Jawad nimmt etwas Reis in die Hände, legt ihn auf die Nori-Blätter, presst ihn an. Dann legt er ein paar Scheiben Avocado darauf, ein bisschen Lachs, schiebt alle Zutaten an ihre Plätze und rollt sie fest zusammen. Fertig ist die Rolle. Eine runde Sache. Rund? Rosch Haschana? Das passt. Aber Sushi? Das auch. Und genau das dachten sich die Betreiber des Restaurants »Miyaki« im Prenzlauer Berg und die Berliner Gemeinde Kahal Adass Jisroel (KAJ).
Entstanden ist nicht nur ein mittlerweile sonntägliches kulinarisches Ritual, sondern auch eine Idee für das jüdische Neujahrsfest. Granatapfel-Maki oder Honig-Inari? Was man zu Hause eigentlich ruhig einmal ausprobieren könnte, steht glücklicherweise nicht auf dem Menü, dafür eher klassische Varianten wie Sake-Maki oder Inside-Out-Rolls.
Das Koscher-Zertifikat ist für jeden Gast einsehbar.
Dass die Speisen koscher sind, dafür garantiert nicht nur das Zertifikat von Rabbiner Shlomo Afanasev, sondern dafür sorgen auch die strengen Blicke von Joshua, der immer dann dabei ist, wenn koscheres Sushi im Angebot ist. Der Maschgiach der Gemeinde Kahal Adass Jisroel ist selbst großer Sushi-Fan, wie er erzählt.
An diesem Nachmittag allerdings isst er selbst nichts, sondern bespricht mit Jawad die Vorbereitungen. Den Lachs schneiden, nicht zu dick, nicht zu dünn, in die Boxen packen. Alles muss super frisch sein. Das ist das A und O. Und noch etwas gilt es zu beachten: »Zum Beispiel sind nicht alle Fischarten erlaubt, die normalerweise beim Sushi verwendet werden, Garnelen oder Aal«, sagt Joshua. Thunfisch und Lachs sind unproblematisch. Auch der Reis muss unter Aufsicht gekocht werden. »Das Feuer unter einem Topf muss eine jüdische Aufsichtsperson machen.«
In den beiden Reiskochern brodelt es
Heutzutage wird die Herdplatte angeschaltet – oder eben der Reiskocher. Joshua zeigt auf die beiden Reiskocher, in denen es brodelt. Dann nimmt er ein Tablett mit einigen Sushi-Zutaten in die Hand und gibt es Mohammed durch die Durchreiche in die Hand. Schnell in die Kühlung damit. Dann nimmt der 39-Jährige eines der Messer, die nur für das koschere Sushi vorgesehen sind, in die Hand und säubert es. Weiter geht es. Und während der Küchenchef des Miyaki, Mohammed, den die Kollegen hier nur Mo nennen, dafür sorgt, dass alles frisch bleibt, arbeitet ein Team, das aus vielen Teilen der Welt kommt, daran, die Gäste mit Sushi zu erfreuen.
Axel Grigoleit, Inhaber des Restaurants, ist Teil des Teams. Der Berliner erinnert sich noch an die Anfänge des koscheren Sushis. »Die Idee ist durch eine Anfrage von mehreren jüdischen Familien entstanden, die feiern wollten, da ihre Kinder weiter im Ausland studieren. Die Herausforderung für uns war: Es musste natürlich alles koscher sein.« Mittlerweile arbeitet das Miyaki mit der KAJ in Mitte und deren Geschäftsführerin Anna Chernyak Segal zusammen. Und die ist von dem Konzept überzeugt.
»Das koschere Angebot ist eine wunderbare Bereicherung, nicht nur für unsere Gemeinde, sondern für ganz Berlin.« Segal betont, dass das Lokal im Prenzlauer Berg »eine wichtige Anlaufstelle für unsere Gemeinschaft sein wird«. Sonntags kann es schon mal eng werden an den Tischen. Unter den bunten Wandgraffiti sitzen dann Familien mit ihren Kindern. Und alle, die keinen Platz mehr bekommen, bestellen sich das Sushi einfach nach Hause. Denn geliefert wird seit Kurzem auch.
Lange Erfahrung in der Berliner Gastronomie
Einige Gäste hätten das koschere Sushi beim Street-Food-Festival der Jüdischen Gemeinde zu Berlin bereits für sich entdeckt. »Weil Samstag Schabbat ist, haben wir uns den Sonntag als Tag für die Familie ausgesucht, an dem wir koscheres Sushi anbieten«, sagt Grigoleit, der auf eine lange Erfahrung in der Berliner Gastronomie blicken kann. Er hatte schon »Suppenbars, einen Jazzklub, eine Cocktailbar in der Oranienburger Straße – Gastronomie und das Zusammenbringen von Menschen, das reizt mich sehr, und es macht einfach Spaß, mit verschiedensten Menschen zu kommunizieren«.
Dass es in den vergangenen Jahren – insbesondere im Prenzlauer Berg – nicht unbedingt leichter in der Gastronomie geworden ist, dürfte keine Neuigkeit sein. Vielleicht auch deswegen haben sich Mo und Axel entschlossen, dem Restaurant einen besonderen Touch zu geben. »Gerade auch in der Ecke hier ist die Konkurrenz sehr groß, daher braucht man ein Alleinstellungsmerkmal. Unser Küchenchef Mohammed ist persischer Herkunft, und daher haben wir Japanisches und Persisches als Fusionsküche im Angebot.«
Die Mitarbeiter kommen aus allen Teilen der Welt und arbeiten respektvoll miteinander.
Was sich dahinter verbirgt, das können Gäste unter der Woche ausprobieren, bevor es dann sonntags wieder koscher wird. Grigoleit erinnert sich: »Wir haben uns im Restaurant wirklich einspielen müssen, weil beim Sushi sowieso viele Handgriffe nötig sind – und das koschere Sushi wird völlig separat gefertigt.« Für Su, Mo, Jan, und Jawad ist das eine aufregende Reise. »Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen aus vielen Ecken der Welt«, sagt Grigoleit. Die Zusammenarbeit sei respektvoll und funktioniere sehr gut. Und das merkt man, denn alle sind entspannt, arbeiten dabei aber konzentriert und leise.
Und was gibt es bei Joshua zu Rosch Haschana? Fisch auf jeden Fall, allerdings nicht gerollt, sondern – ganz traditionell – im Ganzen. Mit Kopf.
Das Miyaki ist in der Raumerstraße 28 und auf Instagram: www.instagram.miyaki.berlin
Wer sich zu Rosch Haschana vielleicht selbst an Sushi probieren möchte, der kann mit diesem Rezept des Miyaki starten.
Spicy Tekka (Maki mit Thunfischtatar)
Zutaten:
1 Nori-Blatt
70 g gekochter Sushi-Reis
50 g Thunfisch
1 EL Chili-Soße
1/2 EL Zitronenpfeffer
25 g gehackte Lauchzwiebel
Zubereitung:
Den Sushi-Reis nach Anleitung zubereiten. Den Thunfisch fein hacken. In eine Schüssel geben. Die gehackten Lauchzwiebeln, die Chili-Soße, den Zitronenpfeffer und die gehackte Lauchzwiebel hinzugeben und alles gut miteinander vermengen und für eine halbe Stunde ziehen lassen. Das Nori-Blatt auslegen, mit den Händen etwas befeuchten. Den lauwarmen Sushi-Reis auf das Blatt geben, fest anpressen und nach oben ein wenig Platz lassen. Das Tatar in die Mitte geben und das Nori-Blatt mit der Sushi-Matte rollen. Mit einem scharfen Messer in Maki schneiden.