Lörrach

100 Jahre Leben

Arkadi Scheinker feiert in dieser Woche – coronabedingt im kleinsten Familienkreis – seinen runden Geburtstag

von Peter Bollag  06.05.2021 09:25 Uhr

Ad mea weesrim schana: Arkadi Scheinker Foto: Peter Bollag

Arkadi Scheinker feiert in dieser Woche – coronabedingt im kleinsten Familienkreis – seinen runden Geburtstag

von Peter Bollag  06.05.2021 09:25 Uhr

Im November 2019, Corona war noch weit weg, saß der gut 98-jährige Arkadi Scheinker bei einer Feier in der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach am Klavier und begleitete eine musikalische Darbietung: Nur schwer konnte man da glauben, er sei nur gut ein Jahr von seinem 100. Geburtstag entfernt.

Am Dienstag konnte der Jubilar im Kreise seiner Familie tatsächlich diesen runden Geburtstag feiern. »Wir hätten gerne eine große Feier im Gemeindezentrum veranstaltet und alle eingeladen«, erzählt Arkadi Scheinkers Frau Hannah. Doch machte die Pandemie solchen – wie vielen anderen – Plänen einen weiteren dicken Strich durch die Rechnung. Gefeiert wird nun eben nur im relativ kleinen Kreis, mit Kindern sowie Enkel und Enkelinnen.

Noch hofft man in der Familie Scheinker, die Feier im Sommer im größeren Rahmen nachholen zu können.

Noch hofft man in der Familie Scheinker, die Feier im Sommer im größeren Rahmen nachholen zu können. Das wäre wohl auch der Wunsch des Gefeierten. Denn Arkadi Scheinker ist es gewohnt, unter Menschen zu gehen, seine Lebensgeschichte zu erzählen, nicht zuletzt jungen Leuten. Denn dieses Leben ist auch eines, das für die Nachwelt in Erinnerung bleiben muss.

todesmarsch Am 4. Mai 1921 in Riga, der Hauptstadt Lettlands, in eine religiöse Familie hineingeboren, gerät der junge Arkadi bald in den Strudel der Weltpolitik. Nach der Besetzung durch die Wehrmacht 1941 wird die große jüdische Minderheit von rund 75.000 Jüdinnen und Juden drangsaliert und verfolgt. Auch die Familie Scheinker ist betroffen. Arkadi wird ins KZ Struthof deportiert und überlebt wohl vor allem durch eine Art Wunder. Und auch, weil er die sogenannten Todesmärsche in den letzten Monaten des Krieges übersteht.

Obwohl er krank und völlig entkräftet ist, wird er anschließend in die russische Armee eingezogen. So schlimm dieser Umstand auch gewesen sein mag, habe ihm das möglicherweise das Leben gerettet, wird er später erzählen. »Denn als Lette und Jude wäre ich unter Stalin sonst möglicherweise nach Sibirien deportiert worden.«

Immerhin gelingt es ihm, noch in den ersten Nachkriegsjahren seine musische Ausbildung am Konservatorium Riga abzuschließen und so später sein Auskommen als Musiklehrer zu finden.

israel Seine nächste Station ist Israel. Gemeinsam mit seiner Frau Hannah, die er noch in Riga kennengelernt hatte, wandert er zunächst dorthin aus. Doch schon bald kommen sie nach Deutschland. Hannah Scheinker, die langjährige Vorsitzende der IKG Lörrach, erzählt freimütig: »Ich wäre gerne dort geblieben, aber mein Mann, der auch gut Deutsch sprach, wollte es unbedingt in Deutschland versuchen, er hing wohl doch an Europa.«

Gemeinsam mit seiner Frau Hannah, die er noch in Riga kennengelernt hatte, wandert Arkadi Scheinker zunächst nach Israel aus.

So kamen die Scheinkers schließlich 1980 nach Lörrach, in eine Grenzstadt, in der es damals noch keine jüdische Gemeinde gab. Ihre Neugründung fand erst einige Jahre später statt, auch mithilfe jüdischer Neueinwanderer aus der eben zusammengebrochenen Sowjetunion. »Wir kannten beide Kulturen und waren froh, den Neuankömmlingen mit Rat und Tat zur Seite stehen zu dürfen und so die Integration zu fördern«, erinnert sich Hannah Scheinker.

zeitzeuge Gleichzeitig war Arkadi Scheinker nun ein wichtiger Zeitzeuge, der es sich auch im hohen Alter nicht nehmen ließ, vor allem in Schulen seine Geschichte zu erzählen, immer und immer wieder.

Seinen großen Tag erlebte der Jubilar in dieser Woche bei – dem Alter entsprechend – guter Gesundheit und schloss sich bei der Frage nach Plänen für die Zukunft seiner Frau an: »Wir hoffen, dass wir nach Corona nochmals gemeinsam nach Israel fliegen können, das wäre ein großer Wunsch von uns beiden!«

Berlin/Potsdam

Zentralrat der Juden erwartet Stiftung für Geiger-Kolleg im Herbst

Zum Wintersemester 2024/25 soll sie ihre Arbeit aufnehmen

 26.07.2024

Potsdam

Neuer Name für das Abraham Geiger Kolleg bekannt geworden

Die Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner soll nach Regina Jonas benannt werden

 26.07.2024

Berlin

Wegner besucht verwüstetes israelisch-palästinensisches Lokal

Das Restaurant wurde vergangene Woche verwüstet

 26.07.2024

Düsseldorf

Sägen, fräsen, bohren

Im Südwesten der Stadt betreibt die Gemeinde eine metallverarbeitende Behindertenwerkstatt

von Stefan Laurin  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Berlin

Große Räume für große Träume

Hillel zieht von Neukölln nach Kreuzberg

von Joshua Schultheis  25.07.2024

Olam

Für die Kids

Der Senat unterstützt das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit 450.000 Euro

von Christine Schmitt  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Leipzig

Sachbeschädigung an jüdischer Einrichtung

Der Tatverdächtige wurde nach der Tat verhaftet und ist inzwischen wieder auf freiem Fuß

 24.07.2024