Talmudisches

Die Heilkraft des Spargels

Die Rabbinen lehrten, dass ein Spargeltrank gut für Herz und Augen, ganz besonders aber für die Verdauung ist. Foto: Getty Images

Frühlingszeit ist Spargelzeit – die Ernte des edlen Gemüses endet mit dem Beginn des Sommers. Besonders gern genießt man heute den Spargel mit Weißwein. Dies war bereits zu talmudischer Zeit bekannt, wenn auch in anderer Form. Man kombinierte offenbar beides und stellte daraus einen Spargeltrank her, welcher der Gesundheit dienen sollte.

Wurzel Schon der griechische Arzt Hippokrates beschreibt sowohl die Spargelwurzel als auch einen daraus gepressten Saft als Heilmittel. Manchmal wurde die Wurzel auch getrocknet und dann mit einer alkoholhaltigen Flüssigkeit zur Tinktur vermischt, wie es noch heute bei vielen pflanzlichen Arzneien geschieht. Dabei dient der Alkohol als Träger für den Wirkstoff und konserviert ihn gleichzeitig.

Im Talmud (Berachot 51a) erfahren wir, dass die Rabbinen lehrten, ein solcher Spargeltrank sei gut für Herz und Augen, ganz besonders aber für die Verdauung. Zwar schrieben die Weisen jener Zeit die positive Wirkung für das Herz dem Weinanteil zu. Das dürfte allerdings eher subjektiv der Fall gewesen sein. Denn die eigentliche herzstärkende Komponente beruht wohl vorwiegend auf dem entwässernden Faktor des Spargels selbst.

Auch die Verbesserung der Verdauung ist leicht zu erklären, zumal der Spargel, als Gemüse genossen, ein faserreiches Gewächs ist. Darüber hinaus wirkt er entgiftend auf die Leber. Außerdem ist der Spargel vitamin- und mineralstoffreich, was tatsächlich gut für die Augen ist. Allzu viel ist jedoch ungesund, und so heißt es an gleicher Stelle im Talmud, man solle den Trank nicht im Übermaße zu sich nehmen, denn dann sei er schädlich – wobei das für den Spargel freilich genauso gilt wie für den Wein.

Diskussion Unter den Gelehrten entstand eine Diskussion um eine Baraita, in der Spargel als wohltuend für Herz, Augen und Milz beschrieben wird, aber als schädlich für Kopf, Darm und Hämorrhoiden oder auch den Unterleib. Denn eine andere Baraita lehrte genau das Gegenteil.

Die Gemara löst das Problem auf folgende Weise: Sie besagt, gut sei der Spargeltrank für Herz, Augen und Milz, wenn er aus Wein hergestellt werde, und schlecht sei er für dieselben Organe, wenn man stattdessen das Heilgetränk mit Bier angesetzt habe.

Zwei weitere Baraitot sorgten für Diskussionsbedarf. Sie widersprachen sich nämlich darin, ob man nach dem Trinken des Spargelgebräus ausspucken sollte oder nicht. Hier beschied die Gemara, man solle unbedingt nach dem Trinken von Spargelwein ausspucken – selbst wenn man vor einem König stehe, wie Rav Aschi sagt. Denn offenbar war der Nachgeschmack nicht gerade angenehm. Aber das Spargelbier könne man getrost hinunterschlucken, ohne den letzten Rest mit dem Speichel auszuspucken.

In jedem Fall wurde aber empfohlen, nach dem Trinken noch etwas feste Nahrung zu sich zu nehmen, am besten Gemüse der gleichen Art. Bei Spargelbier war dabei auch Brot erlaubt.

Besonders lecker mag der Spargeltrank nicht gewesen sein. Denn der Talmud lehrt, man solle zwar unverdünnt einen ganzen Becher davon trinken, jedoch ohne abzusetzen, vermutlich wegen des gewöhnungsbedürftigen Geschmacks.

Aberglauben Bei aller Weisheit waren die Talmudgelehrten allerdings doch nicht ganz frei von einem gewissen Aberglauben. So bestanden sie darauf, dass man sich den Spargelbecher stets in die rechte Hand geben lassen solle und ihn dann zum Trinken in die linke Hand nehme. Außerdem dürfe man den leeren Becher nur derjenigen Person zurückgeben, die ihn zuvor gereicht habe, sonst könne man womöglich von Dämonen angegriffen werden.

Unbestritten ist jedoch, dass unsere Weisen genaue Beobachter waren und bereits vieles über den gesundheitsfördernden Einfluss der Inhaltsstoffe des Spargels wussten, noch lange bevor deren exakte Zusammensetzung und genaue Wirkweise als solche überhaupt bekannt waren.

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  25.11.2025

Konzil

»Eine besondere Beziehung«

»Nostra Aetate« sollte vor 60 Jahren die Fenster der katholischen Kirche weit öffnen – doch manche blieben im christlich-jüdischen Dialog verschlossen. Ein Rabbiner zieht Bilanz

von David Fox Sandmel  21.11.2025

Toldot

An Prüfungen wachsen

Warum unsere biblischen Ureltern Hungersnöte und andere Herausforderungen erleben mussten

von Vyacheslav Dobrovych  20.11.2025

Kalender

Der unbekannte Feiertag

Oft heißt es, im Monat Cheschwan gebe es keine religiösen Feste – das gilt aber nicht für die äthiopischen Juden. Sie feiern Sigd

von Mascha Malburg  20.11.2025

Talmudisches

Gift

Was unsere Weisen über die verborgenen Gefahren und Heilkräfte in unseren Speisen lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  20.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025