Köln

Als der Karneval nach New York kam

Hans Tobar (5.v.r.) und weitere Karnevalisten in den 1920er-Jahren auf Norderney Foto: unbekannt / NS-DOK

In der Bütt in Übersee: Einige jüdische Karnevalisten aus Köln, die dem Nazi-Regime hatten entkommen können, nahmen das Brauchtum an ihren Zufluchtsstätten wieder auf. Zum Beispiel Hans Tobar: Ab 1933/34 hatte er nur noch bei jüdischen Veranstaltungen auftreten dürfen, floh Ende 1939 mit seiner Familie nach New York – und blieb dort dem Karneval und dem Rheinland eng verbunden. Er stellte »Rheinische Hans-Tobar-Abende« auf die Beine und hielt Vorträge, teils am Broadway.

In der Ausstellung Schalom & Alaaf. Jüdinnen & Juden im Kölner Karneval, die noch bis zum 31. März im NS-Dokumentationszentrum der Rheinstadt zu sehen ist, wird Tobars Biografie vorgestellt. Die Schau ist ein Beitrag zum Jubiläumsjahr »200 Jahre organisierter Kölner Karneval« und zeigt Wirken und Ausschluss jüdischer Närrinnen und Narren. Und eben auch das Weiterleben von Traditionen weit von zu Hause entfernt – und manchmal die Rückkehr in die Heimat am Rhein. Viele andere jüdische Karnevalisten wurden von den Nationalsozialisten ermordet.

Die Ausstellung zeigt Fotos, auf denen man viel entdecken kann: die Lebenslust jüdischer Karnevalistinnen und Karnevalisten, ihre künstlerischen Beiträge zur Session und insgesamt ihre Bedeutung für den Kölner Karneval. Zum Beispiel wurde 1922 der jüdische Verein »Kleiner Kölner Klub« gegründet. Unter den Aufnahmen sind jedoch auch verstörende Szenen wie ein Festwagen im Rosenmontagszug, der die erzwungene Ausreise von Jüdinnen und Juden thematisiert – inklusive drastischer antisemitischer Darstellungen von Menschen.

Feiern vor dem Hintergrund des Krieges zwischen Israel und der Hamas

Und heute, im Jubiläumsjahr des rheinischen Frohsinns, in dem ein Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gange ist? Feiern jüdische Jecken kräftig mit – »weil es zum Leben und Überleben gehört«, sagt Lorenz Beckhardt. Er ist Sprecher der »Kölsche Kippa Köpp«, des eigenen Angaben zufolge einzigen jüdischen Karnevalsvereins in Deutschland. Dieser sieht sich in der Nachfolge des »Kleinen Kölner Klubs«, wurde 2017 gegründet und hat laut Beckhardt rund 50 aktive Mitglieder, darunter auch Aspiranten.

Im März 2019 folgte in der Kölner Synagogen-Gemeinde die erste öffentliche Veranstaltung unter dem Motto »Falafel & Kölsch«, mit Bütt, Musik, Funkenmariechen und allem Drum und Dran. Am 5. Januar wurde das sogenannte Dreigestirn offiziell proklamiert, und zwei Tage später trafen sich laut Vereinswebsite Mitglieder, Freundinnen und Freunde der Kippa Köpp zum traditionellen Frühschoppen »Falafel & Kölsch« im Saal der Synagoge. »Wir haben uns emotional untergehakt«, sagt Beckhardt.

Mit einem eigenen Wagen sei der Verein am Rosenmontag, am 12. Februar, zwar noch nicht dabei, aber Präsident Aaron Knappstein werde auf dem Wagen eines Theaters mit Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) fahren. »Bei uns kann nur Mitglied werden, wer unsere offenen, toleranten und demokratischen Werte teilt«, betont Beckhardt. Dazu gehöre auch eine Offenheit nichtjüdischen Jecken gegenüber, die bei den Kippa Köpp rund ein Drittel ausmachten. »Im Rheinischen Karneval erfahren wir von offizieller Seite eindeutig und unmissverständlich Solidarität«, so Beckhardt mit Blick auf das Hamas-Massaker in Israel.

»Schalom & Alaaf. Jüdinnen & Juden im Kölner Karneval«. Noch bis zum 31. März im NS-Dokumentationszentrum, Appellhofplatz 23-25, Köln www.museenkoeln.de

Porträt der Woche

Unterwegs

Channah von Eickstedt fuhr Taxi, war Buchhändlerin und gründete eine Gemeinde

von Gerhard Haase-Hindenberg  28.04.2024

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Gedenken gehört eine Kranzniederlegung am Mahnmal vor dem Gemeindehaus

 26.04.2024

Sachsen

Landesbeauftragter: Jüdisches Leben auch in Sachsen gefährdet

Die Hemmschwelle, in eine Synagoge zu gehen, sei größer geworden, sagt Thomas Feist (CDU)

 25.04.2024

Köln

Auftakt des Fachbereichs Frauen der ZWST

Zu den zentralen Themen gehören Empowerment, Gleichberechtigung und Gesundheit

 25.04.2024

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024