Abschied

Eine letzte Verneigung

Unter großer Anteilnahme aus Politik und Gesellschaft ist am Donnerstag die mit 103 Jahren gestorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer (1921-2025) auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt worden. Unter den Trauergästen waren unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (beide CDU) sowie der israelische Botschafter Ron Prosor und Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die 1921 in Berlin geborene Friedländer war zwei Tage nach ihrem letzten öffentlichen Auftritt am vergangenen Freitag gestorben. Sie wurde in einem Sarg neben ihren Großeltern auf Europas größtem noch bestehenden jüdischen Friedhof beigesetzt. Zuvor nahmen Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter in einer Trauerzeremonie Abschied von der Berliner Ehrenbürgerin.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Gideon Joffe, sagte, die Holocaust-Überlebende habe Unvorstellbares erlebt. Und trotzdem sei sie aus dieser Vergangenheit jemand geworden, der nicht hassen, sondern erinnern wollte.

Trauerzeremonie von einem liberalen und einem orthodoxen Rabbiner gestaltet

Auf Friedländers ausdrücklichen Wunsch wurde ihre Trauerzeremonie von einem liberalen und einem orthodoxen Rabbiner gestaltet. Das ist ungewöhnlich für die unterschiedlichen Strömungen. »Wir nehmen Abschied von einer kleinen, großen Frau«, sagte der liberale Rabbiner Jonah Sievers von der Heimatgemeinde Friedländers, der Synagogengemeinde Pestalozzistraße: »Oft hat sie mit einem Satz mehr bewegt, als andere mit einer ganzen Rede«, sagte Sievers mit Blick auf ihre mahnende Worte »seid Mensch!«

Der orthodoxe Berliner Rabbiner Yehuda Teichtal nannte Friedländers Leben eine Geschichte der Stärke und der unzerbrechlichen Menschlichkeit: »Du hast uns beigebracht, dass jede einzelne Person die Welt menschlicher und wärmer machen kann.«

Lesen Sie auch

Als junge jüdische Deutsche war Friedländer in der NS-Zeit in das KZ Theresienstadt verschleppt worden. Dort wurde sie von der Roten Armee befreit. Eltern und Bruder wurden von den Nazis ermordet. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte sie in die USA und kam nach mehr als sechs Jahrzehnten im Alter von 88 Jahren zurück nach Berlin. Hier engagierte sie sich als Zeitzeugin, um die Erinnerung an die NS-Verbrechen wachzuhalten und für die Demokratie zu werben.

Friedländer war zwei Tage nach ihrem letzten öffentlichen Auftritt am vergangenen Freitag gestorben

Einer ihrer engsten Begleiter in ihrer Berliner Zeit war der Autor und Kolumnist Leeor Engländer, heute Kuratoriumsmitglied in der Margot-Friedländer-Stiftung und eine Art Enkelsohn für die Zeitzeugin. In bewegenden Worten schilderte er, welche mühsame und harte Arbeit das unermüdliche Engagement Friedländers war und mit welchen Dämonen aus der Vergangenheit sie zeitlebens zu kämpfen hatte.

So sei ihre Autobiografie von 2008 »Versuche, dein Leben zu machen«, von deutschen Verlagen abgelehnt und ein US-Dokumentarfilm über ihr Leben von 2004 »Don’t Call it Heimweh« nicht in das »Berlinale«-Programm aufgenommen worden. Trotzdem sei sie immer optimistisch gewesen - bis zum Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem Ausbruch von offenem Judenhass auf deutschen Straßen. So habe es damals auch begonnen, habe Friedländer immer wieder gemahnt.

Berlin

Markttag vor dem Fest

Mit einem Familiennachmittag bereitet sich die Synagoge Brunnenstraße auf die Feiertage vor

von Sören Kittel  03.10.2025

Einweihung

Ein Ort des Miteinanders

Stuttgart feiert den neuen Synagogenvorplatz

von Brigitte Jähnigen  03.10.2025

Baden-Baden

»Makkabi Sport Day«: Judenhasser schubsen Rabbiner, verängstigen Kinder

Sportler kommen von Sportplätzen zum Event und rufen »Free Palestine«. Sie bezeichnen die Anwesenden als »Kindermörder«

 02.10.2025 Aktualisiert

Berlin

Bundesregierung und israelische Botschaft schicken gute Wünsche zu Jom Kippur

»Jüdisches Leben und jüdische Kultur gehören seit jeher zu unserem Land – gestern, heute und morgen«, so die Regierung in dem Feiertagsgruß

 01.10.2025

Terror

»Das Einfühlungsvermögen für Juden ist aufgebraucht«

Die Berliner Psychologin Marina Chernivsky zieht eine bittere Bilanz nach dem 7. Oktober

von Franziska Hein  30.09.2025

DP-Camp Föhrenwald

Geboren im »Wartesaal«: Das Leben nach dem Überleben der Schoa

Wer das Morden der Nazis überlebt hatte, wusste oft nicht, wohin. Hunderttausende Juden kamen zunächst in Camps für »Displaced Persons« unter. Fiszel Ajnwojner wurde dort geboren

von Leticia Witte  30.09.2025

Erfurt

Hinweise auf antisemitisches Motiv nach Attacke

Der weiterhin flüchtige Täter habe dem jungen Mann nicht nur seine Halskette mit Davidstern geraubt, sondern ihn auch als Juden beschimpft

 30.09.2025

Interview

»Der Attentäter ist mir egal. Das ist eine Sache zwischen mir und Gott«

Vor sechs Jahren wurde Rabbiner Jeremy Borovitz an Jom Kippur in der Synagoge in Halle beinahe ermordet. Seitdem hat dieser Feiertag für ihn eine ganz neue Bedeutung

von Mascha Malburg  30.09.2025

Andenken

Neues Buch über Margot Friedländer: »Eine Stimme für das Leben«

Am 9. Mai dieses Jahres ist mit Margot Friedländer eine der bekanntesten Schoa-Überlebenden gestorben. Nun kommt ein Buch über sie heraus - mit Fotos, Gedanken und Erinnerungen

von Leticia Witte  29.09.2025