Interview

»Wir versuchen zu helfen«

Rabbiner Pinchas Goldschmidt Foto: imago/tagesspiegel

Rabbiner Goldschmidt, in der kommenden Woche trifft sich in München die Generalversammlung der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER). Was steht auf der Tagesordnung?
Wir hatten das Treffen schon mehrfach im Sinne des biblischen Satzes »Wajehi Acharej HaMagefa«, also nach der Pandemie, geplant. Wir mussten die Tagung verschieben, nun kann sie endlich stattfinden. Ein Thema ist die Corona-Pandemie, es geht um den Dienst an Gott und der Gemeinschaft in Zeiten der Pandemie und des Krieges.

Wie hat die Pandemie diese Realität verändert?
Sie hat uns physisch getroffen, viele Menschen sind erkrankt, mehr als 5000 Juden in Europa sind daran gestorben, unter ihnen auch 19 Rabbiner. Wir haben als Organisation Familien und Gemeinden finanziell unterstützt. Zugleich haben wir uns bemüht, das Gemeindeleben aufrechtzuerhalten, das dank unserer Rabbiner nicht zum Stillstand gekommen ist.

Wie reagiert die Rabbinerkonferenz auf den Krieg in Europa?
Er ist eine Katastrophe für uns alle, und es ist tragisch zu sehen, welche drastischen Auswirkungen er auf die mühsam aufgebauten Gemeinden im Osten Europas hat. Umso beeindruckender ist der Mut vieler Rabbiner in der Ukraine, die selbst noch während der Bombardierung in ihren Gemeinden geblieben sind und den Menschen geholfen haben, aus dem Kriegsgebiet zu entkommen. Diese Rabbiner haben seit 1990 dazu beigetragen, das jüdische Leben dort wiederaufzubauen, und viele von ihnen mussten das Land nun von einem auf den anderen Tag verlassen. Wir versuchen, als Rabbinerkonferenz den Geflüchteten zu helfen, wir haben dafür auch einen Hilfsfonds eingerichtet. Und wir bemühen uns ganz konkret vor Ort, das Leid zu lindern.

Wie positioniert sich die Rabbinerkonferenz politisch in dieser Frage?
In erster Linie sind wir Rabbiner, keine Politiker oder Generäle. Wir waren immer für den Frieden, und die CER hat den Krieg stets verurteilt. Um das jüdische Leben auf dem gesamten Kontinent zu erhalten und zu schützen, dürfen wir uns nicht mit Verurteilungen begnügen, sondern sind in jedem Land aktiv tätig, in dem Juden leben, sei es durch die Bereitstellung von Hilfe und Unterstützung in Millionenhöhe für ukrainische Geflüchtete oder durch die weitere Unterstützung unserer Rabbiner und Gemeinden in Russland. Wir helfen den Juden in Europa durch Taten, nicht durch Worte, und wir helfen ihnen allen, egal, wo sie leben. Dieser Konflikt zeigt aber auch, dass Europa nur in der Union eine starke und demokratische Zukunft hat. Und wenn in diesem vereinten und starken Europa auch Juden eine Zukunft haben sollen, muss Antisemitismus bekämpft und die religiöse Freiheit gewährleistet werden.

Mit dem Präsidenten der Konferenz der Europäischen Rabbiner sprach Detlef David Kauschke.

Gespräch

Beauftragter Klein: Kirche muss Antijudaismus aufarbeiten

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein kritisiert die Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Ihm geht es um antijüdische Aspekte. Klein äußert sich auch zum christlich-jüdischen Dialog - und zum Papst

von Leticia Witte  13.06.2025

Beha’Alotcha

Damit es hell bleibt

Wie wir ein Feuer entzünden und dafür sorgen, dass es nicht wieder ausgeht

von Rabbiner Joel Berger  13.06.2025

Talmudisches

Dankbarkeit lernen

Unsere Weisen über Hakarat haTov, wie sie den Menschen als Individuum trägt und die Gemeinschaft zusammenhält

von Diana Kaplan  13.06.2025

Tanach

Schwergewichtige Neuauflage

Der Koren-Verlag versucht sich an einer altorientalistischen Kontextualisierung der Bibel, ohne seine orthodoxen Leser zu verschrecken

von Igor Mendel Itkin  13.06.2025

Debatte

Eine »koschere« Arbeitsmoral

Leisten die Deutschen genug? Eine jüdische Perspektive auf das Thema Faulheit

von Sophie Bigot Goldblum  12.06.2025

Nasso

Damit die Liebe bleibt

Die Tora lehrt, wie wir mit Herausforderungen in der Ehe umgehen sollen

von Rabbiner Avichai Apel  06.06.2025

Bamidbar

Kinder kriegen – trotz allem

Was das Schicksal des jüdischen Volkes in Ägypten über den Wert des Lebens verrät

von Rabbiner Avraham Radbil  30.05.2025

Schawuot

Das Geheimnis der Mizwot

Der Überlieferung nach erhielt das jüdische Volk am Wochenfest die Tora am Berg Sinai. Enthält sie 613 Gebote, oder sind es mehr? Die Gelehrten diskutieren seit Jahrhunderten darüber

von Rabbiner Dovid Gernetz  30.05.2025

Tikkun Leil Schawuot

Nacht des Lernens

Die Gabe der Tora ist eine Einladung an alle. Weibliche und queere Perspektiven können das Verständnis dabei vertiefen

von Helene Shani Braun  30.05.2025