Mezora

Die Reinheit zurückerlangen

In biblischen Zeiten hätte man vermutlich von Aussatz gesprochen: Eine Putzkraft beseitigt Schimmel von einer Hauswand. Foto: Getty Images/iStockphoto

Der Wochenabschnitt Mezora ist kein besonders angenehmer Text, und ein rabbinischer Kollege hat einmal gesagt, er habe Mitleid mit all den Barmizwa-Jungen und Batmizwa-Mädchen, denen ausgerechnet diese Parascha zufalle. In Fortsetzung der vorhergehenden Parascha Tasria mit der Beschreibung, welche Symptome den Befall von Aussatz beim Menschen und an Kleidungsstücken anzeigen, geht es in Mezora zunächst um Maßnahmen zur Wiedererlangung der Reinheit.

Danach beschäftigt sich die Parascha mit dem Befall von Bauwerken. Doch wie kann ein Haus von Aussatz befallen sein? Heutzutage würde man vermutlich von Schimmelpilzbefall ausgehen, vielleicht auch von gesundheitsschädlichem Baumaterial. Eine direkte Übertragung von Aussatz wie die Ansteckung von Mensch zu Mensch war wohl nicht gemeint.

Sonst wäre hier nicht davon die Rede, dass der vorübergehende Aufenthalt in einem betroffenen Haus lediglich bis zum Abend unrein machte, und dass man in dem Fall nur verpflichtet war zu baden, die getragene Kleidung zu wechseln und diese sorgfältig zu waschen. Zudem wurde auch nicht der gesamte Hausrat für unrein und damit insgesamt für unbenutzbar erklärt. Das Haus sollte von den Bewohnern ausgeräumt werden, bevor es vom Kohen, dem Priester, infolge des Schadbefalls versiegelt wurde.

Die Tora beschreibt, wie man ein solches Haus zu behandeln hatte, um es wieder in Ordnung zu bringen, nämlich den Putz abschlagen, eventuell schadhafte Steine austauschen, die Wände neu tünchen. Falls der Befall allerdings wieder auftrat, blieb nichts anderes übrig, als das Haus abzureißen. Den gesamten Bauschutt musste man dann außerhalb der Ortschaft entsorgen.

Während heute die Bauaufsichtsbehörde oder das Ordnungsamt zur Begutachtung kommt, war es zur damaligen Zeit der Kohen, der diese Aufgabe zu erfüllen hatte. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Ausdruck, dass der Kohen das Haus nach sorgfältiger Untersuchung nicht einfach wieder für rein erklärte, sondern dass er das Haus entsündigte. Wie ist das zu verstehen, ein Haus kann ja nicht sündigen? Gemeint ist ein Vorgang zur Bestätigung der rituellen Reinheit, damit das Haus wieder als bewohnbar galt.

Die rituelle Zeremonie für ein Haus war fast die gleiche wie für einen geheilten Menschen

Diese rituelle Zeremonie für ein Gebäude war beinahe die gleiche wie für einen vom Aussatz geheilten Menschen. Allerdings mutet uns das hier beschriebene Opferritual doch ein wenig seltsam an. Zwei kleine Vögel, der eine wird über einem Gefäß mit lebendigem Wasser geschlachtet, der andere wird in das Blut des ersten getaucht, dann lässt man ihn fliegen.

Beinahe ist man versucht, an ein magisches Ritual zu denken. Doch gleichzeitig erinnert es auch an die beiden Böcke zu Jom Kippur. In jedem Fall war es eine Handlung von hohem Symbolcharakter: Der Genesene hatte dem Tod ins Auge gesehen. Nach damaliger Auffassung wurde er von den Mitmenschen gar wie ein »lebendiger Toter« betrachtet, hatte er doch keinerlei Anteil am Leben in der Gemeinschaft, solange er als infektiös galt. Er kehrte nach seiner Heilung quasi vom Tod ins Leben zurück, was durch die beiden Vögel versinnbildlicht wurde, von denen der eine tot zurückblieb, der zweite wieder in die Natur hinausfliegen konnte.

Auch das lebendige Wasser war ein Symbol, denn der Genesene ging sich und seine Kleidung sorgfältig waschen, tauchte im lebendigen Wasser der Mikwe unter und kehrte auf diese Weise neu ins Leben zurück. Die gleiche Symbolik galt im übertragenen Sinn auch für ein Gebäude, daher wird das Ritual in Bezug auf das befallene Haus in unserer Parascha ein zweites Mal beschrieben. Und nachdem ein Haus nicht untertauchen kann, besprengte es der Kohen stattdessen mit lebendigem Wasser.

Nun geht es in Mezora aber auch noch um eine ganz andere Form von Unreinheit, in Form von Ausscheidungen der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane. Hier werden zwei sehr unterschiedliche Dinge genannt. Im ersten Fall geht es um möglicherweise ansteckende Erkrankungen, die durch entsprechenden Kontakt übertragen werden. Beim zweiten Fall handelt es sich um natürliche Ausscheidungen im Zusammenhang mit Fruchtbarkeit und Fortpflanzung, sowohl bei Männern als auch bei Frauen.

Dieser Textabschnitt bildet unter anderem die Basis für die Nidda-Gebote. Wohl ist auch hier von Absonderung, Nidda, die Rede, doch im Gegensatz zu einem Menschen, der an Aussatz erkrankt war, handelt es sich dabei nicht um eine Entfernung der Person, insbesondere einer Frau zur Zeit ihrer Regel, aus ihrem normalen Lebensumfeld. Es heißt an dieser Stelle lediglich, dass der Kontakt mit einem Menschen, der als unrein galt, ebenfalls vorübergehend unrein macht.

Dabei geht es wohlgemerkt nicht um Unsauberkeit, sondern um rituelle Unreinheit, wie das Wort »tame« an dieser Stelle verdeutlicht. Das entbindet die Betroffenen jedoch nicht von geeigneten hygienischen Maßnahmen. So heißt es, dass jemand dann unrein wird, wenn er berührt wird von einer unreinen Person, bevor diese sich die Hände gewaschen hat.

In Bezug auf Kaschrut und auf Sexualität ist Blut strikt zu meiden

In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Bedeutung von Blut in der Halacha. In Bezug auf Kaschrut und auf Sexualität ist Blut strikt zu meiden. Gleichzeitig war es aber ein wichtiger Bestandteil zur Entsühnung im Opferdienst der Tempelzeit, und es ist Teil der Brit Mila als Zeichen des Bundes mit dem Ewigen.

Wie kann es sein, dass Blut einmal unrein macht und einmal rein? Nun, Blut wurde seit jeher als Träger der Lebenskraft angesehen. In der Tora (3. Buch Mose 17,11) heißt es: »Ki nefesch ha-basar ba-dam« – denn im Blut ist das Leben, oder auch die Seele, eines Lebewesens enthalten. Dies gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere, im Fall der Opfertiere ebenso wie in der Schechita.

Blut birgt das Mysterium des Lebens in sich. Damit steht es eher in der Bedeutung von tabu anstelle von tame, unrein. Blut ist in diesem Sinn etwas Unantastbares, womöglich Heiliges. So betrachtet mag uns das vielleicht auch eine andere, positive Sicht auf Frauen und ihren Monatszyklus vermitteln. Nidda und Mezora sind schließlich grundverschiedene Dinge.

Die Autorin ist Rabbinerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Mischkan ha-Tfila Bamberg und Mitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK).

inhalt
Im Wochenabschnitt Mezora wird die Reinigung von Menschen beschrieben, die von Aussatz befallen sind. Außerdem schildert die Parascha, wie mit Unreinheiten durch Aussonderungen der Geschlechtsorgane umzugehen ist.
3. Buch Mose 14,3 – 15,33

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