Erinnerung

»Vorbehalte überwinden«

Rainer Bonhof Foto: picture alliance / Chai von der Laage

Herr Bonhof, Sie waren am Dienstag mit der Bundesliga-Mannschaft von Borussia Mönchengladbach in der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Welche Eindrücke haben Sie und die Spieler mitgenommen?
Dieser zweistündige Besuch mit Führung hat uns alle sehr bedrückt und zum Nachdenken angeregt. Unsere Spieler haben sich sehr interessiert gezeigt und viele Fragen gestellt, was ich gut fand. Man hat gemerkt, wie nahe ihnen das ging.

War es der erste Besuch dieser Art?
Für mich nicht – ich war vor ungefähr 15 Jahren im ehemaligen Konzentrationslager Dachau –, aber für manche Spieler schon.

Viele in Deutschland sind der Meinung, es werde zu viel über die NS-Vergangenheit gesprochen. Wie denken Sie darüber?
Das sehe ich ganz anders. Solange es rechtsextreme Tendenzen gibt und die NS-Vergangenheit von einigen verklärt wird, muss Aufklärung geleistet werden. Denn das Motto lautet: Nie wieder!

Was kann der Sport konkret tun, damit der Holocaust nicht in Vergessenheit gerät?
Man sollte öfters Termine wahrnehmen, wie wir das getan haben. Es ist wichtig, dass wir mit unserer Reichweite, auch und gerade in den sozialen Medien, Aufmerksamkeit erzeugen und Haltung zeigen. Das haben wir auch mit der Sonderausstellung »Verantwortung in Fußballschuhen« in unserem Vereinsmuseum getan, mit der Zusammenarbeit mit dem Verein »Zweitzeugen« und dem Begegnungstag mit der Holocaust-Überlebenden Eva Weyl, mit dem wir rund 1000 Schüler erreicht haben. Darüber hinaus kooperieren wir als Verein mit dem Bildungspark MG, der in unseren Räumlichkeiten mit Jugendlichen Workshops zu Themen wie Rassismus und Antisemitismus durchführt. Und wir fördern politische Aufklärungsarbeit an Schulen.

Borussia Mönchengladbach war 1970 die erste Bundesliga-Mannschaft, die in Israel ein Spiel absolvierte. Finden Sie, dass es zukünftig mehr sportlichen Austausch zwischen Deutschland und Israel geben sollte?
Der sportliche und kulturelle Austausch ist immer gut, weil er Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zusammenbringt. Eine gemeinsame Leidenschaft wie der Fußball kann helfen, Vorbehalte zu überwinden. Das konnte ich bei den zahlreichen Israel-Reisen, die ich mit Borussia gemacht habe, hautnah miterleben. Der erste Besuch in Israel 1970 war sicherlich ein gutes Beispiel dafür, wie aus dem Sport heraus Gesellschaftspolitik betrieben und Türen geöffnet werden können. Leider gibt es wegen der zunehmenden terminlichen Verpflichtungen im Profifußball immer weniger Zeitfenster, um solche Kontakte zu pflegen und auszubauen.

Das Interview mit dem Vizepräsidenten und ehemaligen Spieler von Borussia Mönchengladbach führte Michael Thaidigsmann.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  30.11.2025

Deutschland

Massive Proteste gegen neuen AfD-Nachwuchs 

Die AfD organisiert ihren Nachwuchs - Gießen erlebt den Ausnahmezustand. Zehntausende haben sich nach Mittelhessen aufgemacht, um die Gründung der Generation Deutschland zu verhindern

von Christian Schultz  30.11.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  30.11.2025

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 30.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  29.11.2025