Meinung

Weckruf für Jerusalem

Steine des Anstoßes: Vor allem die Bautätigkeit in und um Ostjerusalem empört die Mehrheit der Staatengemeinschaft. Foto: Flash 90

Die jüngste Debatte des Weltsicherheitsrates über die israelische Siedlungspolitik war ein Alarmsignal für Jerusalem. Zwar konnte der jüdische Staat einer Verurteilung durch das UN-Gremium dank eines amerikanischen Vetos gerade noch entgehen. Dennoch wurde dabei schmerzhaft klar, wie isoliert Israel wegen seines anhaltenden Siedlungsbaus im Westjordanland auf der internationalen Bühne steht. Die USA, erklärte deren Botschafterin Susan Rice, lehne den von der palästinensischen Seite initiierten Resolutionsentwurf zwar als einseitig und kontraproduktiv ab. Allerdings bekräftigte sie gleichzeitig die strikte amerikanische Ablehnung des von ihr als »Wahn« bezeichneten Siedlungsbaus.

Strategie Die Regierung Benjamin Netanjahus steht nun vor der strategischen Entscheidung, ob sie ihre Politik ändert oder die Konfrontation mit einer geschlossenen internationalen Front der Kritiker riskiert. Auch und gerade in Europa wird die anhaltende Bautätigkeit als Teil einer Friedensverweigerungsstrategie angesehen. Die Siedlungen gelten vielen europäischen Politikern als Indiz dafür, dass Jerusalem den Besitz biblischer Landstriche dem Frieden vorzieht. Umso stärker die Hoffnung, durch massiven Druck auf Netanjahu ließe sich ein Siedlungsstopp durchsetzen und damit das Haupthindernis für einen Nahostfrieden aus dem Weg räumen.

Die Wirklichkeit ist jedoch komplexer. Denn es ist ein Trugschluss zu glauben, der Siedlungsstopp führte automatisch zur Unterzeichnung eines Friedensvertrages zwischen dem Staat Israel und einem neuen Staat Palästina. Zudem wird verkannt, dass viele Wähler, die Netanjahus Rechtskoalition 2009 an die Macht gebracht haben, dreieinhalb Jahre zuvor den einseitigen Rückzug aus Gaza unterstützt und bei der Knessetwahl von 2006 Ehud Olmert zum Sieg verholfen haben. Demselben Olmert, der einen weiteren Abzug aus Teilen des Westjordanlandes in Aussicht stellte.

Stabilität Wenn das Pendel anschließend deutlich nach rechts ausschlug, so lag das keinesfalls an einem grundlegenden Gesinnungswandel, sondern an der tiefen Enttäuschung über die Ergebnisse der Friedenspolitik. Nicht einmal zwei Jahre nach der Räumung Gazas übernahm dort die fundamentalistische Hamas die Regierung und intensivierte den Raketenbeschuss israelischer Städte ins Unerträgliche. Die Folge: Jerusalems militärischer Einsatz in Gaza. Auch die Verhandlungen mit der palästinensischen Führung im Westjordanland erbrachten wenig Substanzielles. Für viele Wechselwähler, die einer Zwei-Staaten-Lösung prinzipiell zustimmen, waren das triftige Gründe, nunmehr rechts zu votieren. Jetzt müssen sie darüber hinaus noch erleben, wie der vor mehr als drei Jahrzehnten geschlossene Friedensvertrag mit Ägypten von dem politischen Umwälzungen im Nachbarland fortgeschwemmt zu werden droht – ein wichtiges Argument für Skeptiker, die an einen stabilen Frieden in Nahost längst nicht mehr glauben.

NATO? Eine glaubhafte Politik des Westens muss den legitimen Sicherheitsinteressen und -ängsten der israelischen Bürger Rechnung tragen. Das jüngste Angebot von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, Truppen des Bündnisses zur Friedenssicherung zu entsenden, kann den Auftakt einer seriösen Debatte bedeuten, ist aber kein Allheilmittel. Die institutionalisierte Mitgliedschaft Israels in der NATO oder einem neuen Bündnis der Demokratien wäre eine andere, durchaus bedenkenswerte Variante. Das gilt auch für eine umfassende Einbindung des jüdischen Staates in die EU, die nicht unbedingt die Form einer allein schon aus geografischen Gründen problematischen Vollmitgliedschaft annehmen muss. Nur wenn der Westen der kompromissbereiten Mehrheit der Israelis ihre berechtigte Existenzangst nehmen und den Palästinensern zu einem eigenen Staat verhelfen kann, wird er in der Lage sein, einen wirklichen Friedensbeitrag zu leisten. Ein erzwungener Siedlungsstopp allein reicht aber bei Weitem nicht aus.

Der Autor ist Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Berlin

»BILD«: Hinweis auf Ausspähung von deutschen Juden durch den Iran kam vom Mossad

Die Hintergründe

 01.07.2025

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025

Frankfurt

Unibibliothek besitzt rund 7.500 mutmaßlich geraubte Bücher

Die Goethe-Universität hatte die Herkunft von insgesamt rund 79.000 Bänden geprüft, die zwischen 1942 und 1945 in den Bestand aufgenommen worden waren

 01.07.2025

Spionage-Skandal

Außenminister Wadephul bestellt iranischen Botschafter ein

Der CDU-Politiker rief außerdem zum Schutz von Juden in Deutschland auf

 01.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

Kirchen

Theologe Staffa kritisiert Apartheidsbeschluss des Weltkirchenrates

Der Apartheidsvorwurf sei einfach falsch, sagte der christliche Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christen und Juden beim Deutschen Evangelischen Kirchentag

von Stephan Cezanne  01.07.2025

Berlin

Schuster: Vernichtungsfantasien des Mullah-Regimes gegen Israel und Juden nicht mehr kleinreden

In Dänemark wurde ein Spion festgenommen, der für den Iran jüdische und pro-israelische Ziele ausspioniert haben soll - darunter auch den Zentralrat der Juden

 01.07.2025

Festnahme

Spion soll für Iran jüdische Einrichtungen in Deutschland ausgespäht haben

Der Tatverdächtige wurde in Dänemark festgenommen

von Nils Kottmann  01.07.2025 Aktualisiert

USA

82-Jährige stirbt nach Angriff von Boulder

Die Frau erlag ihren schweren Verletzungen. Die Anklage gegen den Täter soll nun erweitert werden

 01.07.2025