Recht

Schäden für die Umwelt

Klimaaktivist blockiert Autobahnausfahrt. Foto: IMAGO/Die Videomanufaktur

Seit einigen Wochen macht die Bewegung die »Letzte Generation« von sich reden – eine Gruppe von Menschen, die, so liest man auf deren Webseite, »entschlossen gewaltfreien Widerstand gegen den fossilen Wahnsinn unserer Gegenwart leistet«. Es gehe um den »Überlebenswillen der Gesellschaft«, heißt es da. Die Aktivisten sehen einer düsteren Zukunft entgegen, man habe noch maximal zwei bis drei Jahre Zeit, in der man »den fossilen Pfad der Vernichtung verlassen könne«.

Ob die »Letzte Generation« Kunstwerke mit Kartoffelbrei bewirft, sich an Bilderrahmen festklebt, auf Autobahnen in Sitzstreik geht oder den Berliner Flughafen blockiert – die Mittel ihrer Proteste sind aufsehenerregend, und einige Protestaktionen haben einen gewaltigen Grad an Showcharakter. Doch für viele sind sie oft ein Ärgernis, schließlich führen Straßen- und Autobahnblockaden während der Hauptverkehrszeit zu Unmut, zumal mitunter selbst Krankenwagen und andere Einsatzfahrzeuge keine Möglichkeit haben, die Sperrungen zu passieren.

zukunft Natürlich ist es in jeder Generation sehr wichtig und angebracht, sich über die Herausforderungen der jeweiligen Zeit auszutauschen und auf mögliche Auswirkungen auf die Zukunft aufmerksam zu machen. Bei den unterschiedlichen Aktionen der »Letzten Generation« werden jedoch oft bewusst die Umwelt und die Mitmenschen außer Acht gelassen. Somit strapazieren die Aktivisten alle in der Umgebung. Sie nehmen keine Rücksicht auf andere, ja, nehmen sogar bewusst Schädigungen in Kauf – obwohl ihr Begehr und ihre Hinweise auf ein schwerwiegendes weltweites Problem durchaus diskutiert und dringend Lösungen gefunden werden müssen.

Wie ist die jüdische Sicht auf Protestaktionen mit einer beabsichtigten Schädigung? Dürfen wir anderen im Rahmen eines Protests Sachschaden zufügen? Und noch schwerwiegender: Wie verhält es sich, wenn durch solche Aktionen Menschen verletzt werden?

Der Talmud unterteilt Schädigungen in seinen zivilrechtlichen Ausführungen in vier Hauptkategorien, die sogenannten Vier Väter. Es handelt sich um Schädigungen, die ein Mensch direkt oder indirekt verursacht hat. Die Kategorien sind: der Ochse, die Grube, die Abweidung und das Feuer. Die »Vier Väter« sind eine Metapher für die jeweiligen Schäden, die entstehen können. In unserem Fall gehen wir davon aus, dass ein Mensch, der sich an einem Gegenstand festklebt, bewusst einen Sachschaden verursacht.

Bei den unterschiedlichen Aktionen der »Letzten Generation« werden oft bewusst die Umwelt und die Mitmenschen außer Acht gelassen.

Entstanden ist also eine beabsichtigte Sachbeschädigung bei der Aktion des Anklebens an einen Gegenstand, zum Beispiel an den Rahmen eines Gemäldes. Der Halacha zufolge muss der Verursacher dem Eigentümer des Objekts dann eine vollständige Entschädigung leisten.

TALMUD Wir lesen dazu im Talmud (Nesikin, Bawa Kama 2,6): Der Mensch ist immer verantwortlich für das, was aus Versehen geschieht, was vorsätzlich geschieht, was im wachen Zustand geschieht oder auch im schlafenden Zustand. Hat jemand ein Auge seines Freundes geblendet oder dessen Gegenstände beschädigt, so muss er Schadenersatz leisten. Sich an den Rahmen eines Gemäldes festzukleben, muss also als vorsätzliche Schädigung betrachtet werden. Damit ist man aus halachischer Sicht als voll verantwortlicher Schädiger anzusehen, der dann in vollem Umfang Schadenersatz leisten muss. Hinzu kommt, dass wir an die zivilrechtlichen Gesetze des jeweiligen Landes, in dem wir leben, gebunden sind und gegen diese aus halachischer Sicht nicht verstoßen dürfen.

Schwerwiegend ist es, wenn durch eine Protestaktion Menschen zu Schaden oder gar ums Leben kommen. Aus halachischer Sicht würde man hierbei von Totschlag sprechen. Der Totschläger müsste umgehend in eine der sechs vorgesehenen Städte fliehen, bevor er gerichtlich zur Verantwortung gezogen wird (4. Buch Mose 35).

Doch diese Auflage hat der Ewige den Israeliten auferlegt. Somit würde wieder das Landesrecht greifen, und ein solcher Umstand müsste vom jeweiligen Gericht geahndet werden.

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  25.11.2025

Konzil

»Eine besondere Beziehung«

»Nostra Aetate« sollte vor 60 Jahren die Fenster der katholischen Kirche weit öffnen – doch manche blieben im christlich-jüdischen Dialog verschlossen. Ein Rabbiner zieht Bilanz

von David Fox Sandmel  21.11.2025

Toldot

An Prüfungen wachsen

Warum unsere biblischen Ureltern Hungersnöte und andere Herausforderungen erleben mussten

von Vyacheslav Dobrovych  20.11.2025

Kalender

Der unbekannte Feiertag

Oft heißt es, im Monat Cheschwan gebe es keine religiösen Feste – das gilt aber nicht für die äthiopischen Juden. Sie feiern Sigd

von Mascha Malburg  20.11.2025

Talmudisches

Gift

Was unsere Weisen über die verborgenen Gefahren und Heilkräfte in unseren Speisen lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  20.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025