Neulich beim Kiddusch

Liebe am Strand

Sonne, Wasser, Sand: Die beiden haben keine Angst vor der Strandpolizei. Foto: JA

Oh, ich Arme! Lieber würde ich mir eine Bowlingkugel auf den großen Zeh fallen lassen oder mich wochenlang nur von Wirsingsuppe ernähren, als mich mit drei kreischenden Gören und meiner Schwiegermutter in einen überfüllten Jetair-Flug von Lüttich nach Tel Aviv zu quetschen. Stichtag: In nur wenigen Monaten. Am 25. Juni. Abflug: 0.55 Uhr. Ankunft: 5 Uhr morgens.

Dschungelfeucht Es gibt keinen Weg zurück. Alles ist schon reserviert und vom Konto abgebucht. Am 1. Juli, wenn Tel Aviv sich in eine glühendheiße, dschungelfeuchte Vorhölle verwandelt, wenn die Einheimischen in Scharen Reißaus nehmen, ausgerechnet dann muss meine knauserige Schwägerin mitten in der Pampa ihre Low-Budget-Hochzeit ausrichten, weil sie den Saal zu einem Dumpingpreis bekommen hat. Es gibt nämlich dort keine Klimaanlage. Oh, ich könnte mir die Haare büschelweise ausreißen vor Ärger!

In den nächsten Wochen ziehe ich also ein aufregendes Nachtprogramm für meine Babys durch: Sie essen vornehm spät zu Abend, dürfen dann mit uns Fernsehspätfilme gucken (Sammy liebt Schimanski, Estelle guckt gerne Bella Block) und werden hoffentlich bis zum Tag des Abflugs so mürbe sein, dass sie gleich nach dem Start wegpennen.

Wettergegerbt Die Abreise rückt heran. Nach dem Einsteigen in die wettergegerbte Maschine winkt uns eine verwitterte Ruine in Form einer Stewardess zu sich. »Hallooooo« säuselt sie, wobei das Make-up rund um ihren Mund wegbröckelt. Meine Schwiegermutter kreischt auf: »Rita! C’est toi!« Die Stewardess fängt ebenfalls an zu kreischen –und schon liegen sich die beiden in den Armen, eine rührende Wiedersehensszene. Anscheinend waren sie früher in derselben Schulklasse im Internat für schwer erziehbare junge Mädchen oder so was.

Stante pede winkt uns Rita vorbei an den endlosen Reihen der Substandard-Reisenden in der Economy Class, die zwischen den engen Sitzreihen eingepfercht, in ihrem eigenen Saft vor sich hinschmoren, und bringt uns in die lichteren Gefilde der Business Class, wo wir selig in die weichen Polster sinken und erst mal eine Runde Champagner serviert bekommen. Die Babys und Emma versinken, vollgestopft mit gratis Keksen, in einen komaartigen Tiefschlaf und wachen bis zum nächsten Morgen nicht mehr auf.

Windschief Von da an ist alles nur noch zuckerwatterosa. Die Babys gedeihen prächtig dank einer Diät von Bamba, Milki-Pudding und Rogelach aus der Angel Bakery gegenüber von unserem Hotel. Ich nehme drei Pfund ab, da es zum Essen zu heiß ist. Schließlich rückt der Samstag der Hochzeit heran. Mittags gibt es einen Spar-Kiddusch der Sonderklasse. (Ich wusste gar nicht, dass es in Israel auch diese staubtrockenen polnischen Eierkichel gibt.) Und dann am Abend steigt die Party in einem etwas windschiefen Pavillon am Strand, wobei allen der Schweiß in Strömen übers Gesicht läuft. Bräutigam Schlomi muss sich die beschlagene Brille abwischen, damit er das Glas unter seinen Füßen nicht verfehlt.

Nach dem erlösenden Knacks, während alle jubelnd über Braut und Bräutigam herfallen, mache ich mich mit meinem Mann Alain unbemerkt aus dem Staub zu einem Strandspaziergang. Wir denken an Djerba, Juli 1998, unsere Honeymoon-Reise. Sie trug das Motto »Sex on the Beach«, aber bissige Sandkrabben, verirrte Kamele und die berittene Strandpolizei ließen uns unsere Pläne nie verwirklichen.

Hier dagegen stört uns keine Menschenseele. Die Sterne funkeln, es weht eine laue Brise. Wir setzen uns auf eine weich geriffelte Sandbank, um den Mondschein auf dem Wasser zu bewundern. Alain knabbert an meinem Ohrläppchen ...

Als wir Stunden später aufwachen, habe ich sieben unbeantwortete Anrufe auf meinem Handy. Wir klopfen uns hastig den Sand aus den Kleidern und eilen zurück. Außer meiner wutschnaubenden Schwiegermutter hat niemand unser Fehlen bemerkt. Alle Blicke sind nur auf Natacha und Schlomi gerichtet, wie sie von einem Lichtkegel angestrahlt, einen einsamen Stehblues tanzen. Von der Decke segeln Flitter, Glitzer und Luftballons. Alle noch nicht in Scheidung lebenden Ehepaare im Saal sinken sich seufzend in die Arme. Kurzum, es war für alle, besonders aber für mich eine durch und durch gelungene Hochzeit.

Emor

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