Wuppertal

20 Jahre neue Heimat

Israels und Deutschlands Staatsoberhäupter – Mosche Katzav (r.) und Johannes Rau (M.) – am 8. Dezember 2002 bei der Einweihung Foto: picture-alliance / dpa

Hoher Besuch und höchste Sicherheitsstufe in Wuppertal-Barmen: Vor 20 Jahren, am 8. Dezember 2002, feierten die beiden Staatspräsidenten Israels und Deutschlands, Mosche Katzav und Johannes Rau, zusammen mit dem damaligen Zentralratspräsidenten Paul Spiegel und 300 Gästen die Eröffnung des Neubaus der Bergischen Synagoge und waren dabei, als die Torarollen in das Gotteshaus hineingetragen wurden.

Es war das erste Mal, dass ein israelischer Präsident an der Einweihung einer Synagoge in Deutschland teilnahm. Der gebürtige Wuppertaler Johannes Rau bezeichnete den Tag später als einen der bewegendsten seines Lebens. Als Kind hatte er noch die Reste der von den Nazis niedergebrannten früheren Barmer Synagoge gesehen. Charakteristisch für die neu erbaute Synagoge – der Entwurf stammt von dem Wuppertaler Architektenteam Goedeking und Schmidt – sind der gläserne Turm und die neun schmalen, hohen Fenster, die einen Chanukkaleuchter symbolisieren.

Speisesaal Seit Mitte der 50er-Jahre verfügte die Kultusgemeinde nur über ein provisorisches Gemeindehaus. Als Synagoge diente der Speisesaal des ehemaligen, 1913 erbauten Altersheims. Auf dem Gelände der 1938 von den Nazis zerstörten alten Synagoge befindet sich seit 1994 eine Gedenkstätte. So war es an der Zeit, eine eigene Synagoge zu bekommen.

Heute zählt die Wuppertaler Gemeinde etwas mehr als 2000 Mitglieder und ist auch für Jüdinnen und Juden benachbarter Städte des Bergischen Landes wie Solingen und Remscheid zuständig. Die Synagoge an der Gemarker Straße wurde zum religiösen, kulturellen und sozialen Zentrum der Gemeinde. Neben dem Betsaal gibt es eine Bibliothek, eine koschere Küche mit Café, eine Mikwe und Unterrichtsräume. Die Gemeinde bietet Religionsunterricht bis zum Abitur an.

Mit der »Goldenen Menora« zeichnet die Gemeinde Engagierte aus.

Bereits 1999 hatte Leonid Goldberg, der Vorsitzende der Gemeinde seit 1993, die Gründung eines jüdischen Wohlfahrtsverbands initiiert, der auch eine Niederlassung in Solingen hat. Zu seinen Angeboten gehören allgemeine Beratungen, ein Integrationszentrum, Migrationsberatung für Erwachsene sowie Sprach- und Computerkurse für alle Altersgruppen.

1997 wurde der gemischte Chor »Mazel Tov« gegründet. Die 40 Sängerinnen und Sänger setzen sich aus Gemeindemitgliedern, aber auch aus nichtjüdischen Angehörigen und Freunden zusammen. Gesungen wird auf Hebräisch und Jiddisch. Zum Repertoire gehören Volkslieder, liturgische Gesänge und vertonte Gedichte. Mit Hakoach Wuppertal gibt es auch einen jüdischen Sportverein in der Stadt. Als Rabbiner hat viele Jahre lang David Vinitz amtiert, Chaim Kornblum ist sein Nachfolger.

Mit der »Goldenen Menora« zeichnet die Gemeinde seit 2003 jährlich Menschen anderer Glaubensgemeinschaften aus, die sich in besonderer Weise für die Synagoge, die Gemeinde oder den interreligiösen Dialog engagiert haben. Diesjähriger Preisträger ist der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach, der für sein Eintreten gegen Antisemitismus geehrt wurde. Im Juli 2014 geriet die Synagoge bundesweit in die Schlagzeilen.

Drei junge Palästinenser hatten Brandsätze gegen den Eingang geworfen. Die Täter wurden zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt. Ruth Yael Tutzinger, Ehrenvorsitzende des Gemeinderats, erinnert sich in dem Zusammenhang an die große Solidarität der Bevölkerung. »Die Menschen in Barmen haben sich wie eine Mauer vor die Synagoge gestellt.«

Einwanderung Dass es eine eigenständige Bergische Gemeinde mit eigener Synagoge heute überhaupt gibt, war noch vor gut 30 Jahren so nicht vorhersehbar. 1990 zählte sie lediglich 65 Mitglieder. Eine Vereinigung mit der größeren Düsseldorfer Gemeinde stand im Raum. Doch dann kamen die Jahre, in denen die sogenannten Kontingentflüchtlinge nach Deutschland emigrierten. Die Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion ließ die Mitgliederzahl in den Folgejahren auf mehr als 2400 ansteigen, was den Neubau der Synagoge nötig machte. Inzwischen ist die Mitgliederzahl wieder etwas gesunken.

20 Jahre nach Eröffnung sieht die Ehrenvorsitzende die Gemeindearbeit auf dem richtigen Weg. Nach den Einschränkungen der Corona-Pandemie gehe es jetzt darum, »dass der Neustart gut gelingt«. Die Pandemie hatte einen Großteil der Aktivitäten der Gemeinde, wie etwa die Jugendarbeit, längere Zeit lahmgelegt oder zu Provisorien gezwungen. Der Chor übte unter Pandemiebedingungen weiter, indem sich die Sängerinnen und Sänger zur Probe digital zusammenschalteten.

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, würdigte die Bergische Synagoge als zentralen Ort der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal. »Eine Synagoge ist mehr als nur ein Gotteshaus«, sagte Lehrer am Sonntag beim Festakt zu ihrem 20-jährigen Bestehen. Sie sei das »Nervenzentrum« der Gemeinde, in dem alles zusammenläuft, so der Vizepräsident laut Redetext. »Sie ist auch das Aushängeschild nach außen. Sie sagt: Schaut her, hier findet Leben statt, jüdisches Leben.«

Das gefalle nicht jedem, stellte Lehrer fest. »Auch dieses Haus war bereits Ziel antisemitischer Taten und nimmt dies regelrecht in sein Dasein auf, denn Antisemitismus gehört natürlich dazu, wenn wir über jüdisches Leben sprechen.« Er erinnerte sich besorgt angesichts antisemitischer Straftaten wie der Anschläge in Halle, Hagen, Essen und Bochum. »Aber auch solche Geschehnisse rund um die Reichsbürger tragen dazu bei, unsere Gemeindemitglieder zu verunsichern.«

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