Talmudisches

Rein und sauber

Nicht immer ist es halachisch notwendig, eine Mikwe aufzusuchen. Manches lässt sich bereits durch gründliches Waschen beheben. Foto: picture alliance / Robert B. Fishman

Talmudisches

Rein und sauber

Schon unsere Weisen beschäftigten sich mit den unterschiedlichsten Aspekten von körperlicher und seelischer Reinheit

von Rabbinerin Yael Deusel  27.04.2023 09:13 Uhr

Von Chiskijahu lesen wir in Sanhedrin 94b, dass er ein Schwert am Eingang zum Lehrhaus anbrachte und verkündete, mit diesem Schwert solle ein jeder getötet werden, der sich nicht mit dem Torastudium befasse.

Seine Drohung war offenbar erfolgreich, denn von Dan bis Beer Sheva fand man niemand Unwissenden, wie es heißt, weder einen Jungen noch ein Mädchen, weder einen Mann noch eine Frau, die sich nicht sogar in den komplexen halachischen Vorschriften zu Reinheit und Unreinheit auskannten. Ob dies ein adäquates pädagogisches Konzept war, mag freilich dahingestellt sein.

aufforderung Nebenbei erfahren wir, dass sich die Aufforderung, Tora zu lernen, nicht nur an Männer richtete und auch nicht nur an Erwachsene. Und selbstverständlich beschränkte sich das Lernen nicht nur auf die Reinheitsgesetze. Doch waren diese stets ein wichtiger Teil des täglichen Lebens, wie uns der Talmud in zahlreichen Diskussionen vor Augen führt.

Unsere Weisen beschäftigten sich mit den unterschiedlichsten Aspekten von körperlicher und auch seelischer Reinheit. »Mein G’tt, die Seele, die du mir gegeben hast, ist rein« (Berachot 60b), so sprechen wir im Morgengebet. Und so rein, wie sie gegeben wurde, soll die Seele auch einst an den Ewigen zurückgegeben werden.

Die Gemara (Schabbat 152b) vergleicht dies mit einem König, der seinen Bediensteten königliche Gewänder gab. Die Klugen unter ihnen verwahrten sie in der Truhe, die Törichten trugen sie bei der Arbeit. Als nun der König die Kleidung zurückverlangte, bekam er sie von den einen sauber überreicht, von den anderen dagegen in einem Zustand, der erst einmal eine Reinigung erforderte – was verständlicherweise den Zorn des Königs erregte.

BERÜHRUNG Menschen und Gegenstände können unrein werden, wenn sie mit unreinen Orten oder unreinen Dingen in Berührung kommen. Dazu gehört auch der Kontakt mit Toten, selbst in indirekter Weise, zum Beispiel durch das Betreten eines Friedhofs.

In Joma 23 berichtet uns der Talmud von einem tragischen Ereignis zur Tempelzeit. Ein junger Kohen (Priester) hatte einen anderen am Aufgang zum Tempel mit dem Messer niedergestochen. Als der Vater des Opfers dazukam und sah, dass sein Sohn noch nicht tot war, sondern noch im Sterben lag, erklärte er, das Messer sei noch nicht durch Kontakt mit einem Leichnam verunreinigt. Wenn man es schnell noch herausziehe, könne man das Messer unbesorgt weiterverwenden. Hier scheint die Reinheit von Tempel­geräten höher zu stehen als das Blutvergießen – was von unseren Weisen heftig diskutiert wurde.

Glücklicherweise ist ein Unrein-Werden nicht immer mit so dramatischen Umständen verbunden. Manchmal ergaben sich sogar eher komische Situationen. So wollte Hamans Tochter dem Erzfeind ihres Vaters, Mordechai, ihre Verachtung zeigen und leerte einen Nachttopf aus dem Fenster. Doch dessen Inhalt traf nicht Mordechai, sondern ihren Vater Haman.

Toilette Es besteht durchaus ein Unterschied zwischen sauber und rein. Nicht immer ist es dabei halachisch notwendig, eine Mikwe aufzusuchen. Manches lässt sich bereits durch gründliches Waschen beheben, zum Beispiel durch das Händewaschen nach dem Besuch der Toilette.

Besonders wichtig ist dies, wenn man danach sein Gebet verrichten will. Zudem soll man sich zum Beten stets gebührend weit von der Toilette entfernen.

Nun kann es aber vorkommen, dass man vor dem Beten in etwas Ekliges getreten ist und noch Reste davon mit sich herumträgt. Was soll man tun, wenn man dies zu spät bemerkt? Es heißt ja, dass während des Betens nichts Unschickliches sichtbar sein darf. Rabbi Abaye sagt dazu: Solange es nur eine winzige Menge an Unrat ist, könne man es unauffällig beseitigen.

Und falls doch noch ein wenig mehr davon an der Schuhsohle klebt? Diese profane, aber lebensnahe Frage stellt Mar, der Sohn Ravinas, in Berachot 25b. Doch man ließ sie unentschieden.

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