Wüstenwanderung

»Das dir der Ewige geschenkt hat«

Nach Jahren der Sklaverei und einer langen Wanderung durch die Wüste erhalten die Israeliten ein eigenes Land. Foto: Getty Images / istock

Wüstenwanderung

»Das dir der Ewige geschenkt hat«

Mosche sagt den Israeliten, sie sollen das Land in Besitz nehmen und Gott immer dafür danken

von Rabbiner Walter Rothschild  27.08.2018 19:02 Uhr

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In der vergangenen Woche hat unsere Parascha mit den Worten »Ki Teze« angefangen (»Wenn du herausgehst« – um gegen deine Feinde zu kämpfen). Diese Woche beginnt der Abschnitt mit »Ki Tawo« (»Wenn du kommst« in das Land, das Gott dir versprochen und geschenkt hat).

Das ist ein interessanter Kontrast. Natürlich werden in den beiden Wochenabschnitten sehr viele verschiedene Themen angesprochen, aber man kann zumindest diese Anfangsworte als ein Beispiel dafür sehen, wie es im Krieg ist und wie es im Frieden sein könnte.

Generation Ein eigenes Land! War das ein Traum der Israeliten, als sie in Ägypten als Sklaven lebten und arbeiteten? Oder der nächsten Generation, die nur die Wüste kannte?

Jetzt ist Mosche alt und muss sich verabschieden. Doch vorher muss er dafür sorgen, dass die Israeliten eine Identität als Volk ausbilden, von Gott auserkoren und unterstützt. Sie sollen verinnerlichen, dass sie ein Volk sind, dem der Ewige ein Versprechen gegeben und mit dem Er einen Bund geschlossen hat – mit entsprechenden Pflichten.

Sie sollen das Land in Besitz nehmen. Merkwürdig, wie viele Menschen es auch heute noch als außergewöhnlich betrachten, dass den Juden ein Stück Land am Ostrand des Mittelmeeres gehört – wo doch Friesen, Pruzzen, Sachsen, Bajuwaren und viele andere Volksstämme im Laufe der Geschichte auch Länder besiedelt haben ...

Bereits im 5. Buch Mose 2 hatte Mosche einen Teil der bewegten Geschichte dieser Region erklärt, zum Beispiel: Der Ewige vertilgte die Horiter in Se’ir und gab deren Land den Nachkommen Esaws (Vers 22).

Oder Vers 23: Die Awiter lebten früher bis weit hinein nach Gaza. Doch dann kamen die Kaphtoriter aus Kaphtor, vernichteten sie und wohnten dort an ihrer statt.

Das ist ein sehr interessanter Vers, denn er impliziert, dass die Menschen, die heute in Gaza leben, nicht schon immer dort waren, sondern sie sind Nachkommen von Eroberern.

Opfer Mosche sagt zu jedem Einzelnen im Volk: Wenn du in dieses Land gekommen bist und dort in Sicherheit und Wohlstand lebst, sollst du nicht vergessen, dankbar zu sein, und als Zeichen dafür Gott die ersten Früchte schenken. Und du sollst daran denken, dass deine Vorfahren heimatlose Nomaden waren, die nach Ägypten ziehen mussten, dort versklavt wurden und nur durch Gottes Hilfe gerettet wurden.

Heute ist das ein sehr wichtiger Teil des Pessach-Seders. Wir sollen das nie vergessen: Wir als Volk sind aus dem Nichts gekommen. Alles, was wir erreicht und gewonnen haben, ist Gott zu verdanken.

Ich denke, viele Israelkritiker kennen die Geschichte der Region nicht. Sie denken ganz naiv, es hätte dort immer Frieden geherrscht, bis »die Juden« kamen. Und auch viele israelkritische Israelis kennen die Geschichte schlecht, vor allem ihre Familiengeschichte, denn sie meinen ganz blauäugig, man könnte allen Nachbarn vertrauen.

Hier kommt man unweigerlich zur aktuellen Politik und den verschiedenen Perspektiven. Können wir Juden in Sachen Sicherheit anderen vertrauen – sei es den Vereinten Nationen, den USA, den eigenen Streitkräften, den Politikern? Oder sollte man nur Gott vertrauen – trotz allem, was in der Vergangenheit geschehen ist? Haben wir als Juden das Recht zu sagen: »Hier sind wir, und hier werden wir bleiben«? Oder müssen wir immer von anderen hören: »Ihr habt kein Recht, hier zu sein. Ihr habt das Land gestohlen«?

Beim Berliner »Al-Quds-Tag« im Juni hörte ich, wie ein Rabbiner laut gegen den Staat Israel wetterte und die »Militarisierung der orthodoxen Juden« beklagte. Diese wollten nicht in den Krieg ziehen (»Ki Teze«) und würden dafür von der bösen Regierung brutal bestraft. Die Zuhörer beim »Al-Quds-Tag« jubelten über die Worte des Rabbiners.

pessach Es ist schade, dass heute kaum noch jemand das Buch Jehoschua liest. An Pessach feiern wir die Befreiung Israels aus Ägypten – am 14. Tag des ersten Monats. Doch wann sind die Israeliten in das Land gekommen? Ich bin mir sicher, dass es keiner weiß.

In Jehoschua 4,19 steht, dass das Volk am zehnten Tag des ersten Monats in der Nähe von Gilgal aus dem Jordan kam. Und im 2. Buch Mose 12,3 lesen wir, dass die Israeliten am zehnten Tag des ersten Monats in Ägypten ein Lamm nehmen und zubereiten sollen.

Aber das Inbesitznehmen des Landes wurde nie als etwas Besonderes gefeiert. Der israelische Unabhängigkeitstag Jom Haazmaut (am 5. Ijar – im zweiten Monat) hat diesen Anlass in der modernen Zeit übertroffen. Pessach – die Befreiung aus der Sklaverei; Jom Haazmaut – die Befreiung aus dem Exil. Beide gehören zusammen, und – trotz aller Kritik an diesem und jenem – wir sollen für beide dankbar sein.

Es ist möglich, sagt unser Wochenabschnitt, in das Land zu kommen, es in Besitz zu nehmen und in Dankbarkeit und in Frieden darin zu leben.

Das haben die Gründer des Staates vor 70 Jahren auch gehofft. Einige Ultraorthodoxe und einige Linke wollen das nicht so haben. Doch bessere realistische Alternativen haben sie nicht anzubieten. Also lasst uns dankbar sein für das, was wir haben!

Der Autor ist Rabbiner bei Beit Polska, dem Verband progressiver jüdischer Gemeinden in Polen.

inhalt
Im Wochenabschnitt Ki Tawo schildert die Tora, dass die Israeliten aus Dankbarkeit für die Ernte und die Befreiung aus der Sklaverei ein Zehntel der Erstlingsfrüchte opfern opfern. Und sie sollen die Gebote Gottes auf großen Steinen ausstellen, damit alle sie sehen können. Danach schildert die Tora Fluchandrohungen gegen bestimmte Vergehen der Leviten. Dem folgt die Aussicht auf Segen, wenn die Mizwot befolgt werden. Zum Abschluss erinnert Mosche die Israeliten daran, dass sie den Bund mit dem Ewigen beachten sollen.
5. Buch Mose 26,1 – 29,8

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