Talmudisches

Von Glücksspielern und Geldverleihern

Der Glücksspieler ist ein ungeeigneter Zeuge, weil er sein Geld nicht mit konstruktiver Arbeit verdient. Foto: Getty Images / istock

Für verschiedene Dinge des Lebens sieht die Halacha eine Bestätigung durch (mindestens) zwei Zeugen vor, insbesondere bei Aussagen in Rechtsstreitigkeiten und Kriminalfällen. Dabei ergibt sich die Frage, wer als Zeuge geeignet ist – und wer nicht.

Hierzu nennt uns der Talmud interessante Aspekte. Während es völlig einleuchtend ist, dass Verwandte weder für- noch gegeneinander aussagen sollen, ebenso wenig Personen, die in der betreffenden Angelegenheit ein eigenes Interesse verfolgen, kommt einem anderes zunächst einmal seltsam vor.

Zinsen So heißt es im Traktat Sanhedrin 24b, dass Folgende nach der Mischna als Zeugen unzulässig sind: Glücksspieler, Geldverleiher gegen Zinsen, diejenigen, die Tauben fliegen lassen, und solche, die mit Erzeugnissen des Schabbatjahres handeln, aber nur dann, falls sie keinen sonstigen Beruf haben, wie Rav Jehuda sagt.

Vielmehr sei der Glücksspieler deshalb ein ungeeigneter Zeuge, weil er sein Geld nicht mit kons­truktiver Arbeit verdiene.

Weshalb ausgerechnet Glücksspieler? Rami bar Chama sagt, weil einer, der um Geld spielt, unter der – eventuell falschen – Annahme spielt, dass er gewinnen wird. Und wenn er tatsächlich gewinnt, dann ist das Geld eigentlich gar nicht rechtmäßig seines, weil es nicht durch ein faires Geschäft erworben wurde. Damit wäre der Spieler nichts anderes als eine Art Räuber.

Dagegen argumentiert Rav Scheschet, wer um Geld spiele, der müsse auch gewärtig sein, zu verlieren, und das wäre dann wohl allein sein Problem, wenn er sich darauf einlasse. Vielmehr sei der Glücksspieler deshalb ein ungeeigneter Zeuge, weil er sein Geld nicht mit kons­truktiver Arbeit verdiene und von daher großzügig mit anderer Leute hart erarbeitetem Gut umgehe, da er den Wert des Geldes nicht zu schätzen wisse. Außerdem liege es nahe, anzunehmen, dass einer, der im Spiel betrügt, es auch in geschäftlichen Dingen womöglich nicht so genau nimmt. Damit wäre seine Zeugenaussage unzuverlässig.

Wucherer Der Geldverleiher ist zwar kein Spieler, ganz im Gegenteil: Er sichert sich durch entsprechende Zinsen ab, wird so zum Wucherer und damit zu einer Person, die (übrigens einschließlich ihrer Kundschaft) im Verdacht der Unredlichkeit steht, ebenso wie einer, der Geschäfte macht mit den Produkten eines Schabbatjahres, mit denen der Handel verboten ist.

Und was ist mit dem, der Tauben fliegen lässt? Damit sind nicht harmlose Taubenzüchter gemeint, sondern Personen, die auf Tauben wetten, als eine Form des Glücksspiels, aber auch solche, die sie als Lockvögel benutzen, um anderer Leute Tauben einzufangen. Alle diese Menschen gelten als unehrlich, gerade so wie ein gemeiner Räuber, der in dieser Aufzählung fehlt, obwohl er ganz bestimmt nicht der geeignetste aller Zeugen ist.

Könnte ein Mörder denn wirklich als verlässlicher Zeuge gelten?

Die Weisen erklären dies damit, dass ein Räuber sich das Geld – für jeden klar erkennbar – offen und mit Gewalt nimmt, während es die oben Genannten verdeckt tun. Hochinteressant wird es nun, wenn es für eine Straftat nur einen einzigen Zeugen gibt, der noch dazu als Verbrecher eigentlich unzulässig ist.

Hinrichtung So erfahren wir in Jevamot 25b von einem Räuber, der auf dem Weg zu seiner Hinrichtung sagte, man solle der Frau des Schimon Hakohen ausrichten, dass er ihren Mann ermordet habe. Daraufhin ließ man die Frau wieder heiraten. Aber – konnte ein Mörder denn wirklich als verlässlicher Zeuge gelten?

Die Weisen diskutierten über den Fall. Hatte der Räuber gesagt: »Ich habe den Mann ermordet« oder »Wir haben den Mann ermordet«? Im zweiten Fall wäre er ja nur Zeuge des Mordes gewesen. Dennoch: Ein Räuber war er allemal und damit als Zeuge a priori ungeeignet. Es war aber seine Schuld offenbar nicht zweifelsfrei erwiesen.

Außerdem darf sich einer laut Talmud nicht selbst bezichtigen, was in etwa dem heutigen Zeugnisverweigerungsrecht ent­spricht. Sie ließen also am Ende seine Zeugenaussage zu, gemäß dem Grundsatz, den der Rambam später so formulierte: »Höre die Wahrheit, wer auch immer sie spricht.«

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