon!« hallt es unablässig aus dem Maccabi-Fanblock.

Die Israelin Sara Leshem hingegen applaudiert Tel Aviv eher reserviert. Normalerweise ist die 34-Jährige Anhängerin von Maccabi-Konkurrent Hapoel Jerusalem. »In der Diaspora darf man aber auch mal Maccabi anfeuern«, sagt sie fast schon entschuldigend. Sie lebt seit fünf Monaten in Berlin, studiert an der FU Politikwissenschaften und hat ein wenig Heimweh, wie sie erklärt. »Für mich ist es ein kleines Stück Zuhause, Maccabi zu sehen.«

Kritik Im ersten Viertel ist der Favorit Maccabi wie erwartet weit überlegen. Nach sechs Minuten führen die Israelis bereits 12:0. In der Mitte des zweiten Viertels holt Alba langsam, aber stetig auf, um im dritten Drittel schließlich in Führung zu gehen. »Immer dasselbe«, ärgert sich Roy Avrahai. »Sobald wir überlegen sind, werden wir übermütig.« Der 29-Jährige bezeichnet sich selbst als »Maccabi-Hardcore-Fan« und ist seit Anfang der Woche mit einer Reisegruppe in der Stadt, um Berlin kennenzulernen.

»Natürlich habe ich den Termin so abgepasst, um auch das Spiel besuchen zu können«, erklärt Avrahai. Bisher habe er bereits das Holocaustmahnmal, verschiedene Synagogen und den Bundestag besucht. »Awesome« sei all das gewesen, murmelt er abwesend und flucht dann etwas Unverständliches, das sich anhört wie »Scheiß-Spiel-extra-aus-Israel-hierhin-gekommen-und-die-strengen-sich-noch-nicht-einmal-an«.

Wie der personifizierte Muskeljude sieht Daniel aus Köpenick aus. Osteuropäisches Gesicht, gestählter Körper, schwarze Kippa und mit großer Israel-Fahne in der Hand steht er im Fan-Block von Tel Aviv und ruft: »Maccabi! Maccabi! Maccabi!« Auf die Frage, was ihn mit dem Verein verbinde, sagt er: »Eigentlich nichts. Ich kenne noch nicht einmal die Regeln. Ich bin mit meinen jüdischen Freunden hier, die sind alle Basketball-Fans.« Ob er selbst jüdisch sei? »Nein, eigentlich nicht. Aber ich bin trotzdem irgendwie Jude.« Seine jüdischen Freunde hätten ihm sogar spaßeshalber eine »Ehren-Juden-Nadel« angeboten.

Spannung Am Ende des Spiels wird die Partie noch einmal denkbar knapp. In den letzten 30 Sekunden liegt Maccabi zwei Punkte vor Alba. Die Berliner gewinnen den Ball, spurten nach vorne und setzen, es sind noch drei Sekunden zu spielen, zu einem Drei-Punkte-Wurf an. Die Zuschauer springen von ihren Sitzen auf, um besser sehen zu können. Der Ball fliegt in Richtung Korb, tropft ab vom Ring – und von dort zurück ins Feld. Maccabi siegt, Alba verliert. Nur ein Treffer fehlte Albatros zur großen Überraschung.

Der siebenjährige Jona aus Charlottenburg ist mit dem Ausgang des Spiels hochzufrieden. Er trägt ein blau-gelbes Maccabi-Trikot und kennt alle Namen des Teams auswendig. Ein klasse Spiel sei es gewesen, sagt er aufgekratzt. »Normalerweise gewinnt Maccabi immer locker. Heute war es richtig spannend.«
Das findet auch Roni Fuss. »Eine knappe Kiste war das. Albatros hat heute nur ein paar Federn lassen müssen.«

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  02.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Tage im Mai

Am Wochenende beginnt mit »Youth4Peace« ein Treffen von 80 jungen Erwachsenen aus 26 Ländern. Sie wollen über Frieden und Demokratie sprechen. Auch Gali und Yuval aus Israel sind dabei

von Katrin Richter  01.05.2025

Frankfurt

Zwischen den Generationen

2020 führten Jugendliche gemeinsam mit Überlebenden der Schoa ein »Zeitzeugentheater« auf. Nathaniel Knops Dokumentarfilm »Jetzt?« zeigt dessen Entstehung und feierte nun Premiere

von Eugen El  01.05.2025

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025