Talmudisches

Die Grenzen Eretz Israels

Wenn das Volk im Sinne des Schöpfers handelt, kann eine fruchtbare Verbindung von Land und Volk entstehen, welche die gesamte Welt bereichert. Foto: Getty Images/iStockphoto

Talmudisches

Die Grenzen Eretz Israels

Die Weisen diskutierten darüber, welche Gewässer und Inseln zum Land gehörten und welche nicht

von Vyacheslav Dobrovych  22.06.2023 07:59 Uhr

Im Judentum hat Eretz Israel, das Heilige Land, nicht nur eine politische Relevanz, sondern auch eine rechtliche. Denn in Israel gelten bestimmte biblische und rabbinische Regeln, die im Ausland nicht gelten. Daher ist es wichtig zu wissen, was die konkreten Grenzen des Landes sind.

Im Traktat Gittin (8a) wird diskutiert, welche Gewässer und Inseln zu Israel gehören und welche außerhalb von Israel liegen. Es geht in einer der Diskussionen darum, wie sich das Schreiben von Scheidebriefen in Israel von dem außerhalb Israels unterscheidet. Aus diesem Grund möchten unsere Weisen den Begriff »Eretz Israel« konkret definieren.

Der Talmud berichtet von widersprüchlichen Meinungen. Laut den Weisen muss eine imaginäre Linie vom nordsyrischen Kefalorya zur Mündung des Wadi El Arisch ins Mittelmeer gezogen werden. Alle Gewässer innerhalb dieser Linie sind Gewässer, deren Inseln für die relevanten Gesetze als Israel gelten.

KERNLAND Durch die gesamten Schriften hindurch finden wir sehr verschiedene Grenzbeschreibungen. Zwar gehören Städte wie Jerusalem oder Hebron immer zum Kernland, aber je weiter man sich vom Kernland entfernt, desto strittiger wird es.

Laut der Tora (1. Buch Mose 15, 18–29) erstreckt sich Eretz Israel vom Euphrat bis zum »Fluss von Ägypten«, der von vielen als der Nil identifiziert wird. Im 5. Buch Mose (11,24) heißt es: »Von der Wüste (dem Negev als südlicher Grenze) bis an den Berg Libanon (als nördlicher Grenze) und vom Strom Euphrat (als östlicher Grenze) bis ans (Mittel-)Meer im Westen soll euer Gebiet sein.«

In der Mischna (Gittin 1,2) werden Aschkelon als südliche Grenze und Akko als nördliche Grenze benannt. Dort finden wir auch folgendes Zitat: »Laut Rabbi Jehuda befindet sich Akko selbst außerhalb (des Landes), Rabbi Meir widerspricht.«

Maimonides, der Rambam (1138–1204), gibt eine endgültige halachische Entscheidung zu den Grenzen vor und löst damit scheinbare Widersprüche auf (Terumot Kapitel 1). Dennoch ist klar: Innerhalb des Judentums gibt es viele verschiedene Positionen zu der Frage »Was ist Israel?«.

BEDINGUNGEN Trotz der Unklarheiten zur Grenz­definition scheint aus der Tora klar hervorzugehen, dass das Leben in Israel an Bedingungen geknüpft ist. Das jüdische Volk kann die Kontrolle über das Land Israel verlieren, wenn es nicht im Einklang mit seiner Mission handelt. Der Talmud sagt, der Tempel sei durch den Hass der Juden untereinander zerstört worden (Joma 9b). Die römische Invasion und das Exil sind in der Welt der Tora und des Talmuds nur eine irdische Manifestation dessen, was in der spirituellen Welt durch den Hass im Herzen zerstört wurde.

Das Volk Israel wird aufgefordert, ein »Königreich von Priestern« (2. Buch Mose 19,6) zu sein: ein Volk, das die Schwachen schützt, die Fremden liebt, in Eintracht und Liebe miteinander lebt – ein Volk, das eine Vorbildfunktion übernimmt. Das Land Israel gilt als Land der Wunder, ein Land mit einer besonderen Beziehung zum Schöpfer. »Ein Land, auf das Haschem, dein Gʼtt, achtgibt« (5. Buch Mose 11,12).

Es kann eine unglaublich fruchtbare Verbindung von Land und Volk entstehen, welche die gesamte Welt bereichert. Voraussetzung ist allerdings, dass das Volk im Sinne des Schöpfers handelt. Geschieht dies nicht, so wird das Volk laut der Tora (für eine bestimmte Zeit) ins Exil geschickt: »Und ihr werdet herausgerissen werden aus dem Land (…). Denn Gʼtt wird dich zerstreuen unter alle Völker von einem Ende der Erde bis ans andere« (28,64).

Zu den oben genannten unterschiedlichen Positionen kommt es durch eine enge historische und spirituelle Verbindung des jüdischen Volkes mit dem Land Israel. Diese Verbindung hat sich in einigen Fällen und in verschiedenen Epochen der Antike auf unterschiedliche Orte der Region bezogen. Heute liegt es an uns, alles dafür zu tun, dass diese Verbindung stabil und fruchtbar bleibt.

Lech Lecha

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