PJ Library

Bim, Bom und Bubba Brayna

»Der Löwe und der Vogel« und andere Kinderbücher kommen mit der PJ Library nach Hause. Foto: PJ Library

Das Regal in der Wohnung der Familie Rademacher in Köln wird immer voller. Der Grund: Regelmäßig bekommen die zwei Jungs im Alter von vier und sechs Jahren einen eigenen dicken Umschlag mit Büchern. »Da freuen die beiden sich immer sehr und öffnen ihn sofort. Dann werden die Bilder angeschaut und die Texte sofort vorgelesen und studiert«, sagt die Mutter Shira Rademacher. Nach der Lektüre bleiben die Bücher noch einige Tage oder Wochen auf dem Wohnzimmertisch, sodass sie jeder vor Augen hat und noch einmal seine Nase hineinstecken kann.

Gerade liegt dort für den jüngeren Sohn Bim und Bom. Eine Schabbat-Erzählung von Daniel J. Swartz, die dem Vierjährigen sehr gut gefällt. Der Sechsjährige vertieft sich in Das Versprechen der Brüder von Frances Harber. Irgendwann später werden die Werke ins Bücherregal einsortiert. Doch nun wird die Familie für ein paar Wochen auf den ersehnten Nachschub warten müssen, denn die PJ Library geht in die Sommerpause.

Hebräisch Deutsch »Jüdische Kinderbücher zum Vorlesen? Wir haben sie!« – damit macht der Zentralrat der Juden in Deutschland auf seiner Facebook-Seite auf das Angebot aufmerksam. »Sorgfältig ausgesuchte Bücher, die zuerst in Englisch oder Hebräisch erschienen, sind nun auf Deutsch zugänglich. Es erwarten Sie wunderbare Geschichten, passend zu jüdischen Feiertagen und darüber hinaus«, heißt es weiter.

Der Versand der Bücher ist ein noch recht junges Projekt des Zentralrats, das von der Harold Grinspoon Foundation und der Genesis Philanthropy Group finanziell unterstützt wird. Die Idee dahinter: Jüdische Familien können sich beim Zentralrat melden und erhalten dann kostenlos zehn Mal im Jahr ein Kinderbuch für Kinder im Alter von zwei bis acht Jahren. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Familien Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Deutschland, Österreich oder der Schweiz sind.

Zähneputzen PJ Library heißt übersetzt »Pyjama-Bibliothek«: Wenn die Kinder fertig sind fürs Bett, können die Eltern nach dem Zähneputzen eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen. »Genau das machen wir, wenn die neuen Bücher kommen«, sagt Sinja Sperling aus Dortmund. Ihre Kinder – knapp sechs und acht Jahre alt – freuen sich immer »wahnsinnig« darüber, sagt sie. Nach dem Vorlesen gehen sie gerne die Handlung noch einmal von vorne bis hinten minutiös durch. Auch sie sind ganz begeistert von Bim und Bom, vor allem wegen der abgedruckten Lieder.

Auch Der Chanukka-Bär von Eric A. Kimmel sieht so einladend aus, dass man gleich loslegen möchte, obwohl Chanukka noch weit weg ist. Auf dem Buchdeckel sind zwei Kerzen am Leuchter angezündet, im Vordergrund schleckt ein Bär einer älteren Frau über ihre Wange. Die Handlung: Bubba Brayna macht die besten Latkes im Dorf, und in der ersten Chanukkanacht weckt der Duft ihrer Küche einen hungrigen Bären aus seinem Winterschlaf.

Er stolpert zu ihrem Haus, und Bubba Brayna – die nicht sehr gut sieht oder hört – hält den Bären für ihren Rabbi. Sie begrüßt das Tier, um mit ihm das Dreidelspiel zu spielen, die Menora anzuzünden und ein leckeres Essen zu genießen. Doch nachdem der Bär gegangen ist, klopft es an der Tür – der Rabbi und alle anderen Freunde von Brayna kommen zum Abendessen. Aber es gibt keine Latkes mehr …

Neben dem Vorlesen wird empfohlen, sich mit den Kindern darüber zu unterhalten, wie wichtig Licht für alle ist, und der Frage nachzugehen, was man von der Großmutter lernen kann. Was bringt der Bär in ihr Leben? Und als weitere Idee: Latkes mit den Kindern backen. Ein traditionelles Rezept dafür findet sich auf der Rückseite, zusammen mit interessanten Fakten über die Geschichte und Traditionen von Chanukka. So kann die Erzählung – wie auch alle anderen – aus mehreren Perspektiven miterlebt werden.

Werte Jüdische Werte sollen in Alltagsgeschichten »verpackt« werden – mit einladenden Illustrationen. Beispielsweise in einer netten Geschichte zu Pessach oder zu Schabbat. Außerdem geht es um Gastfreundschaft, darum, sich um Kranke und ältere Menschen zu kümmern. Auf dem deutschsprachigen Buchmarkt gibt es zu diesen Themen und generell bislang nur wenige jüdische Kinderbücher.

Vor einem Jahr ging es los, und nun gibt es eine vierstellige Zahl an Familien, die regelmäßig Post bekommen, sagt Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden. Bei der Auswahl werde darauf geachtet, dass die Bücher thematisch zu den Jahreszeiten und zu den jüdischen Feiertagen passen. Über alle religiösen Strömungen hinweg sollen Familien unterstützt werden, sich mit jüdischem Leben auseinanderzusetzen.

Shira Rademacher, Religionslehrerin aus Köln, hat nicht nur zwei Kinder, die gerne lesen, sondern engagiert sich auch in der mehrköpfigen Kommission, die für die Lektüre-Auswahl zuständig ist – und verschlingt da bereits die Kinderliteratur. »Es macht sehr viel Spaß.«

Sie liest die Werke auf Englisch oder Hebräisch, und dann entscheidet erst die mehrköpfige Kommission über die einzelnen Bücher. Schließlich werden sie übersetzt – und so gelangen sie dann wieder zu Shira Rademacher, wenn sie die Kinderbücher zu Hause mit ihren Söhnen liest. »Es gibt so viele tolle Werke, und bei fast jedem hoffe ich, dass es nächstes Jahr bei uns aufgenommen wird«, sagt die Mutter.

Angebot Die Lehrerin hat auch die Erfahrung gemacht, dass es in Deutschland nur ein sehr beschränktes Angebot gibt. »Viele Familien lassen sich deshalb Bücher aus Russland, den USA oder Australien schicken.«

Jüdische Werte sind in Alltagsgeschichten »verpackt«.

Mit der PJ Library wird nun auch größeren Kindern ein eigenes Angebot unterbreitet, das sich an die »Mischpacha«-Boxen anschließen soll. In diesen Boxen werden für Kinder im Alter bis zu drei Jahren Bastelmaterial, kleine Geschenke und Geschichten zu den jüdischen Feiertagen verschickt – was gerade in Corona-Zeiten für die Familien sehr wichtig war, um auch im kleineren Kreis die Feiertage begehen zu können.

Die Idee zur PJ Library stammt aus den USA. 2005 versendete der Unternehmer und Philanthrop Harold Grinspoon zum ersten Mal 200 Bücher an Kinder jüdischer Familien. Heute gebe es weltwelt mehr als 620.000 Nutzer auf fünf Kontinenten.

Buchladen Sinja Sperling hat über den Zentralrat von der PJ Library erfahren, und unter Eltern war das Projekt ebenfalls Thema. Sie bedauert es schon jetzt, dass ihre Tochter Lielle bald zu alt sein wird, um weiterhin mit Büchern versorgt zu werden. »Da wird sie sehr traurig sein.« In Deutschland sind die übersetzten Werke im Buchhandel nicht erhältlich, und somit haben die Kinder bisher nur diese eine Möglichkeit, sich eine ganz eigene jüdische Bibliothek aufzubauen.

Weitere Infos zu dem Familienprojekt und die Online-Anmeldung zum Erhalt der Bücher gibt es hier.

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