Beschneidung

Von oben herab

Israels Oberrabbiner Yona Metzger in der Bundespressekonferenz Foto: Rolf Walter

In der vergangenen Woche kam Israels aschkenasischer Oberrabbiner, Yona Metzger, nach Berlin, um mit Vertretern der deutschen Politik über die Beschneidung zu sprechen. Seinem hohen Amt entsprechend wurde er unter anderem von Familienministerin Kristina Schröder empfangen. Vor der Bundespressekonferenz nahm er Stellung zu Fragen der Brit Mila und des Glaubens. Vor allem zwei Botschaften Metzgers wurden im deutschen Blätterwald groß aufgemacht. Erstens sollten deutsche Ärzte Mohalim für ihre Arbeit in der Bundesrepublik ausbilden. Zweitens widerspreche der Einsatz schmerzstillender Mittel dem jüdischen Glauben.

Allerdings wurden die legitimen, demokratisch gewählten Vertreter der jüdischen Gemeinschaft vor dieser Reise weder konsultiert noch benachrichtigt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland erfuhr von Metzgers Mission aus den Medien. Weder die Orthodoxe Rabbinerkonferenz noch die Allgemeine Rabbinerkonferenz hatten im Vorfeld Kenntnis von dem Besuch. Eine solch beispiellose Vorgehensweise ist umso unverständlicher, als die jüdische Gemeinschaft in Deutschland, nicht zuletzt der Zentralrat, auf das drohende Beschneidungsverbot schnell und effizient reagiert hatte.

intervention Die unabgestimmte Intervention von israelischer Seite entsprach daher nicht nur keinesfalls den Gepflogenheiten, sondern war auch inhaltlich völlig kontraproduktiv, denn Metzgers Ausführungen gingen an der deutsch-jüdischen Realität weit vorbei. Weder ist es nötig, Mohalim durch deutsche Ärzte ausbilden zu lassen, noch lehnen die Gemeinden und Eltern in Deutschland schmerzstillende Mittel rundweg ab. Ganz im Gegenteil. Schmerzlinderung ist gängige Praxis. Sie wird übrigens – auch ohne Spritzen – in Israel oft praktiziert, und zwar von orthodoxen Beschneidern.

Hier hat sich bedauerlicherweise wieder gezeigt, dass sich das israelische Oberrabbinat hauptsächlich als halachischer Vertreter der Ultraorthodoxie versteht. Dabei bleiben in Israel nicht nur die nicht orthodoxen Strömungen des Judentums, sondern zunehmend auch modern orthodoxe Juden außen vor. Diese Kritik wird in Israel inzwischen sehr deutlich artikuliert.

pluralismus In Deutschland praktiziert die jüdische Gemeinschaft einen ausgewogenen Pluralismus. Das ist nicht immer einfach, doch können wir den Import von Monopolansprüchen und Belehrungen – von wem auch immer und von wo auch immer – nicht nur nicht gebrauchen. Derartige Einmischungen schaden vielmehr den Interessen der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland.

Leider blieb Rabbiner Metzger mit seiner Einmischung nicht allein. Israels Innenminister Eli Yishai sah sich bemüßigt, Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem unverzüglich an die Medien weitergereichten Schreiben aufzufordern, sie möge der »Kriminalisierung« der Beschneidung in Deutschland Einhalt gebieten. Das Schreiben war eine Reaktion auf die gegen den Mohel und Rabbiner David Goldberg aus Hof (Saale) von einem Arzt erstattete Anzeige. War dem Minister von der ultraorthodoxen Schas-Partei bekannt, dass sich die Bundeskanzlerin – die ihre Freundschaft gegenüber Juden und Israel oft genug und nachhaltig genug bewiesen hat – klipp und klar für das Recht auf religiöse Beschneidung in Deutschland einsetzt? Und dass die deutsche Politik sich bereits mehrheitlich auf eine gesetzliche Verankerung des Rechts auf religiöse Beschneidung festgelegt hat? Insofern war auch die Intervention des israelischen Ministers völlig überflüssig und kontraproduktiv.

paternalismus Natürlich sind wir für Solidarität dankbar, doch ist Solidarität etwas anderes als das paternalistische Verhältnis, das viele in Israel den Juden in Deutschland noch immer angedeihen lassen. Als Gegenbeispiel sei die enge und erfolgreiche Abstimmung zwischen Zentralrat und jüdischen Organisationen aus den USA, wie dem American Jewish Committee, der Anti-Defamation League, der Lauder Foundation und europäischen jüdischen Organisationen wie dem European Jewish Congress und der Conference of European Rabbis angeführt. Auch sie wirken auf eine Absicherung der Brit Mila in Deutschland hin, koordinieren ihre Aktionen aber gemeinsam mit dem Zentralrat und stärken ihn in seiner Eigenschaft als Verhandlungspartner der deutschen Politik den Rücken und damit der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Deutschland.

Es ist längst überfällig, den unangebrachten Paternalismus aus Israel zu beenden. Wie kaum eine andere deutsche Gemeinschaft in der Welt sind wir dem Staat Israel verbunden. Israel war, ist und wird auch künftig ein Teil von uns sein. Wo immer es Hilfe gegen Verleumdungen und Delegitimierung braucht, sind Juden in der Bundesrepublik zur Stelle. Der Zentralrat der Juden in Deutschland schreibt Solidarität mit Israel ganz groß.

Doch es wäre schön, wenn israelische Institutionen endlich zu einem Dialog auf Augenhöhe mit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und damit dem Zentralrat bereit wären. Alles andere ist für uns nicht länger hinnehmbar und schadet letztlich unserer gemeinsamen Sache.

Der Autor ist Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Australien

Mann solidarisiert sich mit Sydney-Attentätern – Festnahme

Bei dem Verdächtigen wurden Einkaufslisten für den Bau einer Bombe und Munition gefunden. Es erging bereits Anklage

 24.12.2025

Washington

US-Regierung nimmt deutsche Organisation HateAid ins Visier

Die beiden Leiterinnen wurden wegen angeblicher Zensur amerikanischer Online-Plattformen mit Einreiseverboten belegt. Die Bundesregierung protestiert

 24.12.2025

Großbritannien

Israelfeindlicher Protest: Greta Thunberg festgenommen

In London treffen sich Mitglieder der verbotenen Gruppe Palestine Action zu einer Protestaktion. Auch die schwedische Aktivistin ist dabei. Die Polizei schreitet ein

 23.12.2025

Stockholm

Was bleibt von den Mahnungen der Überlebenden?

Der Schoa-Überlebende Leon Weintraub warnt vor der AfD und Fanatismus weltweit. Was für eine Zukunft hat die deutsche Erinnerungskultur?

von Michael Brandt  23.12.2025

Israel

Netanjahu warnt Türkei

Israel will die Zusammenarbeit mit Griechenland und Zypern stärken. Gleichzeitig richtet der Premier scharfe Worte an Ankara

 23.12.2025

New York

Mitglieder von Mamdanis Team haben Verbindungen zu »antizionistischen« Gruppen

Laut ADL haben mehr als 80 Nominierte entsprechende Kontakte oder eine dokumentierte Vorgeschichte mit israelfeindlichen Äußerungen

 23.12.2025

Düsseldorf

Reul: Bei einer Zusammenarbeit mit der AfD wäre ich weg aus der CDU

Die CDU hat jede koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der AfD strikt ausgeschlossen. Sollte sich daran jemals etwas ändern, will Nordrhein-Westfalens Innenminister persönliche Konsequenzen ziehen

 23.12.2025

Interview

»Diskrepanzen zwischen warmen Worten und konkreten Maßnahmen«

Nach dem Massaker von Sydney fragen sich nicht nur viele Juden: Wie kann es sein, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt? Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht Defizite

von Leticia Witte  22.12.2025

Washington D.C.

Kritik an fehlenden Epstein-Dateien: Minister erklärt sich

Am Freitag begann das US-Justizministerium mit der Veröffentlichung von Epstein-Akten. Keine 24 Stunden später fehlen plötzlich mehrere Dateien - angeblich aus einem bestimmten Grund

von Khang Mischke  22.12.2025