Berlin

»Gegenseitiger Respekt muss erlernt und praktiziert werden«

Foto: dpa

Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), hat vor Einschränkungen für jüdische Rituale in Deutschland gewarnt. Antisemitismus sei ein aktuelles Thema, dessen Wurzeln tief in die Geschichte reichten, sagte Grübel am Donnerstag bei einer Tagung in Berlin. Er verwies unter anderem auf die historische Haltung der Christen zu Juden von den Kreuzzügen bis zu den judenfeindlichen Ansichten Martin Luthers.

Fußend auf solchen Wurzeln und Verschwörungserzählungen gebe es bis heute Angriffe auf Juden und ihr Brauchtum. »Und das können wir nicht hinnehmen«, sagte er.

experten Grübel äußerte sich bei einer Tagung seines Amts in Kooperation mit der Evangelischen Akademie zu Berlin. Experten diskutierten dort anlässlich des Festjahres zu 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland über praktische Fragen der Religionsfreiheit. Konkret ging es um das Schächten von Tieren und die Beschneidung von Jungen. Beides hat für Juden und Muslime zentrale religiöse Bedeutung.

Gleichzeitig rief Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Muslime zu mehr Einsatz im Kampf gegen Judenfeindlichkeit auf. »Gegenseitiger Respekt zwischen Angehörigen verschiedener Religionen muss im Alltag erlernt und praktiziert werden – hier sehe ich auch die muslimischen Vertreter in der Pflicht«, sagte er am Donnerstag in seinem Videogrußwort.

In Deutschland ausgebildete Imame dürften nicht dulden, »dass der Islam oder die Politik Israels als Rechtfertigung missbraucht werden, um Juden anzugreifen«, meinte Schuster weiter. »Genauso, wie wir uns gegen Beleidigungen und Angriffe gegen Muslime einsetzen, erwarten wir auch deren öffentliche Solidarität – und die Solidarität aller Menschen, denen die Religionsfreiheit am Herzen liegt.«

eskalation Schuster erinnerte daran, dass im Mai während der jüngsten Eskalation des Nahost-Konflikts gewalttätige Demonstranten in Deutschland gezielt vor Synagogen aufmarschiert seien, antisemitische Parolen gebrüllt und zu Gewalt gegen Juden aufgerufen hätten. Zahlreiche Angriffe auf Gotteshäuser hätten »in ihrer Heftigkeit schockiert«. Jüdisches Leben in Deutschland sei in dieser Zeit in Mitleidenschaft gezogen worden.

An die Juden appellierte der Zentralratspräsident, als Religionsgemeinschaft selbstbewusst und auch zusammen mit anderen daran zu arbeiten, »dass unsere jüdischen Einrichtungen gut geschützt bleiben und wir uns mit unseren Symbolen nicht verstecken müssen«. Man könne sich nicht nur auf Forderungen beschränken, dass Polizei und Justiz die Täter konsequent verfolgen und sanktionieren müssten.

Der frühere Generalsekretär des Zentralrats der Juden und Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, erinnerte an die Beschneidungsdebatte in Deutschland im Jahr 2012. Ausgehend vom Strafurteil eines Gerichts wurde damals um eine zuletzt auch beschlossene gesetzliche Regelung gerungen, die Beschneidungen aus religiösen Gründen weiter ermöglichen sollte. In der Debatte waren Juden in Deutschland auch mit antisemitischen Angriffen konfrontiert.

gesetze Der Rabbiner der Kultusgemeinde Wien, Schlomo Hofmeister, sagte, ihm mache Sorge, dass es europäischen Ländern immer wieder um Gesetze gehe, die das Schächten – Voraussetzung für koscheres Fleisch – und Beschneidungen einschränken. Damit würde man jüdisches Leben praktisch unmöglich machen.

»Außerhalb der Gesetzesordnung kann es kein jüdisches Leben geben«, sagte er. Er verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das den EU-Staaten ein Verbot oder Einschränkungen für das Schächten ermögliche, und appellierte an die Länder, die Möglichkeit für die Form des Schlachtens beizubehalten.

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, sagte, es gebe eine zunehmende Bedrohung »für religiöses Leben, insbesondere jüdisches und muslimisches Leben, der wir uns politisch und gesellschaftlich mit allem entgegenstemmen müssen, was wir haben«. Zugleich betonte sie, dass es aus juristischer Sicht kein einziges Grundrecht gebe, das ohne Einschränkung gelte. Auch Religionsfreiheit gelte nicht ohne Einschränkungen durch andere Verfassungs- und Grundrechte. epd/kna

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