Gedenken

»Bis in den Tod verbunden«

Neumeyer-Enkelin Barbro Friberg mit Klaus Bäumler, dem Initiator der Gedenkstele Foto: Marina Maisel

Vor dem Anwesen Königinstraße 35a in Schwabing wurde am 17. Juli eines jener Erinnerungszeichen enthüllt, mit denen München der Opfer des NS-Regimes auf ganz individuelle Weise gedenkt. Der Zeitpunkt für die feierliche Zeremonie auf offener Straße, die dem jüdischen Ehepaar Anna Louise und Karl Neumeyer gewidmet war, war bewusst gewählt worden. Genau 78 Jahre zuvor, am 17. Juli 1941, hatten sie sich gemeinsam das Leben genommen.

Zufall Den Antrag für dieses Erinnerungszeichen hatte Klaus Bäumler, Richter am Baye­rischen Verwaltungsgerichtshof, gestellt. Auch das war kein Zufall, sondern eher der Berufsehre geschuldet. Der Jurist Karl Neumeyer, 1869 in München geboren, gehörte in den 20er-Jahren zu den bedeutendsten Verwaltungsrechtlern, seine Publikationen verschafften ihm internationales Ansehen. Auf die beruflichen Erfolge Neumeyers ging Initiator Bäumler in seiner Rede ein.

Zu der Installation des Erinnerungszeichens war auch die Enkelin Barbro Friberg aus dem Ausland angereist.

Zu der Installation des Erinnerungszeichens und der damit verbundenen postumen Ehrung war auch Barbro Friberg, die Enkeltochter des Ehepaars Neumeyer, aus dem Ausland angereist. In einer kurzen Ansprache beleuchtete sie die fami­liären Aspekte der fast acht Jahrzehnte zurückliegenden Ereignisse.

engagement Zu diesem Kapitel gehört auch das große Engagement von Anna Louise Neumeyer im Kampf für die Rechte von Frauen. Im Jahr 1900 hatte sie geheiratet, ab 1901 war die Professorengattin Mitglied des »Vereins für Fraueninteressen« und damit eine Vorreiterin für Gleichberechtigung.

Faktoren wie berufliche Anerkennung und gesellschaftliches Engagement spielten seit der Machtergreifung der Nazis keine Rolle mehr. Bereits im Jahr 1934 wurde Karl Neumeyer von der Universität München in den Zwangsruhestand geschickt. Seine einzige »Verfehlung«: Er war Jude.

Kulturreferent Anton Biebl, der die Landeshauptstadt München vertrat, richtete bei der Feierstunde seine Augen auf die Rolle der Stadt in der Zeit des Nationalsozialismus und den damit verbundenen Auftrag für die nachfolgenden Generationen.

stolpersteine Auf diesen Aspekt ging auch Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), ein, die sich in der Vergangenheit vehement für die Erinnerungszeichen und gegen Stolpersteine ausgesprochen hatte. »Die Erinnerung an die ehemaligen Bürger, die während der NS-Zeit verfolgt, entrechtet, systematisch beraubt, erniedrigt, ausgegrenzt und schließlich ermordet wurden, gehört zur Geschichte unserer Stadt untrennbar dazu«, sagte sie bei der Gedenkstunde.

Charlotte Knobloch hatte das Ehepaar Neumeyer als Kind kennengelernt.

Charlotte Knobloch, die das Ehepaar Neumeyer als Kind kennengelernt hatte, erinnerte in ihrer Rede daran, wie alltäglich damals der Hass gegenüber Juden war. »Für sie«, so die IKG-Präsidentin, »gab es keine Rückzugsorte mehr, keine Refugien, kein rettendes Ufer und keinen Silberstreif am Horizont. Die Verzweiflung, die daraus erwuchs, teilten nahezu alle jüdischen Familien jener Zeit.«

gemeinde Der Name Neumeyer ist mit der jüdischen Gemeinde eng verbunden. Während Karl Neumeyer bahnbrechende juristische Werke veröffentlichte und einen ganzen Zweig der Rechtspflege mitbegründete, stellte sich sein Bruder Alfred in den Dienst von Religion, Tradition und Gemeinschaft. Bis ins Jahr 1941 leitete er den Verband Israelitischer Kultusgemeinden in Bayern und war Vorsitzender der Münchner Gemeinde.

Neben der Stele vor dem Schwabinger Haus, in dem Karl Neumeyer und seine Frau Anna Louise lebten und starben, ist die Betroffenheit auch acht Jahrzehnte später zu spüren. »Sie nahmen sich lieber gemeinsam das Leben, als daraus vertrieben zu werden«, stellte Charlotte Knobloch fest, um dann noch einen erklärenden Satz hinzuzufügen. »Ihrer Heimat, ihrem Selbstverständnis«, sagte sie, »blieben sie bis in den Tod verbunden.«

Mit Blick auf aktuelle politische Entwicklungen sprach Charlotte Knobloch bei der Feierstunde auch die grundsätzliche Bedeutung der Erinnerungskultur an: »Nur wenn uns im Gedächtnis bleibt, wie rasant und wie umfassend die Freiheit seinerzeit ausgelöscht wurde und wie schnell die Würde des Menschen, die doch so unantastbar schien, plötzlich nichts mehr galt, sind wir in der Lage, die Zeichen zu erkennen und eine Wiederholung heute und in Zukunft zu verhindern. Auch dafür steht als Symbol dieses Erinnerungszeichen.«

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