Jonathan Sacks

Weltweite Anteilnahme

Rabbiner Lord Jonathan Sacks hält einen Vortrag im Senatssaal der Humboldt-Universität Berlin anlässlich des Hildesheimer Vortrags. Foto: imago images/Uwe Steinert

Eine der wichtigsten jüdischen Stimmen dieser Generation ist für immer verstummt: Rabbi Jonathan Sacks ist am Samstagmorgen, Schabbat Wajera, im Alter von 72 Jahren verstorben. Im vergangenen Monat war bekannt geworden, dass Rabbi Sacks (Harav Yaakov Zvi ben David Arieh sel. A.) erneut an Krebs erkrankt war.

Rabbiner Sacks wurde 1948 in London geboren. Er studierte Philosophie in Cambridge, widmete sich – inspiriert durch den Lubawitscher Rebben – den jüdischen Studien, promovierte 1981, wurde im gleichen Jahr als Rabbiner ordiniert und war als Gemeinderabbiner in London tätig. Von 1991 bis 2013 war er Oberrabbiner der Vereinigung orthodoxer Gemeinden des Vereinigten Königreichs und des Commonwealth.

Er lehrte unter anderem an der Yeshiva University in New York wie auch am King’s College in London. Rabbi Sacks war regelmäßiger Gast in Radio- und Fernsehsendungen des BBC. Zahlreiche Auszeichnungen wurden ihm verliehen.

Gebetbücher 2005 wurde er von Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen, Prinz Charles, der nach Sacks’ Tod seine Trauer ausdrückte, bezeichnete ihn einmal als »Licht dieser Nation«. 2009 wurde er Mitglied im House of Lords.

Sacks galt als weltweit anerkannte religiöse Führungspersönlichkeit. Er war Autor von mehr als 30 Büchern, zahlreiche Gebetbücher hat er übersetzt und kommentiert. Viele Menschen folgten seinen wöchentlichen Botschaften im Internet und den sozialen Medien, seine Tora-Betrachtungen wurden in verschiedenen Veröffentlichungen zusammengefasst, zuletzt in Judaism’s Life-changing Ideas.

Immer wieder hatte er sich besorgt über die zunehmende Spaltung der Gesellschaft, die Gefährdung der liberalen Demokratie und den Verlust moralischer Werte geäußert. Diesem Phänomen widmete er auch sein kürzlich erschienenes Buch Morality: Restoring the Common Good in Divided Times.

Grabrede Rabbiner Sacks hinterlässt seine Frau Elaine, die Kinder Joshua, Dina und Gila sowie mehrere Enkelkinder. Seine jüngste Tochter Gila sagte in ihrer Grabrede am vergangenen Sonntag, eine der zentralen Botschaften ihres Vaters sei gewesen: »Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden.« Ihr Vater habe seinen Kindern immer versichert, wie sehr er sie geliebt habe, und sie gleichzeitig darin unterstützt, unabhängig und selbstständig zu werden: »Ergab uns den Raum, wir selbst zu werden.«

Ephraim Mirvis, Großbritanniens Oberrabbiner und Nachfolger von Rabbiner Sacks in diesem Amt, erklärte: »Heute hat die Welt eine Tora-Koryphäe und einen intellektuellen Riesen verloren.« Bei der Beerdigung von Rabbiner Sacks konnte Rabbiner Mirvis nicht selbst sprechen, weil er sich zuvor wegen der Corona-Pandemie in Quarantäne begeben musste.

Die Präsidentin des Board of Deputies of British Jews, Marie van der Zyl, schrieb nach dem Tod des Rabbiners: »Rabbi Sacks war ein Gigant sowohl der jüdischen Gemeinschaft als auch der breiteren Gesellschaft.«
Der World Jewish Congress nannte Rabbi Sacks einen »Theologen von außergewöhnlicher Tiefe und moralischer Überzeugung«. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin äußerte ebenfalls tiefe Trauer: »Wir werden uns immer an seine Warnungen vor Gewalt im Namen Gottes und an seinen Glauben erinnern, dass wir die Macht haben, eine zerbrochene Welt zu heilen.«

Gemeinsamkeiten Katharina von Schnurbein, Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission, schrieb auf Twitter: »Er war ein Brückenbauer zwischen Kulturen und Glaubensrichtungen, der sich mehr auf Gemeinsamkeiten als auf Unterschiede konzentrierte und die Verantwortung des Einzelnen unterstrich, etwas zur Gesellschaft beizutragen.« Die Rede vor rund vier Jahren vor dem Europäischen Parlament sei unvergessen, in der Sacks erklärte, dass das Auftreten von Antisemitismus in einer Kultur »das erste Zeichen einer Krankheit, ein Frühwarnzeichen eines kollektiven Zusammenbruchs« sei.

Rabbiner Andreas Nachama, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), schrieb, mit Lord Jonathan Sacks sei »eine überragende Persönlichkeit verstorben, ein großer Kommunikator«. Viele seiner Kollegen und Kolleginnen in der ARK schätzten seine Tora-Kommentare und zitierten daraus.

»The dignity of difference«, die Würde der Verschiedenheit, sei zum Motto von Rabbiner Sacks geworden, der ab seinem 40. Lebensjahr jedes Jahr ein Buch veröffentlicht habe. »Seine Bücher bleiben – sie sind eine Mazewa – ein Gedenkstein für alle Zeiten«, so Rabbiner Nachama. ddk/ag

Bamidbar

Kinder kriegen – trotz allem

Was das Schicksal des jüdischen Volkes in Ägypten über den Wert des Lebens verrät

von Rabbiner Avraham Radbil  30.05.2025

Schawuot

Das Geheimnis der Mizwot

Der Überlieferung nach erhielt das jüdische Volk am Wochenfest die Tora am Berg Sinai. Enthält sie 613 Gebote, oder sind es mehr? Die Gelehrten diskutieren seit Jahrhunderten darüber

von Rabbiner Dovid Gernetz  30.05.2025

Tikkun Leil Schawuot

Nacht des Lernens

Die Gabe der Tora ist eine Einladung an alle. Weibliche und queere Perspektiven können das Verständnis dabei vertiefen

von Helene Shani Braun  30.05.2025

Ehrung

Buber-Rosenzweig-Medaille 2026 für Papstberater Rutishauser

Einsatz für Verständigung, Dialog auf Augenhöhe: Die Buber-Rosenzweig-Medaille 2026 geht an Judaistik-Professor Christian Rutishauser. Die Auszeichnung würdigt langjähriges Engagement

von Matthias Jöran Berntsen  27.05.2025

Berlin

»Ein Stück Heimat«

Was blieb übrig nach den NS-Verbrechen? Und was hatte es lange vorher gegeben? Das Leo-Baeck-Institut sammelt seit 70 Jahren Briefe, Tagebücher und Co. Und ist mit seinen Themen Einwanderung und Flucht brandaktuell

von Leticia Witte  26.05.2025

Behar-Bechukotaj

Fundament unserer Welt

Wie das Befolgen der Gesetze der Tora die kosmische Ordnung beeinflusst

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  23.05.2025

Talmudisches

Brunnen

Was unsere Weisen über örtliche Zisternen lehren

von Chajm Guski  23.05.2025

Inklusion

Vielfalt in der Schöpfung

Die jüdische Tradition sagt viel über Menschen mit Behinderungen. Heute äußern sie sich selbst über ihre Rolle im Judentum

von Sophie Bigot Goldblum  22.05.2025

Emor

Im Schadensfall

Wie die Tora lehrt, Menschlichkeit und Gerechtigkeit miteinander zu verbinden

von Jacob Rürup  16.05.2025