Alphabet

Von Alef bis Taw

Jedem hebräischen Buchstaben ist eine Zahl zugeordnet. Foto: Getty Images/iStockphoto

Die Tora lehrt, dass die Welt durch das Sprechen G’ttes erschaffen wurde. So heißt es zu Beginn der Schöpfungsgeschichte: »G’tt
sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht« (1. Buch Mose 1,3). Im Morgengebet heißt es: »Gelobt sei derjenige, der sprach, und die Welt entstand.« Die hebräische Sprache wird daher auch »Laschon haKodesch« – »die heilige Sprache« – genannt. Denn laut jüdischer Tradition hat G’tt das gesamte Universum mit dem Aussprechen und dem Kombinieren hebräischer Wörter und Buchstaben erschaffen.

GEMATRIA Aus den Wörtern und Zahlenwerten des Hebräischen ergeben sich interessante Kombinationen, welche im Folgenden aufgeführt werden. Bevor wir beginnen, möchte ich kurz auf das System der Gematria (Zahlenwerte) eingehen. Jedem hebräischen Buchstaben ist eine Zahl zugeordnet. Der erste Buchstabe (Alef) hat die Zahl eins, der zweite (Bet) die Zahl zwei. Ab dem zehnten Buchstaben (Jud) steigt man bei jedem darauffolgenden Buchstaben in Zehnerschritten auf.

Sobald mit dem Buchstaben Kof der Zahlenwert 100 erreicht ist, geht es in Hunderterschritten weiter. Der 22. und damit letzte Buchstabe des Alphabets (Taw) hat also den Zahlenwert 400. Mit diesem System lässt sich jedes Wort als Zahl und jede Zahl als Wort darstellen. Dieses System wird von Juden seit sehr langer Zeit zum Darstellen von Zahlen, aber auch in der Auseinandersetzung mit der Schrift benutzt.

SPIRITUALITÄT Und nun zu den erstaunlichen Dingen der hebräischen Sprache: Der Buchstabe Alef entspricht der Zahl eins. Der Buchstabe ist lautlos. Er kann abhängig von der Vokalisierung zu jedem der Vokale werden. Der Buchstabe Alef ist mit dem Wort Aluf verwandt, welches so viel wie »Meister« bedeutet. Der Buchstabe Alef (1) besteht aus einer Zusammensetzung der Buchstaben Jud, Jud und Waw (10+10+6=26). Die Zahl 26 wiederum ist die Zahl des einzigartigen Namen G’ttes (Jud, Jud, Heh und Waw). All diese Dinge machen die Zahl Alef zu einem Symbol für Spiritualität.

Das Entfernen des Buchstaben Alef verwandelt Wörter vom Positiven in das Negative. So bedeutet »Adam« Mensch. Entfernt man das Alef, erhält man das Wort »Dam« – Blut. Denn der Mensch ist ohne die Seele nur noch das Blut, das Körperliche. Das Wort »Emet« bedeutet Wahrheit, entfernt man das Alef, erhält man das Wort »Met« – tot. Denn eine Wahrheit ohne das G’ttliche ist der Weg in den Tod.

Interessanterweise umspannt das Wort »Emet« (Wahrheit) das gesamte Alphabet. Das Alef zu Beginn des Wortes ist der erste Buchstabe, Taw der letzte, und der Buchstabe Mem befindet sich mitten im Alphabet. Die Lehre dahinter ist, dass man nur über die Wahrheit urteilen kann, wenn man das gesamte Bild sieht, und Bescheidenheit walten lassen sollte, solange man nicht sicher ist, das gesamte Bild gesehen zu haben.

Alef und Bet, die ersten beiden Buchstaben, ergeben das Wort »Vater«.

Interessant ist auch, dass das hebräische Wort für Lüge – »Scheker« – aus Buchstaben besteht, die zum einen direkt nebeneinander liegen (sie besitzen also die Zahlenwerte 100, 200 und 300) und zum anderen direkt vor dem Erreichen des letzten Buchstaben Taw (400) zu finden sind. Dies soll lehren, dass die Lüge im Gegensatz zur Wahrheit leicht zu finden ist und dass die Lüge vor allen Dingen kurz vor dem Erreichen der Wahrheit hervorsticht.

Auch der Blick an den Anfang des hebräischen Alphabets birgt interessante Lehren. Die ersten Buchstaben sind Alef und Bet. Diese sind gefolgt von den Buchstaben Gimmel und Dalet. Die ersten beiden Buchstaben, Alef und Bet, ergeben das Wort »Aw« – Vater. Sobald man sich minimal vom Alef entfernt, ergeben die Buchstaben Bet, Gimmel und Dalet das Wort »Bagad« (betrogen), das genauso geschrieben wird wie das Wort »Beged« (Kleidung).

BETRUG Diese ersten vier Buchstaben des hebräischen Alphabets erzählen uns eine Geschichte. Am Anfang steht der Vater, doch die Trennung vom Alef, von der Spiritualität des Vaters, führt zum Betrug und zur Kleidung. Dies ist die Geschichte des Garten Eden, der von G’tt, dem himmlischen Vater, erschaffen wurde. Die Entfernung von G’ttes Gesetz, das Essen der Frucht, war ein Betrug. Dieser Betrug führte laut dem dritten Kapitel des ersten Buches Mose zur Notwendigkeit der Kleidung, denn der Mensch begann, sich für seine Nacktheit zu schämen.

Die Liste der im hebräischen Alphabet und dessen Wörtern versteckten Lektionen ist lang. Ich möchte mit zwei für mich faszinierenden Beispielen abschließen. Das Wort für Mann ist »Isch«, das Wort für Frau ist »Ischa«. Die gemeinsamen Buchstaben von Mann und Frau sind Alef und Schin, diese ergeben das Wort »Esch« – Feuer. Die nicht gemeinsamen Buchstaben der Wörter »Mann« und »Frau« bilden zusammen einen der Namen G’ttes. Die Buchstaben der Wörter Mann und Frau ergeben also die Wörter »Feuer, G’tt, Feuer«.

Der Talmud lehrt, dass, wenn ein Mann und eine Frau sich in der Ehe mit Liebe und Würde behandeln, die Präsenz G’ttes unter ihnen wohnt. Sobald die Partner einer Beziehung aber egoistisch handeln, wird die Beziehung gleich einem Feuer verbrannt.

PARTNER Der Talmud lehrt auch, dass jedes Kind von drei Partnern gezeugt wird. Vater und Mutter geben den Körper, und G’tt gibt uns die Seele. Vater ist Aw (Zahlenwert 3) und Mutter ist Em (41). Gemeinsam ergeben Vater und Mutter also 44 – der Zahlenwert von Dam: das Blut. Wie schon gesagt, macht erst die Kombination von »Dam« und dem für die Spiritualität stehenden Buchstaben Alef das Blut zum Menschen – zum »Adam«.

An diesen Beispielen sehen wir, wie untrennbar die hebräische Sprache und die Religion im Judentum miteinander verbunden sind. Vielleicht heißt die hebräische Sprache deswegen auch »Iwrit« – welches mit dem Wort »Meever« verwandt ist. Das Wort »Meever« bedeutet »über etwas hinaus« beziehungsweise »außerhalb dessen«.

Die hebräische Sprache findet ihren Ursprung außerhalb des uns aus der Welt Bekannten – laut den talmudischen Weisen findet sie ihren Ursprung im G’ttlichen

Der Autor studiert Sozialarbeit in Berlin.

Debatte

Rabbiner für Liberalisierung von Abtreibungsregelungen

Das liberale Judentum blickt anders auf das ungeborene Leben als etwa die katholische Kirche: Im jüdischen Religionsgesetz gelte der Fötus bis zur Geburt nicht als eigenständige Person, erklären liberale Rabbiner

von Leticia Witte  11.12.2024

Vatikan

Papst Franziskus betet an Krippe mit Palästinensertuch

Die Krippe wurde von der PLO organisiert

 09.12.2024

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Wajeze

»Hüte dich, darüber zu sprechen«

Die Tora lehrt, dass man ein Gericht anerkennen muss und nach dem Urteil nicht diskutieren sollte

von Chajm Guski  06.12.2024

Talmudisches

Die Tora als Elixier

Birgt die Tora Fallen, damit sich erweisen kann, wer zur wahren Interpretation würdig ist?

von Vyacheslav Dobrovych  06.12.2024

Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Der Präsident der Yeshiva University, Ari Berman, betonte die gemeinsamen Werte der jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaft

von Detlef David Kauschke  05.12.2024

Naturgewalt

Aus heiterem Himmel

Schon in der biblischen Tradition ist Regen Segen und Zerstörung zugleich – das wirkt angesichts der Bilder aus Spanien dramatisch aktuell

von Sophie Bigot Goldblum  05.12.2024

Deutschland

Die Kluft überbrücken

Der 7. Oktober hat den jüdisch-muslimischen Dialog deutlich zurückgeworfen. Wie kann eine Wiederannäherung gelingen? Vorschläge von Rabbiner Jehoschua Ahrens

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  05.12.2024

Chabad

Gruppenfoto mit 6500 Rabbinern

Tausende Rabbiner haben sich in New York zu ihrer alljährlichen Konferenz getroffen. Einer von ihnen aber fehlte

 02.12.2024