Meinung

Von Werten und Worthülsen

Als Bundesregierungssprecher Steffen Seibert am vergangenen Freitag darauf hinwies, dass die Armenien-Resolution des Bundestages rechtlich nicht bindend sei, erfüllte er damit laut Spiegel Online eine Forderung des türkischen Präsidenten Erdogan. Diese Relativierung des Bundestagsbeschlusses sei eine Voraussetzung für die Gewährung des Zugangs von Bundestagsabgeordneten zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der Osttürkei gewesen, von wo aus die Bundeswehr Aufklärungseinsätze gegen den IS fliegt.

Dass deutschen Parlamentariern der Besuch deutscher Truppen verweigert wurde, war nicht nur ein Affront, sondern eine offen feindselige Behandlung des NATO-Alliierten und Verbündeten im Kampf gegen den IS. Und offenbar wusste die türkische Seite gut, dass man deswegen nichts zu befürchten hatte, da Deutschland schon bald klein beigeben würde. Denn die Bundesregierung macht schon seit Jahren deutlich, dass ihr keine verkündeten Werte heilig sind.

folter Ein kleiner Rückblick: Noch bevor die Sanktionen gegen den Iran nach der Unterzeichnung des Atomdeals aufgehoben wurden, war Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bereits mit einer Wirtschaftsdelegation nach Teheran gereist. Als im Sommer 2014 die ohnehin milden EU-Sanktionen gegen Russland beschlossen wurden, bedauerte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, dass Russland der EU nun einmal keine andere Wahl gelassen habe. Seitdem wird er nicht müde, die Sanktionen zu hinterfragen und für eine russlandfreundliche Außenpolitik zu werben.

Im syrischen Bürgerkrieg sieht man das Assad-Regime als Stabilitätsfaktor, mit dem der Frieden in Syrien zu erreichen sei. Giftgaseinsätze, Bombardements von Krankenhäusern und massenhafte Folter der Gefangenen ändern daran nichts.

diktatoren Das sind nur einige Beispiele des Umgangs der führenden EU-Macht mit den Diktatoren dieser Welt. Menschenrechte, die Sicherheit des Staates Israel, das Völkerrecht, Frieden und Sicherheit in Europa oder historische Verantwortung sind für die Bundesregierung keine zwingenden Argumente, wenn das Gegenüber nur standfest genug bleibt. Doch Werte sind keine leeren Worthülsen.

Denken wir weiter: Was wäre, wenn der Iran oder die Liga Arabischer Staaten eine Distanzierung der Bundesregierung von der Holocaust-Aufarbeitung forderte? Würde der Regierungssprecher dann verkünden, die Ergebnisse der historischen Forschung hätten keine rechtliche Bindung? Genau genommen hätte er damit recht.

Der Autor ist Historiker in Freiburg.

Berlin

Der falsche Konsens

Der israelische Militärhistoriker Danny Orbach stellt im Bundestag eine Studie und aktuelle Erkenntnisse zum angeblichen Genozid im Gazastreifen vor – und beklagt eine einseitige Positionierung von UN-Organisationen, Wissenschaft und Medien

 27.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 27.11.2025

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Düsseldorf

Breite Mehrheit im Landtag wirbt für Holocaust-Zentrum in NRW

Große Mehrheit im NRW-Landtag: Fast alle Fraktionen werben für NRW als Standort eines vom Bund geplanten Holocaust-Bildungszentrums. Bayern und Sachsen sind ebenfalls im Rennen

von Andreas Otto  27.11.2025

Terrorismus

Berlin: Waffenkurier der Hamas wohnte in unmittelbarer Nähe zu mehreren jüdischen Einrichtungen

Im Auftrag der Terrororganisation Hamas sollen mehrere Männer jüdische und proisraelische Ziele unter anderem in der Hauptstadt ausgespäht und Waffen eingeschmuggelt haben. Nun berichten »Zeit« und »Welt« über die Hintergründe

 27.11.2025

Bildung

Im Land der Täter

Bis März soll die Entscheidung fallen, wo die Dependance der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland angesiedelt wird

von Michael Thaidigsmann  27.11.2025

München

Uschi Glas: Christen müssen jüdische Mitbürger schützen

Uschi Glas mahnt Christen zum Schutz von Juden. Sie warnt vor neuer Ausgrenzung und erinnert an eigene Erfahrungen nach dem Krieg. Was sie besonders bewegt und warum sie sich Charlotte Knobloch verbunden fühlt

von Hannah Krewer  27.11.2025

Entscheidung

Uni Jena lehnt Prüfung von Kontakten mit israelischen Hochschulen ab

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena wird Kooperationen mit israelischen Hochschulen nicht auf mögliche Verbindungen zum Militär überprüfen. Der Senat lehnte einen entsprechenden Antrag von Teilen der Professorenschaft ab

 27.11.2025

Berlin

Prozess um Angriff am Holocaust-Mahnmal: »Tat zugegeben«

Polizisten berichten von der Begegnung mit dem Angeklagten wenige Stunden nach der Tat

 27.11.2025