Talmudisches

Flöhe

Der Tanach nennt ihn als Beispiel für ein winziges, unbedeutendes Tier: der Floh Foto: Getty Images/iStockphoto

Der kleine Floh (hebräisch: Parosch) ist ein Begleiter der menschlichen Zivilisation. Er ernährt sich von tierischem oder menschlichem Blut. In den westlichen Industrienationen begegnen wir ihm heute in der Regel noch im Freien und nur selten in unseren Wohnungen. Menschen bemerken seine Nähe oft durch Stiche auf der Haut. Diese können auch Bakterien übertragen. Der Rattenfloh übertrug einst die Pest. Ein kleines Tier mit maximaler Wirkung für die menschliche Zivilisation.

Der Tanach nennt ihn als Beispiel für ein winziges, unbedeutendes Tier. Im 1. Buch Schmuel wird der Floh gleich zweimal genannt. Zunächst (24,15) heißt es: »Hinter wem zieht der König von Israel her? Wen verfolgst du? Einen toten Hund, einen Floh?« Später heißt es dann: »So möge denn mein Blut nicht zur Erde fallen, was Gʼtt nicht will; da der König von Israel ausgezogen ist, einen Floh zu suchen, wie man ein Rebhuhn im Gebirge verfolgt« (26,20).

Der Floh erscheint unbedeutend, aber dennoch war er den Menschen lästig, ohne dass diese über die vollen Konsequenzen eines Flohstichs wussten. Warum sonst sollte der Talmud Jeruschalmi (Moed Katan 3,1) schildern, wie Rabbiner Schimon ben Elieser seine Kleidung in der Sonne nach Flöhen durchsuchen ließ.

Das Thema, ob man am Schabbat Flöhe entfernen darf, scheint virulent gewesen zu sein

Das Thema, Flöhe zu entfernen, scheint virulent gewesen zu sein. Auch am Schabbat. Bei der Diskussion über die Entfernung von Flöhen am Schabbat erfahren wir beiläufig, dass die Rabbiner den Floh und seine Lebensgewohnheiten nicht sehr genau studiert hatten. Jedenfalls wussten sie nicht, wie er sich fortpflanzt. Denn im Talmud wird er zu den Tieren gezählt, die sich durch Geschlechtsverkehr fortpflanzen und deshalb am Schabbat nicht getötet werden dürfen: »Aber der Floh pflanzt sich ja fort« (Schabbat 107b), so heißt es dort. Damit ist jene Art und Weise gemeint, die nicht das Legen von Eiern einschließt.

Wenn der Midrasch die Nacht vor dem Empfang der Tora diskutiert (Schir Haschirim Rabba 1,12), erfahren wir indirekt, dass Flohstiche in der Nacht keine Seltenheit waren, denn in dieser Nacht schliefen die Kinder Israels so gut, dass »Rabbi Judan sagte: Nicht einmal ein Floh hat sie gestochen«.

Aus den genannten Unannehmlichkeiten betrachtet der Midrasch (Bereschit Rabba 5) Flöhe zunächst als Teil eines Fluchs: »Gʼtt sprach: ›Lass die Erde Gras sprießen‹ – so wird im Namen von Rabbi Natan gelehrt: Es waren drei, die vor Gericht gestellt wurden, aber es waren vier, die sich als haftbar erwiesen (…): Adam, Chawa und die Schlange wurden vor Gericht gestellt, und der Boden wurde zusammen mit ihnen verflucht, wie es heißt: ›Verflucht ist der Boden um euretwillen‹ (1. Buch Mose 3,17) – er wird euch verfluchte Dinge hervorbringen, wie Mücken, Fliegen und Flöhe. Rabbi Jitzchak sprach: ›Aber selbst diese sind nützlich.‹«

Etwas später heißt es: »Die Rabbiner sagen: Auch Dinge, die ihr in der Welt für überflüssig haltet, wie Fliegen, Flöhe und Mücken, auch sie sind in der Schöpfung der Welt enthalten, und durch sie alle führt der Heilige, gepriesen sei Er, Seine Aufträge aus – sogar durch eine Schlange, sogar durch eine Mücke, sogar durch einen Frosch« (Bereschit Rabba 10).

Es versteht sich von selbst, dass der Floh nicht koscher ist

Es versteht sich von selbst, dass der Floh (als Insekt) nicht koscher ist. Dennoch wird diskutiert, welchen Status eine Person hat, die einen Floh verzehrt. Ist jemand, der absichtlich ein unkoscheres Insekt verzehrt, das kein besonderer Leckerbissen zu sein scheint, ein »Abtrünniger« oder ein »Ketzer«? Tut er es um der Provokation willen? Dann wäre er ein Ketzer. So heißt es in Awoda Sara (26b): »Hat er einen Floh oder eine Mücke gegessen, dann ist er Abtrünniger. Solches geschah ja aus Trotz, und er lehrt, er sei Abtrünniger. Damit wollte er nur den Geschmack des Verbotenen kosten.«

Unter der rabbinischen Prämisse, dass jedes Tier seinen Auftrag ausführt, ist der aktuelle Verlust von Arten ein Eingreifen in den Plan Gʼttes.

Was passiert übrigens mit Flöhen am Schabbat? Der Schulchan Aruch (Orach Chaim 316) griff das Thema später wieder auf: »Ein Floh, der auf Arabisch Bargut genannt wird, darf nur gefangen werden, wenn er sich auf dem Körper befindet und beißt, er darf jedoch nicht getötet werden.«

Schoftim

Recht sprechen

Eine Gesellschaft hat nur dann eine Zukunft, wenn sie sich an ihrer moralischen Gesetzgebung orientiert

von Rabbiner Avraham Radbil  29.08.2025

Talmudisches

Der heimliche Verbrecher

Über Menschen, die nicht aus Wahrheit, sondern aus Selbstdarstellung handeln

von Vyacheslav Dobrovych  29.08.2025

Kiddusch Haschem

»Ich wurde als Jude geboren. Ich werde als Jude sterben«

Yarden Bibas weigerte sich gegenüber den Terroristen, seinen Glauben abzulegen. Wie viele vor ihm lehnte er eine Konversion ab, auch wenn ihn dies beinahe das Leben gekostet hätte

von Rabbiner Dovid Gernetz  28.08.2025

Israel

Rabbiner verhindert Anschlag auf Generalstaatsanwältin

Ein Mann hatte den früheren Oberrabbiner Jitzchak Josef um dessen religiöse Zustimmung zur »Tötung eines Aggressors« ersucht. Die Hintergründe

 26.08.2025 Aktualisiert

Re'eh

Freude, die verbindet

Die Tora zeigt am Beispiel der Feiertage, wie die Gemeinsamkeit gestärkt werden kann

von Vyacheslav Dobrovych  22.08.2025

Elul

Der erste Ton des Schofars

Zwischen Alltag und Heiligkeit: Der letzte Monat vor dem Neujahr lädt uns ein, das Wunderhafte im Gewöhnlichen zu entdecken

von Rabbiner Raphael Evers  22.08.2025

Talmudisches

Positiv auf andere schauen

Was unsere Weisen über den Schutz vor bösem Gerede und die Kraft positiver Gedanken lehren

von Diana Kaplan  21.08.2025

Naturphänomene

Entzauberung des Gewitters

Blitz und Donnergrollen wurden lange als Zorn der Götter gedeutet. Doch die Tora beendete diesen Mythos

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  21.08.2025

Fulda

Vor 80 Jahren - Schuldbekenntnis der Bischöfe nach dem Krieg

Sie stand im Zenit ihres Ansehens. Nach Kriegsende galt die katholische Kirche in Deutschland als moralische Macht. Vor 80 Jahren formulierten die Bischöfe ein Schuldbekenntnis, das Raum für Interpretationen ließ

von Christoph Arens  18.08.2025