Monat Elul

»Gott liebt jeden unendlich«

Herr Rabbiner Harety, an diesem Sonntag hat der Monat Elul begonnen – der Monat der Umkehr vor den Hohen Feiertagen. Wie haben Sie den neuen Monat in Ihrer Gemeinde in Lübeck begrüßt?
Wir hatten einen Gottesdienst zu Rosch Chodesch Elul, und ich habe in einer Predigt erklärt, worum es dabei geht. Ich bin erst einige Monate Rabbiner in Lübeck, und wir haben viele Mitglieder, die mit dem Brauch, im Elul eine Art Bilanz zu ziehen, nicht sehr vertraut sind.

Wie viele Leute sind gekommen?
Etwa 30. Im Moment halten wir die Gottesdienste im Keller einer provisorischen Synagoge ab, weil die Synagoge renoviert wird. Viel mehr Leute würden auch gar nicht in den Raum passen.

Im Elul soll man jeden Morgen das Schofar blasen. Gibt es in Lübeck denn einen täglichen Gottesdienst, bei dem Sie diesen Brauch pflegen können?

Ich blase das Schofar jeden Tag in der provisorischen Synagoge, aber es gibt nicht jeden Tag einen Minjan. Manchmal kommen nur zwei oder drei Leute. Aber ich organisiere jetzt schon Seminare und Vorträge zu den Themen der Hohen Feiertage. Wir haben nur zweimal die Woche einen regulären Gottesdienst, und bei uns ist es nicht üblich, Leute für die Teilnahme am Minjan zu bezahlen. Ich finde es sowieso besser, wenn die Leute freiwillig kommen.

Sie sind der erste Rabbiner in Lübeck, nachdem es in der Stadt 77 Jahre lang keinen Rabbi mehr gab. Im Monat Elul soll man intensiv über sein Leben nachdenken. Kommt diese Botschaft in Lübeck an?
Ich hoffe doch! Vielen Juden macht der Monat Elul erst einmal Angst – sie denken, sie müssten sich die ganze Zeit schuldig fühlen und an den Tag des Gerichts und an ihre Sünden denken.

Sollen sie das denn nicht?

In gewissem Maße schon. Aber ich glaube nicht, dass Gott will, dass wir uns vor ihm fürchten, sondern dass wir uns ihm näher fühlen. Wenn man Leuten Angst macht, entfernen sie sich von der Religion. Ich möchte das Gegenteil erreichen.

Nämlich?

Mein Anliegen ist es, dass die Leute Spaß am Glauben haben und sich nicht davor fürchten, dass Gott sie bestrafen will. Der Monat Elul ist einfach eine Vorbereitung auf die Hohen Feiertage. Es geht darum, ein neues Blatt aufzuschlagen. Man soll sich mit Freude darauf vorbereiten. Keiner soll eingeschüchtert werden – weil Gott jeden unendlich liebt.

Sie sind seit Pessach in Lübeck. Wie entwickelt sich das Gemeindeleben seitdem?
Ich habe das Gefühl, es gibt einen Neuanfang. Die Leute haben jetzt einen Rabbiner, der mit ihnen auf Augenhöhe spricht. Ich komme aus Israel, aber ich spreche auch Russisch, weil ich als junger Mann in Russland gearbeitet habe. Ich versuche, die Leute dort abzuholen, wo sie sind.

Wie viele Mitglieder hat die Lübecker Gemeinde?
Etwa 800. Die meisten kommen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion.

In fast drei Wochen beginnt Rosch Haschana. Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?
Ich wünsche mir, dass viele Leute zum Gottesdienst und zum Taschlich kommen – wir veranstalten das Ritual, bei dem man symbolisch die Sünden wegwirft, an Rosch Haschana am Krähenteich. Und ich wünsche mir, dass die Synagoge bald fertig ist!

Mit dem Rabbiner aus Lübeck sprach Ayala Goldmann.

Neujahr

Am achten Tag

Auch Jesus wurde beschnitten – für die Kirchen war das früher ein Grund zum Feiern

von Rabbiner Walter Rothschild  31.12.2025 Aktualisiert

Tradition

Jesus und die Beschneidung am achten Tag

Am 1. Januar wurde Jesus beschnitten – mit diesem Tag beginnt bis heute der »bürgerliche« Kalender

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  31.12.2025 Aktualisiert

Brauch

Was die Halacha über Silvester sagt

Warum man Nichtjuden am 1. Januar getrost »Ein gutes neues Jahr« wünschen darf

von Dovid Gernetz  31.12.2025

Meinung

Wer Glaubenssymbole angreift, will Gläubige angreifen

Egal ob abgerissene Mesusot, beschmierte Moscheen oder verwüstete Kirchen: Politik und Religion werden zurzeit wieder zu einem hochexplosiven Gemisch. Dabei sollte man beides streng trennen

 29.12.2025

Umfrage

Studie: Deutsche vertrauen Zentralrat der Juden signifikant mehr als der christlichen Kirche und dem Islam

Die Ergebnisse, die das Meinungsforschungsinstitutes Forsa im Auftrag des »Stern«, RTL und n-tv vorlegt, lassen aufhorchen

 23.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Wajigasch

Mut und Hoffnung

Jakow gab seinen Nachkommen die Kraft, mit den Herausforderungen des Exils umzugehen

von Rabbiner Jaron Engelmayer  19.12.2025

Mikez

Füreinander einstehen

Zwietracht bringt nichts Gutes. Doch vereint ist Israel unbesiegbar

von David Gavriel Ilishaev  19.12.2025