Frankfurt

Anerkennung aus Jerusalem

Jan Guggenheim ist in seiner Familie nicht in traditioneller Weise jüdisch aufgewachsen. Doch der frühere Düsseldorfer Rabbiner Michael Goldberger, ein orthodoxer Mann, hat den heute 33-Jährigen mit dem jüdischen Leben, den Mizwot und religiösen Ritualen vertraut gemacht.

Goldberger brachte ihm, wie Guggenheim sagt, jüdische Werte nahe, etwa was es heißt, Zedaka, Wohltätigkeit, zu üben, da zu sein für den anderen im Alltag: »Ich will in der Gemeinde die jüdischen Werte vermitteln und den Menschen zeigen, wie schön das Judentum sein kann.«

Jeschiwa Guggenheim, 1986 in Duisburg geboren, verbrachte seine Jugend in Israel, wo er auch sein Abitur erlangte. Danach studierte er dreieinhalb Jahre an einer Jeschiwa. Zudem ließ er sich als Vorbeter und Toraschreiber ausbilden.

Nach Deutschland zurückgekehrt, arbeitete Guggenheim für die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf. Mit seinem Studium am Rabbinerseminar zu Berlin begann er 2012. Im Zweitstudium lernte er jüdische Sozialarbeit.

Nach seiner Smicha war Guggenheim Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, seit Sommer 2017 amtiert er in der Israelitischen Kultusgemeinde Fürth: »Das ist mit gut 340 Mitgliedern zwar eine kleine Gemeinde. Aber ich habe jeden Schabbat nach dem Gottesdienst, bei dem ich eine Predigt halte, die Gelegenheit, mit vielen Gemeindemitgliedern über das zu reden, was uns als Juden in dieser Zeit wichtig ist.«

Absolventen Guggenheim ist einer von 19 Absolventen, die seit 2009 das Studium am orthodoxen Rabbinerseminar zu Berlin erfolgreich abgeschlossen haben, und der einzige, der in Deutschland geboren wurde. Die meisten kamen in Städten der ehemaligen Sowjetunion oder in anderen Orten des einstigen »Ostblocks« zur Welt, doch wuchsen sie in Deutschland auf.

Am Mittwoch vergangener Woche erhielt Guggenheim bei einer Feier in der Frankfurter Westend-Synagoge zusammen mit mehr als zehn Rabbinerkollegen ein besonderes Anerkennungszertifikat: aus der Hand von David Lau, dem aschkenasischen Oberrabbiner von Israel.

Es war das erste Mal, dass das Oberrabbinat die Ordination durch ein Rabbinerseminar außerhalb Israels anerkannte. Die Freude bei den Absolventen und Repräsentanten des Berliner Rabbinerseminars, darunter der Gründungsdirektor und Dajan Chanoch Ehrentreu, war denn auch groß.

Oberrabbiner Lau, dessen Vater Israel Meir Lau das Konzentrationslager Buchenwald überlebte, äußerte sich erfreut darüber, dass nunmehr Rabbiner hervortreten würden, die in Deutschland aufgewachsen seien.

Josef Schuster sagte, man arbeite Hand in Hand, sei aber nicht abhängig vom Oberrabbinat.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, bezeichnete es als eine »große Ehre«, dass die Anerkennungszeremonie durch das israelische Oberrabbinat in der Frankfurter Westend-Synagoge stattfinde. Zwischen dem Rabbinerseminar zu Berlin und dem Oberrabbinat in Jerusalem gebe es eine »lange und vertrauensvolle Zusammenarbeit«.

Erfolgsgeschichte Das Rabbinerseminar zu Berlin sei eine »Erfolgsgeschichte«. Schuster äußerte sich erfreut darüber, dass »Rabbiner made in Germany« tätig würden.
Die Befürchtung, dass das Rabbinerseminar zu Berlin in Abhängigkeit vom Oberrabbinat gelangen könnte, teilt Schuster nicht. Man arbeite zwar Hand in Hand, aber eine »direkte Abhängigkeit vom Oberrabbinat besteht nicht«.

Weiter sagte Schuster mit Blick auf die gegenwärtige politische Lage hierzulande, auch ein Rabbiner müsse dem ansteigenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus entgegentreten, den Bestrebungen, unsere pluralistische Demokratie in Deutschland zu untergraben und die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit infrage zu stellen. Zudem nehme der Antisemitismus weiter zu.

Der Frankfurter Gemeinderabbiner Avichai Apel, Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) und Mitglied im Kuratorium des Rabbinerseminars zu Berlin, sprach davon, dass die vergangenen zehn Jahre seit Gründung des Seminars »Früchte getragen« hätten.

Julian-Chaim Soussan, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, sagte, die jungen Rabbiner könnten neues jüdisches Leben in Deutschland fördern und »Licht ins Land bringen«.
Rabbiner Joshua Spinner, Chief Executive Officer der Ronald S. Lauder Foundation, sprach von einem »besonderen Abend«, der mit der Anerkennungszeremonie in der Westend-Synagoge stattfinde. Die Ronald S. Lauder Foundation und der Zentralrat der Juden in Deutschland sind die Träger des Rabbinerseminars zu Berlin.

Rabbiner Benjamin Kochan, Absolvent des Rabbinerseminars, sagte, die Anerkennungszeremonie setze ein wichtiges Zeichen und zeige die »Wertschätzung der Rabbinerausbildung in der Diaspora«. Die Rabbiner in Deutschland wüssten nun das Oberrabbinat von Israel an ihrer Seite.

Pluralität Die Zeit ist längst vorbei, in der Rabbiner nach der Schoa, sei es aus Israel, sei es aus Amerika, nach Deutschland »importiert« werden mussten. Zurückgekehrt ist die Pluralität in der Rabbinerausbildung, eine Pluralität, wie sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland gewachsen war.

Das Rabbinerseminar zu Berlin ist nicht die einzige Ausbildungsstätte ihrer Art in Deutschland.

Das 2009 neu gegründete orthodoxe Rabbinerseminar zu Berlin ist weder die erste Ausbildungsstätte für Rabbiner in Deutschland nach der Schoa noch die einzige. 1999 wurde in Potsdam das Abraham Geiger Kolleg gegründet, das sich seinem Namensgeber, einem der Gründer des Reformjudentums im 19. Jahrhundert, verpflichtet weiß. Die Absolventen des Kollegs werden seit 2005 von der »Central Conference of American Rabbis« akkreditiert.

Zudem gibt es in Potsdam das nach Zacharias Frankel benannte Rabbinerseminar. Diese religiös konservativ ausgerichtete Institution geht zurück auf das Jüdisch-Theologische Seminar, das Frankel 1854 in Breslau gründete, die erste wissenschaftliche Ausbildungsstätte für Rabbiner.

1872 wurde die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin gegründet, die de facto zunächst reformerisch, später liberal eingestellt war, bis zur Schließung durch die Nazis 1942 bestand und Rabbiner ausbildete. Das orthodoxe Rabbinerseminar zu Berlin knüpft an die Tradition des von Esriel Hildesheimer etablierten Rabbinerseminars an, das 1873 in Berlin eröffnet wurde.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  16.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025