Toldot

Jäger und Kämpfer

Foto: Getty Images

In den ersten Tagen nach der Unabhängigkeitserklärung Israels im Jahr 1948 gab es in der Armee eine Einheit, die sich bei der Verteidigung des neuen jüdischen Staates besonders hervortat: Pluga Datit, eine religiöse Division von 136 jungen Männern unter der Führung von Hauptmann Issachar Greisman, die eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung des Südens Israels spielte.

Greismans Geschichte und die seiner Pluga Datit erinnert uns an das Erbe Awrahams und seine Mission. Greisman verband die warme Intensität eines chassidischen Hintergrunds mit einer idealistischen Ausbildung, die er in seiner Jugend in Frankfurt am Main erhalten hatte. Dies übertrug sich auch auf seine Männer.

Der Ruhm der Einheit erreichte seinen Höhepunkt, als sie an die Front rund um Awrahams Wohnort Beer Sheva verlegt wurde, der Stadt, in der unser Urvater seine Brunnen grub. Die Soldaten selbst schätzten die Nähe zu Awraham und seiner heiligen Mission in der Welt.

Ihre Einheit überraschte die Ägypter an einer ausgesprochen schwer einzunehmenden Stelle südlich von Beer Sheva. Die ägyptischen Soldaten waren derart überrascht, dass sie glaubten, Geister und Gespenster würden gegen sie kämpfen, und ergaben sich zu Hunderten. Einige der gefangenen Offiziere zeigten sich erstaunt darüber, dass Beer Sheva in jüdische Hände gefallen war, und schrieben ihre Niederlage den »Heerscharen Awrahams« zu.

In dieser entscheidenden Phase der Entwicklung des aufkeimenden jüdischen Staates hatten Captain Greisman und seine Männer den Geist Awrahams neu entfacht. Dies war eine entscheidende Entwicklung für die Zukunft des jüdischen Heimatlandes.

Unser Wochenabschnitt beschäftigt sich mit der grundlegenden Frage, wer wohl der Erbe von Awrahams Mission sein wird.

Es ist schwer zu verstehen, warum Aw­rahams Sohn Jizchak seinen Erstgeborenen Esaw wählen wollte und nicht dessen Zwillingsbruder Jakow – gab es doch so viele Gründe, Esaw nicht zu wählen. Esaw war ein Mensch, der sofortige Befriedigung wollte, der bereit war, sein Erstgeburtsrecht, also sein Erbe, für eine Schüssel Linsen zu verkaufen. Er behauptete, sehr hungrig zu sein, und verschenkte deshalb das ihm durch seine Geburt zustehende Recht, das jüdische Volk zu führen.

Esaw war ein Jäger, ein Zerstörer, ein Mann, der Tiere und sogar Menschen fing. Jakow hingegen war ein aufrichtiger Mensch, »ein Zeltbewohner«, fleißig und auf das Gebet konzentriert.

Es ist seltsam, dass Jizchak ausgerechnet Esaw zutraute, die Kontinuität der Familie fortzusetzen

Es ist seltsam, dass Jizchak ausgerechnet Esaw zutraute, die Kontinuität der Familie fortzusetzen, und ihm den Segen geben wollte.

Kapitel 25 beginnt mit der Geburt der Zwillinge und der Rivalität zwischen den Brüdern. In der Mitte der Geschichte, bevor Jizchak seinen Segen erteilt, lesen wir eine interessante Episode, die Licht auf die Gründe Jizchaks wirft, Esaw und nicht Jakow seinen Segen zu geben. Die Episode erzählt davon, wie einst König Awimelech von Gerar mit Awraham umging. Jener hatte zuvor erfolglos versucht, Awrahams Frau Sara zu entführen. Dann schloss er einen Friedensvertrag mit Awraham und erlaubte dessen Nachkommen, in der Gegend zu leben und Brunnen zu graben.

Viele Jahre später gerät Awrahams Sohn Jizchak mit dem Betrüger Awimelech aneinander. Obwohl Awraham einst einen Pakt mit ihm geschlossen hatte, vertreibt der König nun Jizchak aus dem Gebiet. Solange Awraham lebte, hinderte der Respekt vor ihm die Einheimischen daran, seine Brunnen zu manipulieren, doch nun, da die Brunnen an Jizchak übergegangen sind, verstopfen die Bewohner der Gegend sie, um Jizchak und seine Familie zu vertreiben.

Awraham war eine Person voller Güte, Großzügigkeit und voller Liebe zur gesamten Menschheit. Aber er war auch bereit und willens und in der Lage, für sein Recht einzutreten. Er hatte keine Angst zu kämpfen, wenn er sah, dass jemand einen anderen versklavte oder terrorisierte.

Jitzchak war nicht gewillt und nicht in der Lage, für sein Recht auf die Brunnen zu kämpfen

Anders als sein Vater Awraham stellte sich Jizchak nicht gegen Awimelech. Er war nicht gewillt und nicht in der Lage, für sein Recht auf die Brunnen zu kämpfen, die seinem Vater Awraham und seinen Nachkommen versprochen worden waren. Als Jizchak von Awimelech aus dem Land gejagt wurde, ging er still und leise.

Das könnte der Grund dafür sein, warum Jizchak später im Leben, als er selbst nach dem rechtmäßigen Erben der Abrahamitischen Mission sucht, Esaw auswählt und nicht Jakow.

Jakow war fleißig und ruhig, aber Esaw war ein Kämpfer. Jizchak erkannte Esaw, weil dieser erfolgreich gegen diejenigen vorgehen konnte, die andere versklavten und unterdrückten.

Erst in unserer Generation verstehen wir, dass es nicht genügt, nur ein Volk zu sein, das Güte zeigt, wie Jizchak es tat. Völker können unsere gute Natur ausnutzen, so wie Awimelech. Es gibt Zeiten, in denen wir aufgefordert sind, unsere Stärke und unseren Mut zu nutzen und für das einzustehen, was richtig ist.

Wenn wir Ungerechtigkeit erfahren, dürfen wir nicht aufgeben und weggehen. Wir müssen bereit sein, uns der Ungerechtigkeit mit Stärke entgegenzustellen, genau wie Awraham es tat. Nur durch Stärke konnten wir in unsere Heimat zurückkehren. Die Soldaten der Pluga-Datit-Division verstanden, dass die Verteidigung des jüdischen Volkes – so wie Awraham es vorgelebt hat – Stärke und Mut erforderte und nicht nur Güte.

Im Exil waren wir rund 2000 Jahre Juden der Güte und des Fleißes, aber erst als wir auch Macht ausübten, kehrten wir in unsere Heimat zurück.

Der Autor ist Rabbiner in London.

INHALT
Der Wochenabschnitt Toldot erzählt von der Geburt der Zwillinge Esaw und Jakow. Für ein »rotes Gericht« erkauft Jakow von seinem Bruder das Erstgeburtsrecht. Wegen einer Hungersnot muss Jizchak das Land verlassen. Er geht zu Awimelech, dem König von Gerar. Dort gibt er seine Frau Riwka als Schwester aus, weil er um sein Leben fürchtet. Als Jizchak im Sterben liegt, will er Esaw segnen, doch er wird von Riwka und Jakow getäuscht und segnet so Jakow.
1. Buch Mose 25,19 – 28,9

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