Meinung

Zwei Christen, drei Meinungen

In diesen kriegerischen Zeiten ist der Israelsonntag für die Christen doppelt wichtig. Dieser Sonntag elf Wochen nach Pfingsten geht übrigens selbst auf einen Krieg zurück, auf die Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 68. Die Kirche lehrte: Seht, daran könnt ihr ablesen, wie die Juden von Gott verlassen und ihrem Schicksal preisgegeben sind! Das predigte sie traditionell am Israelsonntag, in der zeitlichen Nähe zum jüdischen 9. Aw.

Seit 60 Jahren aber versuchen die Kirchen hier die Wende. Dabei hatte schon der Apostel Paulus guten Grund, der Völkergemeinde ihren Dünkel gegenüber Juden vorzuhalten. Ganz anders Martin Luther, der schrieb: »Gottes Wort und Gnade ist ein fahrender Platzregen, der nicht wiederkommt, wo er einmal gewesen ist. Er ist bei den Juden gewesen; aber hin ist hin, sie haben nun nichts.« Erstaunlich, wie Luther an der Bibel vorbeigeht! Hätte er recht, gäbe es beim Reformationsjubiläum 2017 nichts zu feiern: Das »hin ist hin« – längst würde es für die Kirche gelten!

antisemitismus Luthers Judenfeindschaft ist ein Geburtsfehler der Reformation. Aber Margot Käßmann, »Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland«, gab kürzlich zu Protokoll, heute sei eine solche Judenfeindlichkeit in der Kirche undenkbar. Wenn sie sich nur nicht irrt! Die Kirchenmitglieder gehören zur Mitte der Gesellschaft.

So haben sie teil an dem Antisemitismus, der bei 20 Prozent der Bundesbürger anzutreffen ist. Immerhin hielt es Markus Dröge, evangelischer Bischof in Berlin, für nötig, angesichts der Angriffe auf Juden und Synagogen die Christen zum Israelsonntag daran zu erinnern, dass sie in der Gründung des jüdischen Staates 1948 »ein Zeichen der Treue Gottes zu seinem Volk erkennen und zu einer grundsätzlichen Solidarität mit dem Staat Israel gerufen sind«.

Schade nur, dass Dröges klare Aussage ausgerechnet vom Jerusalemer Propst Wolfgang Schmidt konterkariert wurde. Er unterzeichnete den »Offenen Brief von deutschen Nahostexperten zur Gaza-Krise«. Dort wird der Terror der Hamas ausgeblendet und der Dialog mit ihr als »populärer politischer Partei« gefordert.

Evangelische Christen haben mindestens das mit Juden gemein: zwei Menschen, drei Meinungen.

Der Autor ist evangelischer Pfarrer und Mitglied des Beirates für den christlich-jüdischen Dialog in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

Deutschland

»Das ist Verrat am Vaterland«

Unionsfraktionschef Jens Spahn äußert sich einmal mehr klar zur AfD

 17.11.2025

Auszeichnung

»Fair auf Israel blicken, ohne Schaum vor dem Mund«

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat den Augsburger Friedenspreis erhalten. In seiner Dankesrede warb er für einen unvoreingenommenen Blick auf den jüdischen Staat

 17.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  17.11.2025

Berlin

Bundesregierung hebt Stopp der Rüstungsexporte nach Israel wieder auf

Die Waffenruhe in Gaza hält seit mehr als fünf Wochen. Die Bundesregierung nimmt das zum Anlass, ihre massiv kritisierte Entscheidung aus dem Sommer rückgängig zu machen

von Michael Fischer  17.11.2025

USA

Kehrtwende? Trump empfiehlt Abstimmung über Epstein-Akten

Der Fall des Sexualstraftäters lässt den US-Präsidenten nicht los. Vor einer Abstimmung im Repräsentantenhaus gibt er einen überraschenden Rat an seine Partei

von Anna Ringle  17.11.2025

Extremismus

Beobachtungsstelle: Tausende christenfeindliche Straftaten in Europa

Europa gilt immer noch als christlicher Kontinent. Doch Experten warnen: Christen sind von einem Klima wachsender Intoleranz bedroht. Auch in Deutschland muss die Lage Besorgnis erregen

 17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Deutschland

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern abgesagt

Im Online-Katalog waren unter anderem Dokumente und Post von NS-Verfolgten aus Konzentrationslagern sowie Täterpost zu finden

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025