Talmudisches

Korrekt im Geschäftsleben

Besiegelt den Geschäftsabschluss: Handschlag Foto: Getty Images

Eine Mischna warnt vor einer Handlungsweise, die nach der Halacha nicht verboten ist: »Hat der Käufer die Früchte vom Verkäufer weggezogen und ihm das Geld noch nicht überreicht, so kann keiner von dem erfolgten Kauf zurücktreten. Hat aber der Käufer ihm das Geld gegeben und die Früchte noch nicht fortbewegt, so kann jeder vom Kauf zurücktreten.

Jedoch hat man gesagt: Wer die Leute vom Zeitalter der Sintflut und vom Zeitalter der Spaltung (nach dem Bau des Turms zu Babel) bestraft hat, der wird auch den bestrafen, der sein Wort nicht hält« (Baba Metzia 4,2). Mit anderen Worten: So wie Gott früher bestimmte Übeltäter bestraft hat, so wird er heute den Wortbrüchigen bestrafen.

KAUF Unsere Mischna behandelt die Frage, wann der Kauf eines beweglichen Gegenstands abgeschlossen ist, sodass kein Rücktritt mehr möglich ist. Mit der Übergabe der vereinbarten Geldsumme ist der Gegenstand nicht erworben worden – beide Seiten können zu diesem Zeitpunkt ihre Meinung noch ändern. In einem solchen Fall muss das bereits gezahlte Geld dem Käufer natürlich zurückgegeben werden. Den Rücktritt nach bereits erfolgter Zahlung haben die Weisen jedoch als eine gegen Sitte und Moral verstoßende Handlung angesehen, die eine Bestrafung vom Himmel verdient.

Im Talmud (Baba Metzia 48b) gehen die Meinungen darüber auseinander: Nach Abaje wird derjenige, der sein Wort nicht hält, lediglich davon in Kenntnis gesetzt, dass Gott ihn bestrafen werde; nach Raba aber wird diese Person vom Gericht verflucht. Die Halacha folgt der Auffassung von Raba (Maimonides, Hilchot Mechira 7, 1–2). Der Fluch im Gerichtssaal kennzeichnet eine bestimmte Verhaltensweise als unmoralisch.

Eine Barajta (Baba Metzia 48a) ergänzt die Liste der im Fluch genannten Fälle, in denen Gott arge Sünder zur Rechenschaft gezogen hat. Die Mischna erwähnt die Sintflut und den Turmbau zu Babel. Die Barajta fügt zwei weitere Strafen hinzu: Bestraft hat der Ewige die Leute von Sodom und Amora sowie die Ägypter am Meer. Wie Rabbiner Israel Lipschitz (1782–1860) in seinem Mischna-Kommentar erklärt, haben die vier in der Barajta genannten Gruppen aus verschiedenen Gründen gefrevelt und erhielten die jeweils angemessene himmlische Strafe. Unsere Mischna lehrt: Ebenso wie Gott in der Vergangenheit strafend ins Geschehen eingriff, wird er auch jetzt denjenigen bestrafen, der seinem schon zur Tat gewordenen Wort nicht treu bleibt – ganz egal, aus welchem Grunde dies geschieht.

Geldübergabe Wie aber ist es, wenn eine Seite nach einer mündlichen Vereinbarung ohne Geldübergabe vom Kauf absehen will? Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1808–1888) referiert die Antwort der Halacha: »Auch wenn nichts als Worte vorgefallen, und du bloß gesprochen: du wolltest kaufen oder verkaufen, so sollst du dein Wort achten oder dir schweren Tadel verdienen, und den Namen ›Treuloser‹ dir erwerben.«

Wie weit Korrektheit im Geschäftsleben gehen kann (und soll), zeigt das Beispiel von Rav Safra. Von ihm wird berichtet, dass er einst einen Esel verkaufen wollte. Jemand nannte einen bestimmten Betrag, doch Rav Safra antwortete nicht, weil er gerade ein Gebet sprach, das man nicht unterbrechen darf. Der am Kauf des Esels interessierte Mann nahm an, der von ihm genannte Preis sei zu niedrig und erhöhte sein Angebot. Als Rav Safra sein Gebet beendet hatte, sagte er: »Du bekommst den Esel zu dem Preis, den du zuerst genannt hast – denn ich war zu dem Zeitpunkt bereit, dein Angebot zu akzeptieren.« Es ist überliefert, dass fromme Juden in der Neuzeit Rav Safras Redlichkeit nachgeahmt haben.

Das himmlische Gericht wird jedem Menschen die Frage stellen: »Hast du deinen Handel in Redlichkeit betrieben?« (Schabbat 31a). Sowohl diese Frage als auch der eingangs erwähnte Fluch zeigen, wie wichtig es ist, im Geschäftsleben nicht treulos zu handeln.

Umfrage

Studie: Deutsche vertrauen Zentralrat der Juden signifikant mehr als der christlichen Kirche und dem Islam

Die Ergebnisse, die das Meinungsforschungsinstitutes Forsa im Auftrag des »Stern«, RTL und n-tv vorlegt, lassen aufhorchen

 23.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Wajigasch

Mut und Hoffnung

Jakow gab seinen Nachkommen die Kraft, mit den Herausforderungen des Exils umzugehen

von Rabbiner Jaron Engelmayer  19.12.2025

Mikez

Füreinander einstehen

Zwietracht bringt nichts Gutes. Doch vereint ist Israel unbesiegbar

von David Gavriel Ilishaev  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Chanukka

»Wegen einer Frau geschah das Wunder«

Zu den Helden der Makkabäer gehörten nicht nur tapfere Männer, sondern auch mutige Frauen

von Rabbinerin Ulrike Offenberg  18.12.2025

Chanukka

Berliner Chanukka-Licht entzündet: Selbstkritik und ein Versprechen

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin am Mittwoch mit viel Politprominenz das vierte Licht an Europas größtem Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet

von Markus Geiler  18.12.2025

Chanukka

Wofür wir trotz allem dankbar sein können

Eine Passage im Chanukka-Gebet wirkt angesichts des Anschlags von Sydney wieder ganz aktuell. Hier erklärt ein Rabbiner, was dahinter steckt

von Rabbiner Akiva Adlerstein  17.12.2025