Interview

»Wir müssen die Strategie ändern«

Yonathan Arfi über seine neue Aufgabe als CRIF-Chef und den wachsenden Judenhass in Frankreich

von Léonardo Kahn  12.07.2022 07:21 Uhr

Yonathan Arfi, Präsident der französisch-jüdischen Dachorganisation CRIF Foto: PR

Yonathan Arfi über seine neue Aufgabe als CRIF-Chef und den wachsenden Judenhass in Frankreich

von Léonardo Kahn  12.07.2022 07:21 Uhr

Herr Arfi, Sie sind kürzlich zum neuen Präsidenten der französisch-jüdischen Dachorganisation CRIF gewählt worden. Der Verband sieht eine seiner wichtigsten Aufgaben im Kampf gegen den Antisemitismus. Wie sieht dieser in Frankreich aus?
Judenfeindlichkeit kommt aus allen Ecken: von Islamisten, von Rechtsextremen und – in Form des Antizionismus – von Linksextremisten. Der »neue Antisemitismus« ist bei uns aber gewaltsamer als in den Nachbarländern: So wurden in den vergangenen 20 Jahren in Frankreich zwölf Juden ermordet – aus islamistischem Judenhass.

Wie wollen Sie als neuer Verbands-Chef gegen den wachsenden Antisemitismus vorgehen?
Traditionell sucht unser Verband, um sich vor Antisemiten zu schützen, den Dialog mit der Regierung. Das möchte ich ändern. Selbstverständlich werden wir weiterhin eng mit der französischen Regierung zusammenarbeiten, aber unsere Strategie muss horizontaler werden. Vielen Bürgern ist das Wohlergehen der jüdischen Gemeinschaft ein hohes Anliegen – auch hier müssen wir unsere Verbündeten mobilisieren.

Mit 42 Jahren sind Sie der jüngste Präsident in der Geschichte des CRIF. Sind Sie dadurch wachsamer gegenüber Antisemitismus im Internet?
Ich denke, dass ich durch mein Alter ein Abbild der jüdischen Gemeinschaft in Frankreich bin. Um gegen Antisemitismus im Netz vorzugehen, darf man ihn jedoch nicht erst anprangern, wenn er bereits zum Ausdruck kommt. Oft werden dann unsere Anliegen von der Gesellschaft nicht ernst genommen. Wenn wir aber auf unseren Kanälen mehr über das jüdische Leben in Frankreich kommunizieren und mit Bürgerinitiativen zusammenarbeiten, dann werden in Zukunft Antisemiten im Internet in der Unterzahl sein und nicht umgekehrt. Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und nicht nur ein Problem von Juden.

Die Zahl judenfeindlicher Angriffe nimmt weltweit zu. Wie wird der CRIF in Zukunft mit Dachverbänden aus dem Ausland zusammenarbeiten?
Ganz nach dem Vorbild der Europäischen Union will ich die deutsch-französische Freundschaft ausbauen, um gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland eine Stütze für das jüdische Leben in Europa zu bilden. Wir können viel voneinander lernen. Zwar gibt es einen großen Unterschied, denn die muslimische Bevölkerung in Deutschland setzt sich ganz anders zusammen als in Frankreich: In Deutschland sind die meisten Muslime türkischer Herkunft, während sie in Frankreich vor allem Wurzeln in Nordafrika haben, wo man eine ganz andere Beziehung zu Juden hat. Doch trotz dieser Unterschiede ist der Erfahrungsaustausch zwischen CRIF und Zentralrat umso wichtiger – damit Juden in Europa weiterhin sicher leben können.

Mit dem Präsidenten der französisch-jüdischen Dachorganisation CRIF (Conseil Représentatif des Institutions Juives de France) sprach Léonardo Kahn.

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