Israelhass

Vor Gericht gescheitert

Wollten den Bundestagsbeschluss vom 17. Mai 2019 juristisch anfechten: BDS-Anhänger Foto: imago images/snapshot

Palästina-Fahnen, Aufkleber, großflächig bedruckte T-Shirts – gut zwei Dutzend Unterstützer der Israel-Boykott-Bewegung BDS (»Boycott, Divestment and Sanctions«) drängten sich am vergangenen Donnerstag lautstark am Eingang zum Verwaltungsgericht in Berlin-Tiergarten, um einen der wenigen öffentlichen Zuschauerplätze zu ergattern – aufgrund der coronabedingten Hygieneregeln war deren Anzahl begrenzt. Dass es jedoch bei der Verhandlung nicht um politische Statements, sondern vorrangig um die Klärung juristischer Fragen ging, mussten draußen vor dem Gerichtsgebäude nicht nur geduldige Polizisten in teils hitzigen Diskussionen den BDS-Unterstützern erklären.

Auch drinnen im Plenarsaal wies Gerichtspräsidentin Erna Viktoria Xalter die Kläger wiederholt darauf hin, sich bitte nur zu den vorgetragenen juristischen Argumenten zu äußern. Ein Hinweis, den die drei Kläger immer wieder zu umschiffen versuchten. Die Anhänger der gegen Israel gerichteten Boykott-Kampagne sahen sich in ihren Grundrechten verletzt – insbesondere in ihren Persönlichkeitsrechten sowie ihrer Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Bundestagsbeschluss Mit ihrer Klage wollten sie den von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen getragenen Beschluss des Bundestages »Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen« (BT-Drucksache 19/10191) vom 17. Mai 2019 für nichtig erklären lassen. Die zwei Männer und eine Frau begründeten ihre Klage damit, dass ihnen seit dem Parlamentsbeschluss mehrfach öffentliche Auftritte sowie finanzielle Förderung verwehrt worden seien. Teils seien sie verbal angegriffen und als antisemitisch beschimpft worden. Sie seien aber nicht antisemitisch, sondern lediglich »Israel-kritisch«.

Drinnen im Plenarsaal wies Gerichtspräsidentin Erna Viktoria Xalter die Kläger wiederholt darauf hin, sich bitte nur zu den vorgetragenen juristischen Argumenten zu äußern.

Der Bundestag hatte die BDS-Bewegung, die unter anderem den Boykott israelischer Waren fordert, als antisemitisch eingestuft und verlangt, dass sie und ihre Unterstützer kein Geld mehr von der Bundesregierung erhalten sollen.

Die Klägerin ließ es sich trotz wiederholter Ermahnungen der Gerichtspräsidentin, bei der juristischen Sache zu bleiben, nicht nehmen, Israel während ihrer persönlichen Stellungnahme als »Apartheidstaat« zu bezeichnen und ihre BDS-Sympathie mit dem Verweis auf ihre in Auschwitz ermordeten Großeltern zu legitimieren. »Man wird als Aussätziger behandelt, weil man sich für die Menschenrechte anderer Menschen einsetzt«, sagte einer der anderen Kläger.

argumente Das Verwaltungsgericht ließ diese Argumente nicht gelten. Bei dem Beschluss des Bundestags handele es sich um eine Positionsbestimmung in einer kontroversen Debatte, sagte Gerichtspräsidentin Xalter. Der Beschluss greife nicht in die Persönlichkeitsrechte ein, denn er sei nicht personen-, sondern sachbezogen. Er treffe auch keine Aussage, dass alle Unterstützer von BDS Antisemiten seien. Ein Eingriff in die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit liege ebenso wenig vor.

Nachdem Argumente für und wider »Zulässigkeit« und »Begründetheit« ausgetauscht waren, gingen die Richter dazu über, Punkt für Punkt ein sogenanntes Prüfprogramm zu erörtern. Dabei wurde verhandelt, ob der Bundestagsbeschluss zu BDS wenngleich keine rechtsverbindliche, so doch eine »eingriffsgleiche Maßnahme« sei.

Nein, stellten nun die Richter klar. Sie untermauerten damit die bereits bestehende Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungs- als auch des Bundesverfassungsgerichts zum Informationshandeln der Exekutive, die besagt, dass »eine staatliche Information oder Warnung mangels Rechtsqualität keinen Eingriff in ein Grundrecht im klassischen Sinne« darstelle.

War der Beschluss eine »eingriffsgleiche Maßnahme«? Nein, stellten die Richter klar.

»Wenn das Gericht die Klage abweist, entspricht es in einer rechtlichen Betrachtung der Einordnung durch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, der den betreffenden Beschluss des Bundestages und dessen Inhalt als unverbindliche Erklärung einordnete«, sagte die Bundestagsabgeordnete Nina Scheer (SPD) der Jüdischen Allgemeinen. Aber eben mit dieser Einordnung müsse »gewährleistet sein, dass von dem Beschluss des Bundestages auch nicht indirekt Einschränkungen legitimer Meinungsäußerungsfreiheiten abgeleitet werden«.

REAKTIONEN Josef Schuster sieht sich bei der Entscheidung des Gerichts in seiner Auffassung bestätigt. »Der Bundestag sieht zu Recht Antisemitismus bei der BDS-Bewegung, verbietet es aber niemandem, sich dort zu engagieren oder sich im Sinne von BDS zu äußern«, sagte der Zentralratspräsident der Jüdischen Allgemeinen. Daher könne hier »von einer Einschränkung der Meinungsfreiheit keine Rede« sein. »Da die Medien und das Netz voll sind mit Äußerungen von BDS-Anhängern, ist dieser Vorwurf auch wirklich absurd. Und ich möchte betonen: Antisemitismus ist keine Meinung.«

Ähnlich äußerte sich Felix Klein, Bundesbeauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus. »Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages genießt BDS in Deutschland unverändert Meinungsfreiheit wie auch alle anderen grundrechtlich verbürgten Freiheiten. Der Bundestag stellt lediglich klar, dass keine Steuergelder für die Aktivitäten dieser Bewegung aufgewendet werden sollen, die das Existenzrecht Israels infrage stellt.«

»Die Maske bleibt unten, denn BDS ist und bleibt antisemitisch«

DIG-Präsident Uwe Becker

Der BDS-Beschluss sei wichtig, weil er israelbezogenen Antisemitismus bekämpft. »Diese Art des Judenhasses ist besonders gefährlich, weil in Deutschland Erhebungen zufolge etwa 40 Prozent der Bevölkerung latent israelfeindlich eingestellt sind, dies aber häufig nicht als Antisemitismus erkannt wird. Dabei gibt es gegenüber keinem anderen Staat vergleichbare Haltungen oder gar Boykottbewegungen«, so Klein. Zudem sei es »nichts anderes als Antisemitismus, wenn einzelne Israelis für das Handeln ihrer Regierung büßen sollen. Dass sich der Bundestagsbeschluss 19/10191 dagegen wendet, hierfür öffentliche Gelder aufzuwenden, ist richtig und notwendig«.

Auch der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Uwe Becker, begrüßt die Berliner Gerichtsentscheidung. Kaum eine andere antisemitische Gruppierung habe es in den zurückliegenden Jahren »derart einfallsreich verstanden, die eigene anti-israelische Gesinnung hinter der Maske einer selbst erklärten Menschenrechtsorganisation zu verbergen, wie dies die israelfeindliche BDS-Bewegung erreicht hat«, so Becker. Dass nun das Verwaltungsgericht Berlin eine Klage von BDS-Vertretern gegen den Bundestag als unbegründet abgewiesen hat, sei »ein starkes und wichtiges Signal«. »Die Maske bleibt unten, denn BDS ist und bleibt antisemitisch«, erklärte Becker.

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