Frankfurt

Wenn der Staat versagt

Im Gespräch: Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung im Zentralrat, und Journalist Ronen Steinke Foto: Screenshot

Es scheint deutsche Normalität zu sein: Synagogen, jüdische Gemeindezentren, Kindergärten und Schulen müssen von der Polizei bewacht werden. »Das ist überhaupt nicht normal«, sagt hingegen Ronen Steinke. Er wolle sich nicht daran gewöhnen, betont der Jurist, Journalist und Buchautor.

Steinke war am Montagabend Gast des zweiten »Jüdischen Salons« des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das Gespräch mit Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung im Zentralrat, wurde im Bibliothekszentrum Geisteswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main aufgezeichnet und am Montagabend im Internet übertragen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Anlass für die Begegnung war Steinkes ebenfalls am Montag erschienenes Buch Terror gegen Juden: Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt. Der Autor zeigte sich eloquent und kämpferisch. Als exemplarisches Beispiel für die von ihm kritisierten Missstände schilderte Steinke den Mordfall Shlomo Lewin. 1980 wurden der Erlanger Verleger und Rabbiner sowie seine Lebensgefährtin von einem Rechtsextremen in ihrem Haus erschossen.

NSU Erlangen sei damals die Hochburg der Neonazi-Szene in Deutschland gewesen, sagte Steinke. Die Polizei habe aber, anstatt in der Neonazi-Szene zu ermitteln, zuerst die These verfolgt, Lewin sei Mossad-Agent gewesen. Sie habe auch Gemeindemitglieder verhört. Es sei erschreckend zu sehen, welche systemische antisemitische Motive die Ermittler in diesem Mordfall geleitet hätten. Steinke sieht im damaligen Agieren der Polizei »eine sehr gespenstische Parallele zum NSU-Ermittlungsversagen«.

Erlangen sei 1980 die Hochburg der Nazi-Szene gewesen, betont Ronen Steinke.

Er kritisierte überdies Entscheidungen von Richtern wie etwa im Fall des Brandanschlags auf die Wuppertaler Synagoge im Sommer 2014. Die palästinensischstämmigen Täter argumentierten vor Gericht, sie wollten gegen Israels Vorgehen in Gaza protestieren. Das Gericht befand daher, es sei keine judenfeindliche Tat gewesen.

»Da haben wir es mit einer Rechtsprechungslinie zu tun, die schwach ist«, sagte Steinke. Als positives Gegenbeispiel erwähnte er den Einsatz des Dortmunder Polizeipräsidenten gegen die Neonazi-Partei »Die Rechte«, die auf Demonstrationen den Slogan »Nie wieder Israel« benutzt hatte.

halle Ein eigenes Buchkapitel widmet Steinke der Synagogentür in Halle, die an Jom Kippur 2019 einen rechtsextremen Attentäter davon abhielt, in die Synagoge einzudringen und dort ein Massaker anzurichten. Nicht der Rechtsstaat, sondern die Tatsache, dass die Holztür stabil genug gewesen sei und dass es eine Videokamera gegeben habe, habe den Täter aufgehalten, so Steinke. Diese Sicherheitsanlage habe die Hallenser Gemeinde selbst, ohne Steuergelder, finanziert. »Das ist ein Skandal und Staatsversagen«, sagte Steinke.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Er forderte ein Umdenken der deutschen Behörden: »Wenn es um präventive Schutzmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen geht, muss es Schluss sein, dass der Staat sagt, es ist eure eigene Verantwortung.« Es sei selbstverständlich die Aufgabe des Staates, jüdische Einrichtungen zu schützen. Ronen Steinke forderte außerdem ein konsequentes Vorgehen gegen Polizisten, die sich rechtsextrem äußern. Das Dienstverhältnis müsse in solchen Fällen sofort beendet werden.

Lesen Sie in unserer Ausgabe am Donnerstag ein ausführliches Interview mit Ronen Steinke.

Den Haag

Erste Entscheidung in Klage gegen Deutschland am Dienstag

Im Verfahren Nicaragua gegen Deutschland will der Internationale Gerichtshof am Dienstag seinen Beschluss zu einstweiligen Maßnahmen verkünden

 26.04.2024

Meinung

Steinmeier auf Kuschelkurs mit einem Terrorfreund

Der Bundespräsident untergräbt mit seiner Schmeichelei gegenüber Recep Tayyip Erdogan einmal mehr Deutschlands Staatsräson

von Nils Kottmann  26.04.2024

Berlin

»Menschen haben nach dem 7. Oktober ihr wahres Gesicht gezeigt«

Ahmad Mansour wundert sich nicht über die Schließung zweier Jugendzentren in Berlin

von Sophie Albers Ben Chamo  26.04.2024

Diplomatie

USA, Großbritannien und Kanada verhängen Sanktionen gegen Iran

Es handelt sich um eine Reaktion auf den iranischen Angriff auf Israel

 26.04.2024

USA

Antiisraelische Proteste an Unis: Abschlussfeier abgesagt

An der Ostküste werden mehr als hundert Festnahmen gemeldet

 26.04.2024

Berlin

Polizei verbietet antiisraelisches »Palästina-Protestcamp«

Die Teilnehmer hätten Straftaten begangen, darunter auch Volksverhetzung, sagt die Polizei

 26.04.2024

Köln

Wallraff-Preis für israelische und palästinensische Initiativen

Mit gemeinsamen Aktionen setzen sich »Women of the Sun« und »Women Wage Peace« für Frieden ein

 26.04.2024

Berlin/Gaza

Brief an Hersh Goldberg-Polin

Lieber Hersh, wir kennen uns nicht – und doch sind unsere Lebenswege verbunden ...

von Ruben Gerczikow  26.04.2024

Berlin

Zentralrat der Juden kritisiert deutsche UNRWA-Politik

Josef Schuster: »Die Bundesregierung tut sich mit dieser Entscheidung keinen Gefallen«

 26.04.2024