Interview

»Wir wollen unseren Anteil«

Ophir Froydental Foto: Sabine Brandes

Interview

»Wir wollen unseren Anteil«

Ophir Froydental über Gründe des Protests, Reaktionen der Politik und soziale Gerechtigkeit

von Sabine Brandes  08.08.2011 17:51 Uhr

Herr Froydental, was sagen Sie dazu, dass sich Hunderttausende am Samstagabend Ihren Demonstrationen angeschlossen haben – sie damit zu den größten Sozialprotesten in der Geschichte Israels machen?
Es ist wirklich ein Wahnsinn. Wenn man mittendrin ist, spürt man die unglaubliche Energie der Leute. Doch es ging nicht mehr anders, also sind die Proteste eine logische Folge. Der Druck auf die Menschen war einfach zu groß geworden. Zudem ist Israel keine isolierte Insel, sondern liegt mitten im Nahen Osten. Der »Arabische Frühling« hat sicher für unsere Revolution die Vorarbeit geleistet.

Wie reagieren Sie auf Bemerkungen, mit denen Politiker die Proteste als Teil der Spaßgesellschaft abtun?
Wer sich die Leute ansieht, die hier in den Zelten hausen und auf den Straßen demonstrieren, weiß, dass das nichts als üble Nachrede ist. Es sind zum Großteil Menschen aus der Mittelschicht, junge und alte Leute, Studenten. So etwas sagen Politiker, die das, was momentan geschieht, totreden wollen. Aber das wird nicht funktionieren. Diese Sätze sind nur ein weiteres Zeichen dafür, wie wenig Verständnis es zwischen Regierung und Bürgern gibt. Die an der Macht haben nicht die geringste Ahnung, was hier los ist.

Was genau soll die neue soziale Gerechtigkeit beinhalten?
Lange war es israelische Lebensart, alles zu geben und nichts zurückzubekommen. Die Politiker haben das Volk ausgebeutet, die Ressourcen, wie Boden etwa, eingesackt und an wenige Auserkorene verteilt. Jetzt sind der gesamte Reichtum und die komplette Wirtschaft in den Händen von einigen Familien. Wir wollen endlich unseren Anteil. Natürlich beinhaltet das zuallererst günstigeres Wohnen, bessere Sozialleistungen, vernünftige Bildung und ein funktionierendes Gesundheitssystem.

Premier Benjamin Netanjahu hat ein Minister-Team zusammengestellt, das über die Forderungen beraten soll. Erwarten Sie, dass etwas herauskommt, das für die Protestierenden akzeptabel ist?
Ich denke schon. Netanjahu bleibt nichts anderes übrig, er muss jetzt etwas Fundamentales liefern, die Proteste werden weitergehen, im schlimmsten Fall könnte die Situation sogar eskalieren. Das wird er nicht wollen. Und wir wollen nicht bis zu den nächsten Wahlen warten, sondern jetzt etwas Greifbares, das unser Leben merklich verbessert.

Im September erwarten einige Beobachter Chaos im Land, existenzielle Bedrohung von außen. Teilen Sie diese Befürchtung?
Unsere existenzielle Bedrohung war jahrzehntelang der Grund, dass sich die Politik angeblich um nichts anders kümmern konnte. Doch wir hören nicht mehr auf Propaganda. Dank Facebook und Co. sind die Menschen aufgewacht, lassen sich keine Angst mehr machen. Die Frage des Palästinenserstaats ist nur eines der Probleme, für die es sicher eine Lösung gibt. Unsere sozialen Aufgaben aber sind viel dringlicher und betreffen jeden einzelnen Israeli – ob jüdisch oder arabisch.

Mit einem der Organisatoren der Proteste in Tel Aviv sprach Sabine Brandes.

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025

New York

Antisemitische Äußerungen: Mitglied von Mamdanis Team tritt zurück

Die Tiraden von Catherine Almonte Da Costa sorgen für Entsetzen

 19.12.2025

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025