Mizwa

Willkommen in der Hütte

Je voller die Sukka, desto fröhlicher das Fest. Foto: Marco Limberg

Mizwa

Willkommen in der Hütte

Gastfreundschaft ist eines der wichtigsten Sukkot-Gebote

von Rabbiner Avraham Radbil  08.10.2014 09:41 Uhr

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Bottalk ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Bottalk angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Sukkot wird in unseren Gebeten als »sman simchateinu«, Zeit unserer Freude, bezeichnet. Doch was ist so besonders an diesem Feiertag? Schließlich sollen wir uns doch an allen Feiertagen erfreuen. So steht es schließlich in der Tora: »wesamachta bechagecha«, du sollst dich an deinem Feiertag erfreuen. Wieso wird die Freude des Laubhüttenfestes dann extra betont?

Der Hauptgrund dafür ist vielen Meinungen nach sicherlich die Simchat Bet Haschoewa, das Wasserschöpffest: eine besondere Feier, die während der Sukkottage im Tempel von Jerusalem veranstaltet wurde. Der Talmud (Traktat Sukka 51a) sagt, dass derjenige, der die Feier von Simchat Bet Haschoewa nicht gesehen hat, in seinem Leben keine richtige Feier erlebt hat.

Praxis Bedeutende Rabbiner sind sich aus diesem Anlass nicht zu schade, besondere Tänze mit viel Akrobatik und Tricks wie Jonglieren auszuführen. So ist es bis heute übliche Praxis in den meisten Jeschiwot und in vielen Gemeinden, während der Sukkottage besondere Wasserschöpffeiern zu veranstalten.

Der ursprüngliche Grund für diese Feier, das Ausgießen des Wassers auf den Altar, ist zwar nicht mehr vorhanden. Dennoch hilft die Erinnerung an den Brauch im Tempel den Menschen, auch heute noch ein ganz besonderes Fest zu gestalten.

Es gibt aber auch andere Gründe, warum das Laubhüttenfest als Zeit der Freude bezeichnet wird. Dieser Feiertag findet am 15. Tischri statt, gleich im Anschluss an Rosch Haschana und Jom Kippur. An diesen Tagen werden wir gerichtet und idealerweise auch in das Buch des Lebens eingeschrieben. Während der zehn Bußtage zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur gebietet der Schulchan Aruch, besondere Frömmigkeit zu praktizieren, um G’tt näherzukommen. Und wir erreichen diese besondere Nähe an Jom Kippur – dem Tag, an dem wir Engeln gleichen, die keine körperlichen Bedürfnisse wie Essen und Trinken verspüren.

Provisorium Gleich nach dem höchsten Feiertag verlassen wir unsere ständigen Wohnsitze, unsere Häuser und Wohnungen, und begeben uns in einen provisorischen Wohnsitz: in die Laubhütte oder Sukka. Damit erkennen wir an, dass nicht die Wände unserer Häuser uns Schutz bieten, sondern allein der Allmächtige, gepriesen sei Er. Und genauso, wie er uns während der Wüstenwanderung in unseren Laubhütten beziehungsweise durch Seine Wolken der Herrlichkeit schützte, genauso schützt er uns auch heute vor allem Bösen. Diese besondere Nähe und die von uns erreichte religiöse Stufe, Bekenntnis und Erkenntnis, sind natürlich ein weiterer Grund zur Freude.

Das Gebot, in der Sukka zu verweilen, ist auch das einzige Gebot, das mit dem ganzen Körper, also mit allen Körperteilen gleichzeitig erfüllt werden kann, wenn wir uns ganz in der Sukka befinden. Bei allen anderen Geboten sind immer nur einzelne Körperteile involviert. Die Tatsache, dass wir auf einmal den ganzen Körper in eine Mizwa involvieren, ist daher auch ein Grund zur Freude.

Gäste Ein weiterer Grund sind die besonderen Gäste, die uns an diesem Feiertag besuchen. Das kabbalistische Buch Zohar erzählt, dass wir an den Sukkottagen von den sieben Helden unserer Geschichte in der Sukka besucht werden. Jeden Tag kommt ein anderer Gast in unsere Sukka. So gibt es auch besondere Gebete, mit denen man Awraham, Jitzchak, Jakow, Mosche, Aharon, David und Josef begrüßt.

Das ist zweifelsohne auch ein Grund dafür, warum die Gastfreundschaft an Sukkot eine besondere Rolle spielt. Diese Idee wird in einer interessanten Halacha verdeutlicht. Während der Sukkottage ist es uns geboten, Speisen aus Mehl und insbesondere Brot ausschließlich in der Sukka zu verzehren. Falls es aber regnet, müssen wir uns nicht in der nassen Sukka quälen – und dürfen zu Hause essen.

Diese Regel gilt allerdings nicht für den ersten Sukkotabend, denn die erste Mahlzeit des Feiertages ist von besonderer Wichtigkeit. So muss man bis Mitternacht warten, bis der Regen aufhört, um in der Sukka essen zu können. Erst nach Mitternacht kann man zu Hause essen, falls der Regen nicht aufgehört hat.

Mahlzeit Falls man aber arme Leute zur Mahlzeit eingeladen hat, von denen man ausgehen kann, dass sie während des Tages keine Mahlzeit zu sich nahmen, soll man laut der Mischna Brura nicht bis Mitternacht warten, sondern sofort anfangen, zusammen mit den Gästen die Mahlzeit zu Hause im Trockenen zu verzehren. Mehr als das: Widersetzt man sich dieser Anordnung, übertritt man dabei ein anderes Verbot. Also wird Gästen eine besondere Wichtigkeit zugesprochen, die größer ist als die Wichtigkeit des Gebots, am ersten Sukkottag in der Sukka zu essen.

So schreibt auch der Rambam, dass jeder, der bequem mit seiner Familie in seinen vier Wänden sitzt und speist, aber seine Mahlzeit nicht mit den Bedürftigen teilt, die Mizwa nicht der Freude wegen, sondern nur für seinen Magen erfüllt.

Aus diesem Grund war es früher immer üblich, mindestens einen Bedürftigen zur Sukkotmahlzeit einzuladen. Heute kann man dieses Gebot auch mit einer Spende an die Bedürftigen erfüllen. Denn was ist die Freude wert, wenn sie nicht mit anderen geteilt werden kann?

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Osnabrück.

Auschwitz-Prozess

Kein einziges menschliches Wort

Vor 60 Jahren fiel das Urteil gegen 20 NS-Verbrecher in Frankfurt. Sie zeigten keine Reue

von Christoph Arens, Mascha Malburg  19.08.2025

Fulda

Vor 80 Jahren - Schuldbekenntnis der Bischöfe nach dem Krieg

Sie stand im Zenit ihres Ansehens. Nach Kriegsende galt die katholische Kirche in Deutschland als moralische Macht. Vor 80 Jahren formulierten die Bischöfe ein Schuldbekenntnis, das Raum für Interpretationen ließ

von Christoph Arens  18.08.2025

Ekew

Nach dem Essen

Wie uns das Tischgebet lehrt, bewusster und hoffnungsvoller durchs Leben zu gehen

von Avi Frenkel  15.08.2025

Talmudisches

Granatapfel

Was unsere Weisen über das Sinnbild der Fülle lehren

von Chajm Guski  15.08.2025

Geschichte

Quellen des Humanismus

Wie das Gʼttesbild der jüdischen Mystik die Renaissance beeinflusste

von Vyacheslav Dobrovych  14.08.2025

Wa'etchanan

Mit ganzem Herzen

Was wir von Mosche über das Gebet erfahren können

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  08.08.2025

Talmudisches

Schwimmen lernen

Was unsere Weisen als elterliche Pflicht verstanden

von Vyacheslav Dobrovych  08.08.2025

Grundsatz

»Wähle das Leben!«

Die jüdischen Schriften und Gebote betonen das Hier und Jetzt. Woher kommt dieses Prinzip?

von Daniel Neumann  07.08.2025

Psalmen

»Vielleicht weil Du nie hier warst«

Wo nur war Gott in den Gaskammern? Menachem Rosensaft, Sohn zweier Schoa-Überlebender, nähert sich dieser radikalen Frage in 150 Gedichten

von Menachem Rosensaft  01.08.2025