Zukunft

Abitur, und was dann?

Entscheidungen fürs Leben: Wer die Wahl hat, hat auch die Qual. Foto: dpa

Das Abitur ist geschafft – endlich. Die feierliche Verleihung der Zeugnisse, der letzte Tanz beim Abiball – das gehört schon fast der Vergangenheit an. »Was willst du jetzt machen?«, hören die ehemaligen Schüler. Ja, was nun: Studium, Auslandsjahr oder doch eine Ausbildung, fragen sie sich selbst. Vielleicht lieber ein freiwilliges soziales Jahr? Ist das entschieden, kommt schon die nächste Frage auf den Abiturienten zu: Was, wenn das Studienfach mir nicht gefällt? Wenn es zu schwer wird? Wenn ich es nicht weitermachen will? Gedanken, die nach dem normierten Schulalltag nun in den Köpfen herumschwirren.

»Nun muss ich mein Leben selbst in die Hand nehmen«, sagt Julia Shemaryahu aus Köln. Aber traurig ist sie nicht, dass die Schulzeit nun zu Ende ist. Denn sie hat Pläne: erst einmal für die Sommermonate, da fährt sie in ein Camp nach Ungarn, in dem sie israelische Freunde wiedertrifft. Außerdem möchte sie unbedingt ihre Madricha-Ausbildung bei der ZWST abschließen und sich im nächsten Sommer beim Machane in Bad Sobernheim engagieren.

Pläne Auch für ihr Berufsleben hat sie mehrere Pläne: An erster Stelle steht das Jurastudium. Auf jeden Fall möchte sie ein paar Semester in Frankreich an der Sorbonne studieren. Das deutsch-französische Abitur, das sogenannte Abi Bac, hat sie an ihrem Gymnasium gleich mitgemacht. »Ich rede gerne, mag es, anderen zu helfen und mich für deren Rechte einzusetzen.« Anschließend könnte sie sich gut vorstellen, auch noch in Israel Internationales Recht zu studieren.

Ihr Vater kommt aus Israel, ihre Mutter aus Ungarn, in der Nähe von Tel Aviv leben Verwandte. Für den Fall, dass sie für Jura keinen Studienplatz bekommen sollte, hat sie sich auch noch an der Kölner Journalistenschule beworben und dort einen Aufnahmetest gemacht – das Ergebnis kennt sie noch nicht. Aber auch eine Ausbildung zur Logopädin kann sie sich vorstellen. Fürs Erste will sie bei ihren Eltern wohnen bleiben, später vielleicht in eine Wohngemeinschaft ziehen.

Judith Steinhauer, ebenfalls aus Köln, wird diesen Sommer zum Machane fahren. Ab Herbst will sie an einem zehnmonatigen Hachschara-Programm in Israel teilnehmen, wo sie alle zwei Monate die Station wechseln wird. Wahrscheinlich wird sie innerhalb dieses Programms zur Armee gehen, in einem Kibbuz arbeiten und Freiwilligendienst leisten. Danach hofft sie auf einen Studienplatz in Psychologie. »Ich hatte Psychologie als Leistungskurs«, erzählt sie. Und seitdem ist sie von der Vielfalt und dem Inhalt des Faches begeistert.

Ihren Wohnort würde sie natürlich dort wählen, wo sie einen Studienplatz bekommt. Aber in den kommenden Wochen will sie erst noch Geld verdienen und jobbt als Vertriebsmitarbeiterin bei einer Marketingfirma. »Das Geld kann ich gut für Israel und für meinen Führerschein gebrauchen«, sagt die 18-Jährige.

Hachschara-Programm Ebenfalls für das Hachschara-Programm hat sich Alexander Gottlieb aus Hamburg entschieden. Auch er möchte Israel besser kennenlernen. »Das ist doch ein tolles Angebot«, sagt der 17-Jährige. Alexander möchte auch Psychologie studieren, allerdings wahrscheinlich an der Bundeswehr-Uni. Dafür muss er noch einen Test absolvieren. Das Fach interessiert ihn schon lange, obwohl er auch Jura spannend findet. »Aber ich habe mehr Lust, mit Menschen zu arbeiten.«

Lana Soloveg weiß trotz ihrer 17 Jahre schon genau, was sie möchte: Nachhaltiges Management an der Technischen Universität in Berlin studieren. Biologie hat sie schon immer interessiert, und sie habe sich lange überlegt, was sie machen möchte. Ein Test half ihr, dies herauszufinden. Da sie noch keine 18 Jahre alt ist, hofft sie bei der Bewerbung auf die Minderjährigenquote. Da man in Berlin davon ausgeht, dass diese Studenten noch bei ihren Eltern wohnen bleiben, werden sie durchaus bevorzugt.

Talia Rosenkranz ist bereits wenige Tage nach der Abifeier nach Israel umgezogen. »Meine Pläne stehen fest«, sagte sie vor ihrer Abreise: erst einen mehrwöchigen Sprachkurs in Tel Aviv machen, dann in Herzliya Kommunikationswissenschaft studieren. Sie ist gemeinsam mit ihrem Freund gefahren, mit dem sie sich dort eine Wohnung suchen will. »Ich habe Familienangehörige in Israel und Freunde«, erklärt die 19-Jährige.

Praktikum An jedem Werktag fährt Dan Bulaevski zu seiner Arbeit, wo er sich mit fräsen, drehen und der Metallverarbeitung beschäftigt, denn der 19-Jährige macht gerade ein mehrwöchiges Praktikum bei den Bayerischen Metallwerken. »Es macht mir Spaß, und ich brauche es, denn ich will Maschinenbau studieren.« Dan Bulaevski lebt seit seinem fünften Lebensjahr in München, ist aber in Israel geboren.

Er hofft, dass er in München einen Studienplatz bekommt und erst einmal bei seinen Eltern wohnen bleiben kann. Eine Woche im Sommer hat er als Urlaub eingeplant: Er möchte gern zur Spielmesse Gamescom nach Köln fahren. Seinen Wunsch, vorübergehend ins Ausland zu gehen, hat er hingegen verschoben. Vielleicht legt er ja ein Auslandssemester ein, überlegt Bulaevski.

David und Ben Zechbauer sind eineiige Zwillinge aus Berlin. Nun werden sie nach München ziehen – aber unterschiedliche Fächer studieren. Ben zieht es an die Ludwig-Maximilians-Universität, David hingegen muss sich noch entscheiden, ob diese oder aber die TU der richtige Ort für ihn ist. Ben möchte Jura studieren, David hingegen Management und BWL. »Wir werden aber jedes Wochenende nach Berlin fahren«, sagen sie unisono. Denn die Familie ist ihnen sehr wichtig.

Mit 16 Jahren hat David bereits in der Firma seines Opas im Finanzbereich mitgearbeitet, während Ben sich für Literatur begeisterte. Zunächst stehen einige gemeinsame Urlaubswochen mit der Großfamilie in Italien an. Den Führerschein haben sie auch bald in der Tasche, nach den Abi-Prüfungen hatten sie die Unterrichtsstunden intensiviert.

Berufsperspektive Dina Grinshteyn aus Darmstadt stellt sich die Umstellung auf das neue Unileben schwierig vor. Sie will im Wintersemester ihr Psychologiestudium beginnen, das steht für sie fest. Am liebsten in der beliebten Studentenstadt Heidelberg. »Es gibt in der Kategorie Studiengänge mit Berufsperspektive, was mir sehr wichtig ist, nichts, was mich mehr interessiert als Psychologie«, sagt Dina Grinshteyn.

»Dennoch fühle ich mich etwas unsicher und mache mir Sorgen, ob das wirklich der richtige Studiengang für mich ist. Viele aus meinem Freundeskreis haben mehrmals den Studiengang gewechselt und sich Zeit gelassen, das Richtige für sich zu finden«, macht sich Dina Grinshteyn selbst Mut. »Man muss einfach was ausprobieren.« Sie will sich nicht einschüchtern lassen, schließlich könne man eine Entscheidung auch revidieren. »Es muss ja kein geradliniger Weg sein«, meint die Abiturientin.

Lionel Reich stand genau vor einem Jahr an diesem Punkt. »Während meines letzten Schuljahres stellte ich mir lauter Fragen, wie mein Leben weiterverlaufen sollte. Nach zwölf Jahren Schule hatte ich den Drang, die Welt zu erkunden. Die ersten Überlegungen waren dann, ins Ausland zu gehen«, erzählt der Jurastudent.

Letztlich hat er sich aber entschieden, Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin zu studieren. Um die Realitätsnähe der amerikanischen Anwaltsserie Suits zu testen, absolvierte Lionel Reich vor seinem Studium zunächst ein Praktikum in einer Kanzlei. Eine Entscheidung, die er jedem angehenden Jurastudenten empfehlen kann.

»Danach bewarb ich mich um einen Studienplatz. Sollte ich mit meiner Entscheidung falsch liegen, würde ich das Studium nach einem Semester beenden«, entschied der Erstsemester. Bislang ist er bei seinem Entschluss geblieben. Im Herbst beginnt Lionels drittes Semester.

Wechsel Doch nicht immer werden die Erwartungen an ein Studium vollkommen erfüllt. Und dann muss man auch den Mut haben, es zu beenden – wie Maya Roisman. Sie begann vor zwei Jahren mit dem Studium der Architektur in Stuttgart. »Obwohl der Studiengang sehr spannend war, habe ich schnell festgestellt, dass ich ihn mir anders vorgestellt hatte. Mir fehlten eindeutig das wissenschaftliche Arbeiten und die Kunst. Also brach ich das Studium ab«, erklärt die Studentin. Jetzt studiert sie Kunstgeschichte und Betriebswirtschaftslehre und ist glücklich damit.

Ein Studium der Wirtschaft klingt auch für Alisa Podporin interessant. Die Mainzerin hat in diesem Jahr ihr Fachabitur bestanden und strebt nun ein duales Studium im Bereich International Business an. Dazu muss sie sich nun bei vielen großen Firmen und Konzernen bewerben.

»Es ist sehr beängstigend, zu wissen, dass das unbeschwerte Leben vorbei ist. Verantwortung für die eigene Zukunft zu übernehmen ist nicht einfach, und die Angst, den falschen Weg einzuschlagen, ist groß«, hat Alisa erkannt.

Diese Sorge teilen wohl die meisten Abiturienten. Dennoch stehen ihnen viele Möglichkeiten offen.

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