Talmudisches

Ein Gladiator im Lehrhaus

In der Antike verkaufte sich aus finanzieller Not so mancher Mann als Gladiator. Foto: imago/Cinema Publishers Collection

Talmudisches

Ein Gladiator im Lehrhaus

Wie Resch Lakisch Rabbiner wurde

von Rabbinerin Antje Yael Deusel  23.04.2018 19:32 Uhr

Eine der schillerndsten Persönlichkeiten des Talmuds ist Rabbi Schim’on ben Lakisch, bekannt als Resch Lakisch. Er gehört zu den bedeutendsten Amoräern im Eretz Jisrael des dritten Jahrhunderts u.Z. Er lebte in Tiberias, wie auch sein Schwager Rabbi Jochanan, mit dessen Schwester er verheiratet war.
Um die Person des Resch Lakisch ranken sich etliche Legenden, und auch im Talmud ist er mehrfach erwähnt.

Dort erfahren wir zudem von seiner großen Frömmigkeit und Integrität. Es hieß, man könne einem jeden ohne weitere Garantien Geld leihen, den man mit Resch Lakisch öffentlich reden sehe, denn dieser pflegte sich nur mit entsprechend aufrichtigen Menschen abzugeben. Es sind uns viele gelehrte Dispute zwischen Resch Lakisch und Rabbi Jochanan überliefert. Doch war Resch Lakisch nicht von Anfang an ein Gelehrter.

Lebensgefahr Im Talmud (Gittin 46b/47a) lesen wir von Schuldnern, die sich aus finanzieller Not selbst als Sklaven verdingen, und unter welchen Bedingungen sie von der jüdischen Gemeinschaft auszulösen seien, so auch jene, die sich als Gladiatoren verkauften und sich damit in Lebensgefahr brachten, wenn auch aus eigenem Antrieb.

In diesem Zusammenhang nun wird als Beispiel Resch Lakisch genannt, der allerdings keineswegs darum gebeten hatte, dass man ihn aus dem Gladiatorenstand auslöst. Um diese Angelegenheit kümmerte er sich schon persönlich, nämlich mittels eines Steins, den er in einem Sack versteckt hatte. Er wusste, dass man ihn am folgenden Tag in der Arena getötet hätte, und da ihm in einem solchen Fall ein letzter Wunsch freistand, veranlasste er seine Gegner, sich von ihm fesseln und anderthalb Schläge mit dem genannten Säckchen geben zu lassen, wobei er den Stein darin wohlweislich verschwieg.

Auf diese Weise erledigte er seine Gegner und war ein freier Mann. Möglicherweise verdiente er seinen weiteren Lebensunterhalt als Bandit, denn in Baba Mezia 84a spricht er davon, dass er einst ein geachteter Anführer von Räubern gewesen sei. In dieser Eigenschaft lernte ihn auch sein späterer Schwager Rabbi Jochanan kennen und bewegte ihn dazu, sich dem Studium der Tora zu widmen.

Er soll zu ihm gesagt haben: »Deine Kraft für die Tora!« Damit meinte er sicherlich nicht nur die körperliche Kraft des Mannes, dem er seine Schwester zur Frau gab, sondern auch dessen scharfen Verstand.

GEnussmensch Resch Lakisch ist jedoch auch ein Beispiel dafür, dass Gelehrsamkeit nicht gleichbedeutend ist mit Askese. Das Traktat Gittin 47a beschreibt ihn durchaus als Genussmenschen, der nicht nur stark, sondern offenbar auch ziemlich dick war, denn Essen und Trinken waren ihm wichtig. Und nachdem er angefangen hatte, ins Lehrhaus zu gehen, betätigte er sich wohl auch nicht mehr übermäßig körperlich, sondern »er saß, aß und trank«.

Als ihn seine Tochter einmal darauf ansprach, ob er sich nicht eine weiche Unterlage anschaffen wolle, meinte er, dies sei nicht nötig, er liege doch schön weich auf seinem Bauch als Kissen. Aufgrund dieser Lebensweise war es ihm allerdings nicht möglich, seiner Familie ein Vermögen zu hinterlassen. Ein »kleines Maß Saf­ran«, also eine eher mickrige Erbschaft, sei es gewesen, und sogar um dies habe es ihm leidgetan, es nicht für sich selbst verbraucht zu haben.

Ob er wirklich ein solcher Egoist gewesen ist, wie er hier beschrieben wird, sei dahingestellt. Trotz allem war er ja doch ein Mann, der für seine Familie sorgte. Seine Frau stand zu ihm, sogar gegen Rabbi Jochanan, ihren Bruder; seine Kinder waren klug und gebildet (Ta’anit 9a).

Frühere Generationen schätzten an ihm vor allem seine geistigen Fähigkeiten. Heute dagegen gilt er vielen gar als »talmudisches Idol des Muskeljudentums«, und man würdigt damit auch seine andere Seite, die physische Stärke.

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025

Talmudisches

Torastudium oder weltliche Arbeit?

Was unsere Weisen über das rechte Maß zwischen Geist und Alltag lehren

von Detlef David Kauschke  14.11.2025

Chaje Sara

Bewusster leben

Sara hat gezeigt, dass jeder Moment zählt. Sogar ihr Schlaf diente einem höheren Ziel

von Samuel Kantorovych  13.11.2025

Spurensuche

Von Moses zu Moses zu Reuven

Vor 75 Jahren starb Rabbiner Reuven Agushewitz. Er verfasste religionsphilosophische Abhandlungen mit einer Intensität, die an Maimonides und Moses Mendelssohn erinnert. Wer war dieser Mann?

von Richard Blättel  13.11.2025

Wajera

Awrahams Vermächtnis

Was wir vom biblischen Patriarchen über die Heiligkeit des Lebens lernen können

von Rabbiner Avraham Radbil  07.11.2025

Talmudisches

Rabbi Meirs Befürchtung

Über die falsche Annahme, die Brachot, die vor und nach der Lesung gesprochen werden, stünden im Text der Tora

von Yizhak Ahren  07.11.2025

Festakt

Ministerin Prien: Frauen in religiösen Ämtern sind wichtiges Vorbild

In Berlin sind zwei neue Rabbinerinnen ordiniert worden

 06.11.2025

Chassidismus

Im Sturm der Datenflut

Was schon Rabbi Nachman über Künstliche Intelligenz wusste

von Rabbiner David Kraus  06.11.2025

Rezension

Orthodoxer Rebell

Sein Denken war so radikal, dass seine Werke nur zensiert erschienen: Ein neues Buch widmet sich den Thesen von Rabbiner Kook

von Rabbiner Igor Mendel  06.11.2025