Berlin

Antisemitismus ist offener und aggressiver geworden

Rabbiner Daniel Alter Foto: Gregor Zielke

Antisemitismus ist nach Ansicht des vor einem Jahr zusammengeschlagenen Rabbiners Daniel Alter in Berlin offener und aggressiver geworden. In der Bundeshauptstadt gebe es bereits No-Go-Areas für öffentlich erkennbare Juden. Dies seien zum Beispiel Teile von Wedding und Neukölln mit einem hohen Bevölkerungsanteil an arabischen und türkischen Migranten, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst

In der türkisch-arabischen Community gingen Beobachter von einem doppelt so hohen Anteil an Judenfeindlichkeit aus wie in der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Erschwerend hinzu kämen die sogenannten Hassprediger, sagte Alter weiter. So habe beispielsweise die Hisbollah eine gewisse Präsenz in Nord-Neukölln. »Aus dem islamistischen Umfeld kommen sehr starke Einflüsse gerade auch auf die entwurzelten jungen Leute, sodass da für uns eine problematische und teilweise auch sehr gefährliche Lage entstanden ist«, so der Rabbiner. »Was mir im August vergangenen Jahres passiert ist, ist daher kein Zufall, sondern ein Ausdruck all dieser Entwicklungen.«

Alter war am 28. August 2012 im gutbürgerlichen Berliner Stadtteil Friedenau vor den Augen seiner kleinen Tochter am helllichten Tag von mutmaßlich arabischstämmigen Jugendlichen wegen seines Judentums krankenhausreif geschlagen worden. Der brutale antisemitische Überfall löste bundesweit und international Entsetzen aus. Von den Tätern fehlt noch immer jede Spur.

Statistiken »Der notwendige Kampf gegen Antisemitismus in dem Teil der Gesellschaft mit Migrationshintergrund sollte uns aber nicht von dem rechtsradikalen und aus der Mitte der deutschen Gesellschaft stammenden Antisemitismus ablenken«, unterstrich der Rabbiner. Auch dort sei Judenfeindlichkeit in größerem Umfang existent, als die offiziellen Statistiken aufzeigen. Demnach sind 20 Prozent der Deutschen latent antisemitisch, weitere 15 Prozent treten offen judenfeindlich auf.

Der antijüdische Hass, der in Mails und Zuschriften zum Ausdruck gebracht werde, werde immer weniger verschleiert, und es seien immer mehr Menschen dabei, die scheinbar aus der Mitte der Gesellschaft kommen. »Antisemitismus zieht sich wirklich durch die gesamte deutsche Gesellschaft, sowohl durch gebildete, intellektuelle Kreise als auch durch den Rand der Gesellschaft«, so Alter. Auch von Kirchenmitgliedern gebe es immer wieder teilweise problematische Äußerungen.

Einrichtungen wie die Berliner Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus, mit der er zusammenarbeite, gingen davon aus, dass die offiziellen Statistiken zu antisemitischen Übergriffen und Straftaten nicht realitätsnah sind, sagte der Antisemitismusbeauftragte weiter.

»Deshalb sammeln wir unter anderem die sogenannten Hassmails mit dem Wunsch, eine realistischere Statistik zumindest für Berlin zu erstellen. Ich denke, die Zahlen müssen nach oben korrigiert werden – und zwar deutlich.« Das Problem sei dabei auch, dass die Behörden häufig nicht wissen, wie sie etwas einordnen sollen. Oft werde aus Unwissen oder aus mangelnder Sensibilität ein eindeutig antisemitischer Vorgang als normale Straftat eingeordnet.

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Digitales Gedenken

App soll alle Stolpersteine Deutschlands erfassen

Nach dem Start in Schleswig-Holstein soll eine App in Zukunft alle Stolpersteine in Deutschland erfassen. In der App können Biografien der Opfer abgerufen werden

 24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025