Talmudisches

Hillels Geduld

Warum Freundlichkeit, Sanftmut und Sorge um Mitmenschen von Vorteil sind

von Noemi Berger  08.03.2019 11:46 Uhr

Foto: Getty Images / istock

Warum Freundlichkeit, Sanftmut und Sorge um Mitmenschen von Vorteil sind

von Noemi Berger  08.03.2019 11:46 Uhr

Der Talmud enthält viele Anekdoten, die veranschaulichen sollen, warum man mit seinen Mitmenschen Geduld haben sollte. Der Held solcher Aggadot ist meistens Hillel. Unsere Meister des Talmuds lehren: »Ein Mensch sollte immer geduldig sein wie Hillel und nicht ungeduldig wie Schammai.« Aber wer waren Hillel und Schammai eigentlich?

Im ersten Jahrhundert v.d.Z. wanderte der aus Babylonien stammende Hillel ins Land Israel ein, um dort zu studieren, und wurde schließlich zum einflussreichsten Lehrmeister im jüdischen Leben. Er war bekannt für seine Freundlichkeit, Sanftmut und Sorge um seine Mitmenschen.

Hillel dagegen teilte Schammais Bedenken nicht und war daher in seinen Ansichten milder und nachgiebiger.

Hillels »Gegenspieler« war Schammai. Über ihn ist nur wenig überliefert. Er war für seine Strenge und Unnachgiebigkeit bekannt. Er war mürrisch und ungeduldig. Beide Männer lebten während der Regierungszeit von König Herodes, als die römischen Besatzer die Menschen im Heiligen Land unterdrückten. Schammai befürchtete, dass es die jüdische Gemeinde schwächen würde, wenn Juden zu viel Kontakt mit den Römern hätten.

Diese Haltung spiegelt sich in seiner strengen Auslegung des jüdischen Gesetzes wider. Hillel dagegen teilte Schammais Bedenken nicht und war daher in seinen Ansichten milder und nachgiebiger.

Frage In einer Aggada im Talmud (Schabbat 31a) lesen wir eine Geschichte über die unendliche Geduld Hillels: Es waren einmal zwei Männer, die wetteten, dass jeder, der Hillel dazu bringen könnte, seine Beherrschung zu verlieren, 400 Sus gewinnen würde. Es war der Vorabend des Schabbats, und Hillel wusch sich gerade die Haare. Einer der Männer kam zur Haustür hin­ein und rief: »Ist Hillel hier? Ist Hillel hier?«

Hillel wickelte ein Handtuch um seinen Kopf, kam heraus und fragte ihn: »Was willst du, mein Sohn?« »Ich habe eine Frage an Euch, Meister.« »Frag ruhig, mein Sohn«, erwiderte Hillel. Der Mann hatte sich einige Fragen ausgedacht, von denen er dachte, er könnte Hillel damit provozieren und ihn verärgern.

Er fragte: »Warum haben die Babylonier einen runden Kopf?« Hillel antwortete: »Oh, du hast eine sehr wichtige Frage gestellt. Der Grund dafür ist, dass die Babylonier keine gut ausgebildeten Hebammen haben.«

Antwort Der Mann bedankte sich, verließ Hillels Haus, kam aber nach kurzer Zeit wieder zurück und rief: »Ist Hillel hier?« Der Rabbi wickelte wieder das Handtuch um den Kopf, kam zu ihm heraus und fragte: »Was willst du, mein Sohn?« »Ich habe eine Frage.« Hillel sagte geduldig: »Frag, mein Sohn, und ich werde versuchen, dir zu antworten.«

Der Mann stellte seine Frage: »Warum schauen die Bewohner von Palmyra immer so triefäugig drein?« Auch auf diese Frage hatte Hillel eine Antwort. »Mein Sohn«, sagte er, »du hast eine wichtige Frage gestellt. Der Grund dafür ist, dass sie in einem sandigen Gebiet leben.«

»Rabbi, ich habe noch viele Fragen, aber ich fürchte, dass ich Euch damit reize und Euren Ärger heraufbeschwöre.«

Der Mann ging weg, wartete eine Weile, kehrte abermals zurück und rief: »Ist Hillel hier? Ist Hillel hier?« Der Rabbi, der immer noch mit dem Haarewaschen beschäftigt war, wickelte wieder das Handtuch um den Kopf, kam heraus und fragte: »Was willst du, mein Sohn?« »Warum haben die Afrikaner so breite Füße?«, fragte der Mann. »Da hast du wieder eine sehr wichtige Frage gestellt«, antwortete Hillel ein weiteres Mal. »Der Grund ist, dass sie in versumpften Gegenden leben, wo es sich auf breiten Füßen leichter fortbewegen lässt.«

Prinz Der Mann sagte: »Rabbi, ich habe noch viele Fragen, aber ich fürchte, dass ich Euch damit reize und Euren Ärger heraufbeschwöre.« Hillel faltete das Handtuch zusammen, setzte sich und sagte: »Bitte, mein Sohn, frage alles, was du möchtest, und ich werde antworten, so gut ich es kann.« »Seid Ihr der Hillel, den die Menschen in Israel Prinz nennen?« »Ja, der bin ich.« »Wenn dem so ist, dann möge es nicht viele wie Euch in Israel geben.«

Hillel fragte ganz verdutzt: »Warum sagst du das, mein Sohn?« »Weil ich durch Euch 400 Sus verloren habe«, erwiderte der Mann. Nun wusste Hillel, worum es dem Mann eigentlich ging, und sagte zu ihm: »Sei vorsichtig mit dem, was du sagst. Hillel ist es wert, dass du durch ihn 400 Sus und noch weitere 400 Sus verlierst. Seine Beherrschung jedoch wird Hillel niemals verlieren.«

Mezora

Die Reinheit zurückerlangen

Die Tora beschreibt, was zu tun ist, wenn Menschen oder Häuser von Aussatz befallen sind

von Rabbinerin Yael Deusel  18.04.2024

Tasria

Ein neuer Mensch

Die Tora lehrt, dass sich Krankheiten heilsam auf den Charakter auswirken können

von Yonatan Amrani  12.04.2024

Talmudisches

Der Gecko

Was die Weisen der Antike über das schuppige Kriechtier lehrten

von Chajm Guski  12.04.2024

Meinung

Pessach im Schatten des Krieges

Gedanken zum Fest der Freiheit von Rabbiner Noam Hertig

von Rabbiner Noam Hertig  11.04.2024

Pessach-Putz

Bis auf den letzten Krümel

Das Entfernen von Chametz wird für viele Familien zur Belastungsprobe. Dabei sollte man es sich nicht zu schwer machen

von Rabbiner Avraham Radbil  11.04.2024

Halacha

Die Aguna der Titanic

Am 14. April 1912 versanken mit dem berühmten Schiff auch jüdische Passagiere im eisigen Meer. Das Schicksal einer hinterbliebenen Frau bewegte einen Rabbiner zu einem außergewöhnlichen Psak

von Rabbiner Dovid Gernetz  11.04.2024

Berlin

Koscher Foodfestival bei Chabad

»Gerade jetzt ist es wichtig, das kulturelle Miteinander zu stärken«, betont Rabbiner Yehuda Teichtal

 07.04.2024

Schemini

Äußerst gespalten

Was die vier unkoscheren Tiere Kamel, Kaninchen, Hase und Schwein mit dem Exil des jüdischen Volkes zu tun haben

von Gabriel Rubinshteyn  05.04.2024

Talmudisches

Die Kraft der Natur

Was unsere Weisen über Heilkräuter lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  05.04.2024