Interview

»Ich nehme mir frei«

Zehntklässler in Frankfurt am Main: Celina, Yoel, Evelyn und Ilona Foto: Rafael Herlich

Sechs freie Tage zusätzlich: Wegen Rosch Haschana, Sukkot, Schemini Azeret und Simchat Tora haben Schüler an jüdischen Schulen im September nur 15 statt 21 Tage Unterricht. Celina, Yoel, Evelyn und Ilona – ihr wart in euren ersten Schuljahren auf der jüdischen Lichtigfeld-Schule in Frankfurt/Main und besucht inzwischen die zehnte Klasse an staatlichen Schulen. Wie haltet ihr es mit den Feiertagen? Nehmt ihr frei?
Yoel: Ich nehme auf alle Fälle frei, an allen Feiertagen. Ich gehe auch in die Synagoge, denn ich bin schon gläubig.

Schreiben dir deine Eltern an Rosch Haschana einfach eine Entschuldigung?
Yoel: Ich bin das erste Jahr an einer staatlichen Schule, bin vor den Feiertagen einfach noch zu meinem Tutor gegangen und habe ihn gefragt, wie ich vorgehen soll.

Habt ihr keine Angst, zu viel Schulstoff zu verpassen und dann alles nacharbeiten zu müssen?
Ilona: Ich fehle nicht gern im Unterricht. An religiösen Feiertagen dürfen aber zumindest keine Arbeiten geschrieben werden, unsere Lehrer achten auch darauf. Und Jom Kippur fällt in diesem Jahr ja zum Glück auf einen Samstag.
Yoel: Mir macht es nichts aus, den Stoff nachholen zu müssen. Ich bin es aus der Lichtigfeld-Schule gewohnt, hart zu arbeiten.

Wie reagieren eure Mitschüler, wenn ihr einen oder mehrere Tage zusätzlich freihabt?
Evelyn: Unsere Schule (die Bettinaschule, Anmerkung der Redaktion) ist sehr »projüdisch«. Trotzdem sind meine Mitschüler manchmal neidisch.
Celina: Ich bin im ersten Jahr an dieser Schule und denke, es werden schon Sprüche kommen. Aber ich nehme mir das nicht so zu Herzen.

Wird denn das Judentum automatisch zum Thema, wenn die anderen mitbekommen, warum ihr plötzlich nicht zum Unterricht kommt?
Celina: Ja, es gibt Interesse, aber auch blöde Kommentare. Doch das ist nicht weiter schlimm, ich war darauf vorbereitet.
Evelyn: Manche Schüler wollen nicht so mit mir befreundet sein, weil sie denken, ich hab’ Geld und bin eingebildet. Mich nervt das nicht; manchmal erkläre ich im Geschichtsunterricht etwas übers Judentum.

Aber ihr werdet nicht angefeindet, oder?
Celina: Nein, das nicht. Unsere Schulen haben sogar Gedenksteine auf dem Schulhof – für alle Schüler und Lehrer, die in der NS-Zeit umgebracht wurden.

Vermisst ihr es, dass ihr an den Feiertagen wie an der Lichtigfeld-Schule nicht mehr automatisch freihabt? Dass die jüdischen Feiertage nicht mehr Teil des Schulalltags sind?
Yoel: Das macht mir nichts aus, aber ich vermisse meine alte Schule. Jetzt ist alles so unpersönlich.
Evelyn: Jeder kannte jeden, wir haben zusammengehört.
Celina und Ilona: Ja, man fühlte sich wohl und geborgen, und alle kannten die jüdischen Feiertage.

Das Gespräch führte Rivka Kibel.

Wajera

Awrahams Vermächtnis

Was wir vom biblischen Patriarchen über die Heiligkeit des Lebens lernen können

von Rabbiner Avraham Radbil  07.11.2025

Talmudisches

Rabbi Meirs Befürchtung

Über die falsche Annahme, die Brachot, die vor und nach der Lesung gesprochen werden, stünden im Text der Tora

von Yizhak Ahren  07.11.2025

Festakt

Ministerin Prien: Frauen in religiösen Ämtern sind wichtiges Vorbild

In Berlin sind zwei neue Rabbinerinnen ordiniert worden

 06.11.2025

Chassidismus

Im Sturm der Datenflut

Was schon Rabbi Nachman über Künstliche Intelligenz wusste

von Rabbiner David Kraus  06.11.2025

Rezension

Orthodoxer Rebell

Sein Denken war so radikal, dass seine Werke nur zensiert erschienen: Ein neues Buch widmet sich den Thesen von Rabbiner Kook

von Rabbiner Igor Mendel  06.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Lech Lecha

Im Sinne der Gerechtigkeit

Awraham war der Erste in der Menschheitsgeschichte, der gegen das Böse aufstand

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  31.10.2025