Neulich beim Kiddush

Boris Becker und der zerrissene Herr Rosowsky

Immer gut für Klatsch und Tratsch: Boris Becker mit Frau Lilly Foto: dpa

Es kommt nicht häufig vor, dass ich eine Illustrierte finde. Ich fahre eigentlich nur am Vormittag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, und dann liegen selten Zeitschriften auf den Sitzplätzen. Letzten Freitag jedoch fand ich die »Bunte«! Sie sah ungelesen aus und hatte auf dem Cover einen meiner Lieblingsstars: Boris Becker. Toll! Überhaupt liebe ich diese Illustrierte, sie erinnert mich an meine verstorbene Großmutter, die sie auch gerne las.

Ich blätterte in der Zeitung, da fiel ein kleines Kärtchen auf den Boden: »Denk an IHN!« Ich wusste nicht, an wen und vertiefte mich darum weiter in das Bumsleben von Boris Becker.

Drei Seiten weiter steckte nochmals ein visitenkartengroßes Kärtchen im Heft: »Würdest du Jesus erkennen, wenn er wiederkäme?« Ach so, von da weht der Wind. Ich schüttelte das Heft in der Luft, und es fielen etwa 20 Kärtchen auf den Boden. Da hat sich jemand viel Mühe gegeben! Ich stapelte die Karten aufeinander und warf sie in den Müll.

Angewohnheit Dann dachte ich an Herrn Rosowsky, der natürlich nicht so heißt. Er betet in meiner Synagoge, sagen wir hinten links. Herr Rosowsky nervt! Er hat die scheißblöde Angewohnheit, alle drei Seiten irgendeinen Satz laut zu brüllen. Wahrscheinlich versucht er damit, die anderen Mitbeter zu animieren. Vielleicht ist das so ein Tick von ihm, auf jeden Fall lenkt er mich gewaltig ab. Ich beobachte mich nämlich schon, wie ich zwei Seiten bete und auf der dritten Seite nur noch auf Herrn Rosowsky warte und denke: Was wird er jetzt wohl gleich laut singen?

Dabei kreischt er nicht nur, nein, er wirft auch die Hände hoch und versucht damit, seine Synagogennachbarn anzutreiben. Ich brauche das aber nicht. Ich bestimme das selbst!

Andererseits muss ich Herrn Rosowsky zugestehen: Er meint es ernst. Ich habe ihn noch nie in der Synagoge mit einem Menschen reden sehen. Er führt den Zeigefinger an den Mund, wenn es jemand versucht. Dabei sieht er gar nicht mal aus wie ein Mosche Rabenu. Er ist rasiert und trägt einen schnittigen Anzug.

Club-Med Ich hasse ihn! Ist eigentlich verboten, man darf einen Juden nicht hassen. Aber ich denke, Herr Rosowsky gilt da als Ausnahme. Er ist sozusagen schuld, dass ich nicht mehr zum Kiddusch gehe. Der Kiddusch gilt nämlich für mich und viele andere Synagogengänger als Ventil. Endlich kann man etwas Luft ablassen und quasseln. Herr Rosowsky aber steht beim Kiddusch hinter dem Rabbiner und spielt weiter den religiösen Club-Med-Animateur. Er betont tatsächlich jedes zehnte Wort des Kiddusch-Gebets! Laut und inbrünstig! Mann, mach mal eine Pause!

Am liebsten würde ich Herrn Rosowsky in 20 Kärtchen aufteilen – Rah! Und dann würde ich ihn in so einen kleinen Abfalleimer werfen – Rah! Rah-Rah-Rah! Uff, das tat gut! Danke fürs Mitlesen!

Umfrage

Studie: Deutsche vertrauen Zentralrat der Juden signifikant mehr als der christlichen Kirche und dem Islam

Die Ergebnisse, die das Meinungsforschungsinstitutes Forsa im Auftrag des »Stern«, RTL und n-tv vorlegt, lassen aufhorchen

 23.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Wajigasch

Mut und Hoffnung

Jakow gab seinen Nachkommen die Kraft, mit den Herausforderungen des Exils umzugehen

von Rabbiner Jaron Engelmayer  19.12.2025

Mikez

Füreinander einstehen

Zwietracht bringt nichts Gutes. Doch vereint ist Israel unbesiegbar

von David Gavriel Ilishaev  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Chanukka

»Wegen einer Frau geschah das Wunder«

Zu den Helden der Makkabäer gehörten nicht nur tapfere Männer, sondern auch mutige Frauen

von Rabbinerin Ulrike Offenberg  18.12.2025

Chanukka

Berliner Chanukka-Licht entzündet: Selbstkritik und ein Versprechen

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin am Mittwoch mit viel Politprominenz das vierte Licht an Europas größtem Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet

von Markus Geiler  18.12.2025

Chanukka

Wofür wir trotz allem dankbar sein können

Eine Passage im Chanukka-Gebet wirkt angesichts des Anschlags von Sydney wieder ganz aktuell. Hier erklärt ein Rabbiner, was dahinter steckt

von Rabbiner Akiva Adlerstein  17.12.2025