Erfurt

480 Seiten für die Ewigkeit

Jede Menge Material für die Bewerbung: (v.l.) Maria Stürzebecher, Kulturbeigeordneter Tobias Knoblich und Karin Sczech Foto: Esther Goldberg

Die beiden Unesco-Beauftragten der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt, Maria Stürzebecher und Karin Sczech, haben am Dienstag den Antrag auf das Weltkulturerbe an das Land Thüringen überreicht. 230 Seiten umfasst der Antrag und noch einmal 150 Seiten der Managementplan, der für den umfassenden Schutz eines Weltkulturerbes erforderlich ist.

Die mittelalterliche Mikwe, die Alte Synagoge und das Steinerne Haus, ein Profanbau, sollen in das Weltkulturerbe aufgenommen werden. »Wir haben den Tag ersehnt, dass der Antrag fertig ist«, sagt Maria Stürzebecher, die seit elf Jahren dazu forscht, was jüdisches Leben im Mittelalter bis zur Vertreibung der Juden im 15. Jahrhundert ausgemacht hat. An dem Antrag geschrieben wurde rund zweieinhalb Jahre.

Die mittelalterliche Mikwe, die Alte Synagoge und das Steinerne Haus, ein Profanbau, sollen in das Weltkulturerbe aufgenommen werden.

Die Unesco-Beauftragten haben für das mögliche jüdische Weltkulturerbe in Erfurt einen Fachbeirat für »Jüdisches Erbe« berufen. Zu den Experten gehören unter anderem Salomon Korn, der ehemalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Simon Paulus aus Braunschweig, der als bedeutender Experte für mittelalterliche Synagogen gilt, sowie weitere Fachleute aus Deutschland, Österreich und Israel. Der hochkarätig besetzte Fachbeirat hat die Arbeiten in Erfurt begutachtet und ist optimistisch.

Belege Zudem haben die beiden Thüringer Unesco-Beauftragten sechs Bände der Erfurter Schriften zur Jüdischen Geschichte und vier Bände zur mittelalterlichen jüdischen Kultur herausgebracht. Darin sind alle Forschungsergebnisse der Beteiligten enthalten. Und auch Entdeckungen wie der jüdische Schatz von Erfurt, der zwar nicht zum Welterbe gehören würde, aber auch international viel Aufmerksamkeit fand.

2007 wurde die Mikwe an der Gera entdeckt – ein Zufallsfund, der einer Sensation gleichkam und nur geschehen konnte, weil eine Befestigungsmauer eingestürzt war. Dabei kamen Kellerräume zum Vorschein. Die Mikwe stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist nahezu einmalig.

Auch die Alte Synagoge, die aus dieser Zeit stammt, verdankt ihre Entdeckung einem Zufall während der Bauarbeiten im mittelalterlichen Stadtzentrum. »Wir wussten, wir benötigen einen langen Atem, wenn wir Unesco-Weltkulturerbe werden wollen«, sagt Maria Stürzebecher. Aber sie erkannte, dass hier ein Kleinod jüdischen Lebens entdeckt wurde, das das Potenzial hat, Welterbe zu werden.

Restaurierung Nach ihrer umfangreichen Restaurierung wurden Mikwe und Synagoge 2009 und 2011 der Öffentlichkeit als Kulturstätten übergeben und kamen 2014 auf die deutsche Tentativliste, die Vorschlagsliste für das Unesco-Weltkulturerbe. Es wurde beschieden, dass Erfurt mit seinem jüdischen Erbe 2021 den entsprechenden Antrag direkt international einreichen darf. Das Procedere ist langwierig. Der Ausgang ist offen – wie auch bei dem Antrag der SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz.

Die Entscheidung, ob Erfurt tatsächlich mit seinem jüdischen Erbe auf die Unesco-Welterbeliste kommt, fällt im Sommer 2022. Entschieden wird vom Unesco-Welterbekomitee aufgrund der Empfehlung des Internationalen Rates der Denkmalpflege. Das Land überreicht den Antrag der Kultusministerkonferenz, ein Vertreter des Auswärtigen Amtes muss unterschreiben. Bis zum 1. Februar muss der Erfurter Antrag bei der Unesco eingereicht werden.

Eine wichtige Voraussetzung für einen Unesco-Welterbe-Titel ist die Pflege des Erbes in der Gegenwart. Erfurt hat da einiges zu bieten. Nicht nur die Vortragsreihe »Arain« und zahlreiche Bücher. Es gibt Stadtführungen zur jüdischen Geschichte, Fortbildungen, weitere Forschungen sowie die Hoffnung, in der Altstadt noch mehr zu entdecken. Und es gibt eine lebendige jüdische Gemeinde.

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