Gesundheit

Kippen und Kippa

Der Weltnichtrauchertag ist ein Jom Kippur für Raucher Foto: Thinkstock

Bei der ersten Anfrage für diesen Text bekam ich einen Schreck. Internationaler Nichtrachetag? Wie wird die Welt bloß mit einem solchen Tag umgehen, was wird aus der Politik, wie könnte sie einen Verzicht auf Gewalt durch Iran, Hamas, Hisbollah, die Muslimbruderschaft und weitere Akteure im Nahen Ostens verkraften?

Aber dann merkte ich, Gott sei Dank, ich soll gar nicht über Rache, sondern über das Rauchen schreiben. Oder besser darüber, wie man nicht raucht, nicht rauchen soll, nicht rauchen darf. Ein Tag, an den man etwas nicht tut. Ja, der Internationale Nichtrauchertag am 31. Mai ist wie ein Schabbat! Ein Verzicht-Tag, genau wie Verzicht auf das Essen während eines Fastentages. Das sollte eigentlich nicht so schwer sein, denke ich. Ein Tag mit Schall, aber ohne Rauch!

Neue Welt Rauchen im »normalen Sinn« findet man nicht im Tanach, der hebräischen Bibel. Denn den Tabak als solchen verdanken wir der Neuen Welt, wir kennen ihn erst seit dem 15. Jahrhundert – auch wenn angeblich archäologische Reste von Tabak in altägyptischen Gräbern gefunden wurden. Unsere jüdische Tradition spricht zwar häufig von Weihrauch, und es gab komplizierte Rezepte dafür; sie spricht auch mehrmals von Feueropfern im Tempel, und der Rauch des »heiligen Barbecues« stieg als schöner, genussvoller Dunst (»Reach Nichoach«) gen Himmel empor.

Aber soll man daraus etwa schließen, Gott sei Raucher? Ein Genießer der Qualmwolken? Nein, das sollte man nicht! Denn fremdes Feuer als solches ist gefährlich – wie das Schicksal von Nadav und Avihu, der Söhne Aharons, im 3. Buch Mose 10, 1–2 zeigt. Deswegen gilt es bis zum heutigen Tag als unhöflich, einen Cohen mit der Frage »Hast du Feuer?« anzusprechen.

In der Tora lesen wir auch, die Kinder Israels folgten durch die Wüste einer Rauchsäule tagsüber, einer Feuersäule während der Nacht (2. Buch Mose 40,38). Nach der Zerstörung Sodoms und Gomorras sah Abraham »Rauch aus der Erde aufsteigen, gleich dem Rauch eines Kalkofens« (1. Buch Mose 19,28). Aber das war kein Vergnügen wie das Rauchen einer Pfeife. Wir reden von den zwölf Stämmen und nicht den zwölf Stangen Israels. Tora, nicht Tabak, soll uns ein Genuss sein.

Papier Vielleicht weil Tabak als Sünde relativ neu ist, gibt es wenig darüber in den klassischen Texten zu lesen. Die Rabbiner von Pumbedita haben nicht über die relativen Geschmacksqualitäten von Zigarren debattiert. Sie haben häufig mit Blättern gearbeitet und sich in Blätter vertieft, aber Tabakblätter waren das nicht: nur Papier, ohne Filter. Zigaretten wurden auch von den Propheten nicht erwähnt.

Ich habe selbst nie geraucht. Mein seliger Vater hat mir als Junge beigebracht, »Wein, Weib und Gesang« seien genug für einen Menschen: »Und wenn dir das alles trotzdem zu viel ist, dann hör auf mit dem Singen.«

Zurück zum Ausgangspunkt: Ein Nichtrauchertag ist mehr als nur »passives Nichtrauchen«. Er ist ein aktives, dynamisches, sogar dogmatisches Vorgehen gegen die internationale Tabakindustrie, die (genau wie die Juden) die ganze Welt beherrscht. Man könnte es »Antinikotinismus« nennen. Dieses Jahr ist Werbung das Hauptangriffsziel der Kampagne. Wir sollen nicht mehr glauben, dass Rauchen uns automatisch zu neuen Karrieren als Cowboys verhilft oder die Bewunderung junger Damen in Bikinis einbringt.

Statistik Kurz vor dem Weltnichtrauchertag hat Israels Gesundheitsministerium eine neue Studie veröffentlicht: Die Zahl der Raucher ist dort im Jahr 2012 um 14 Prozent gesunken. Doch interessant ist, wie viele Israelis – sowohl Säkulare als auch Charedim – dennoch zur Zigarette greifen.

Ein Schabbat ohne Qualm ist für sie eine Qual. Während sie den Kidduschbecher in der Hand halten, träumen sie schon vom Aschenbecher. Einige Fromme würden am liebsten die Hawdalagewürze direkt mit der Hawdalakerze anzünden, wenn das erlaubt wäre. Man sieht die bärtigen Raucher und zittert. Was wird passieren, wenn die Zigarette immer näher an die Bartstoppeln kommt? Die Kippe an die Kippa? Zum Glück kommt es selten so weit. Ein weiterer glücklicher Umstand: Zwischen Kaschrut-Organisationen gibt es keinen Streit über Siegel für Glimmstangen.

Der Weltnichtrauchertag ist ein Jom Kippur für Raucher – eine Gelegenheit, die Sünden zu bereuen. Ich finde, das ist eine tolle Idee. Jahrelang haben uns die Raucher in öffentlichen Räumen und auf der Straße gequält, haben ihre Kippen herumliegen lassen und im Sommer ganze Landstriche durch ihre Gedankenlosigkeit abgebrannt, nur weil sie es nicht einmal im Wald fertig brachten, auf ihre Glimmstengel zu verzichten. Ein Tag ohne Nikotin? Ja, als Nichtraucher freue ich mich darauf. Und vielleicht ist der 31. Mai für mich doch ein kleiner »Rachetag«.

Ki Tawo

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