Talmudisches

Bier zum Kiddusch

Spätestens im babylonischen Exil kamen Juden auf den Geschmack des Biers. Foto: Getty Images

Talmudisches

Bier zum Kiddusch

Was unsere Weisen vom Gerstensaft hielten

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  16.10.2020 09:42 Uhr

Im Judentum gehört Wein zu den wichtigen Getränken. Wir segnen den Schabbat, die Feiertage und viele freudige Ereignisse wie eine Brit Mila oder eine Hochzeit mit Wein.

Wein steht in der jüdischen Religion für das Gute, Freudige, Gesellige und auch das Besondere, denn Wein war ein Luxusgut, das nur an bestimmten Tagen konsumiert wurde. Oft steht Wein im Tanach und in der rabbinischen Literatur auch in direkter Verbindung mit Gesang. Was viele nicht wissen: Auch ein anderes alkoholisches Getränk ist seit Langem Teil der jüdischen Tradition: Bier.

Brauen Spätestens im babylonischen Exil kamen Juden auf den Geschmack des Bieres. Wie der Talmud erklärt, wurde es entweder aus Gerste, Feigen oder Maulbeeren gebraut (Pessachim 107a). Bierbrauer war ein anerkannter und respektierter Beruf, und man konnte damit ein gutes Einkommen erzielen.

Raw Papa sagte: »Hätte ich kein Bier gebraut, wäre ich nicht so reich geworden« (Pessachim 113a). Der Talmud fragt: »Was bedeutet eigentlich Sodana (das aramäische Wort für Bierbrauer)?« Raw Chisda erwidert: »Sod Nae« – »ein wohltuendes Geheimnis«.

Glossar-Eintrag
Kiddusch

Kiddusch ist vom hebräischen Wort kadosch (heilig) abgeleitet


Der Ben Isch Chai (Bagdad, 19. Jahrhundert) erklärt in seinem Kommentar, Bier sei, wenn es richtig gebraut wird – was ein Geheimnis ist, weil man das Handwerk von jemandem lernen muss – und man es um des Himmels willen trinkt, wohltuend, also gesundheitsfördernd.

Gesundheit Diese gesundheitsfördernde Wirkung des Bieres wird an verschiedenen Stellen des Talmuds beschrieben. So werden in Awoda Sara 31b die medizinischen Eigenschaften von Hopfen als Konservierungsmittel und Antiseptikum erwähnt.

In Schabbat 110a diskutieren Ula, Rabbi Joseph und Raw Papa, welches Würzbier am besten gegen Verstopfung und Durchfall hilft. Ula meint, babylonisches Bier. Rabbi Josef ist von ägyptischem Bier aus je einem Drittel Gerste, Safran und Salz überzeugt, Raw Papa wiederum von Bier aus je einem Drittel Weizen, Safran sowie Salz und Kümmel.

Selbst Tieren soll Bier helfen. In Baba Kamma 35a heißt es: »Einst hatte einer der Ochsen von Raw Papa Zahnschmerzen. Da ging er in das Haus und öffnete den Bottich, trank vom Bier – und war genesen.«

Wein Manchmal kann Bier auch Wein ersetzen. Der Talmud erzählt die Geschichte von Mar Junka und Mar Kaschischa: »Einst kehrte Amemar in unserer Ortschaft ein, und da wir keinen Wein hatten, brachten wir ihm Bier. Er aber sprach darüber nicht Hawdala. (…) Ein Jahr darauf kehrte er abermals in unserer Ortschaft ein, und da wir keinen Wein hatten, besorgten wir ihm Bier. Da sprach er: Demnach ist dies der Wein des Landes. Hierauf sprach er darüber Hawdala« (Pessachim 107a).

Die Ba’alei Tosafot (Deutschland und Frankreich, 12./13. Jahrhundert) kommentieren: »Wir müssen uns fragen, ob man Kiddusch über Bier rezitieren kann, wenn es der ›Wein des Landes‹ ist, genau wie sie darüber Hawdala rezitieren. Der Teil, der es verbietet, Kiddusch über Bier zu rezitieren, bezieht sich nur auf einen Fall, in dem es nicht der ›Wein des Landes‹ ist« (zu Pessachim 106b).

Hawdala Tatsächlich ist es erlaubt, anstelle des Weins Bier oder andere lokale Getränke für die Hawdala zu verwenden.

Die jüdische Liebe zum Bier und zum Brauereihandwerk blieb übrigens auch in der Moderne bestehen. Juden waren beispielsweise maßgeblich am Aufbau von großen Brauereien beteiligt. So machte der bayerische Hofbankier Jakob von Hirsch die Schlossbrauerei Planegg zu einer der ersten Großbrauereien, aus ihr entstand später die Pschorrbräu AG. Und Moritz Guggenheimer machte Löwenbräu zu einer der weltweit bekanntesten Brauereien seiner Zeit. Die Gründer von Carlsberg in Dänemark, Ottakringer in Österreich und Rheingold Beer in den USA waren allesamt jüdisch. Auch in Israel gibt es seit einigen Jahrzehnten wieder diverse Brauereien.

Lech Lecha

Im Sinne der Gerechtigkeit

Awraham war der Erste in der Menschheitsgeschichte, der gegen das Böse aufstand

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  31.10.2025

Talmudisches

Audienz beim König aller Könige

Was unsere Weisen über das Gebet und seine Bedeutung lehren

von Rabbiner Avraham Radbil  31.10.2025

Geschichte

Wer war Kyros der Große?

Manche behaupten, Donald Trump sei wie der persische Herrscher, der den Juden die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte. Was hinter dem Vergleich steckt

von Rabbiner Raphael Evers  30.10.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025

Vatikan

Papst bedauert Krise im Dialog mit Juden - verurteilt Antisemitismus

Seit Jahren ist der Dialog des Vatikans mit dem Judentum belastet. Nun hat Leo XIV. versucht, die Dinge klarzustellen - mit einem Bekenntnis zum Dialog und gegen den Antisemitismus

von Ludwig Ring-Eifel  29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025

Schöpfung

Glauben Juden an Dinosaurier?

Der Fund der ersten Urzeitskelette stellte auch jüdische Gelehrte vor Fragen. Doch sie fanden Lösungen, das Alter der Knochen mit der Zeitrechnung der Tora zu vereinen

von Rabbiner Dovid Gernetz  23.10.2025